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Zug um Zug

„Zentral ist, dass die Bahninfrastruktur weiter nachhaltig ausgebaut wird“

Wir erleben gerade, dass eine regelbasierte Ordnung weltweit zunehmend unter Druck gerät. Was bedeutet „Freihandel“ im Jahr 2025?

Freihandel ist ein theoretisches Konzept. Empirisch hat es „freien“ Welthandel nie gegeben. Fast alle Länder haben Importzölle oder Regulierungen, die ausländische Anbieter diskriminieren. Bis etwa 2010 gab es zahlreiche Anstrengungen, solche Barrieren abzubauen. Seither werden sie eher wieder aufgebaut. Und ganz massiv in den ersten Monaten des Jahres 2025 – fast ausschließlich ausgehend von den USA.

Die österreichische Industrie steckt seit Anfang 2023 in einer tiefen Rezession. Eine Ausnahme scheint die Bahnindustrie zu sein. Teilen Sie diesen Befund? 

Ja, diesen Befund teile ich. Es sind nie alle Industriezweige gleichzeitig in der Rezession oder im Boom. Die Bahnindustrie hat Vorteile, die andere Branchen nicht haben. Erstens wird weltweit in Bahninfrastruktur investiert, was die globale Nachfrage antreibt und gute Preise ermöglicht. Zweitens sind in Österreich tätige Unternehmen der Sparte sehr oft Technologieführer, ob bei Weichensystemen, Signaltechnik, Digitalisierung oder Gleisbaumaschinen. Drittens haben wir hier insgesamt auch ausreichend Masse. Dafür ist wichtig, dass auch Schienenfahrzeuge oder wesentliche Teile davon bei uns gebaut werden.

Was müsste in Österreich und auf EU-Ebene geschehen, um die Bahn­industrie weiter zu stärken?

Ganz zentral ist, dass die Bahninfrastruktur weiter nachhaltig ausgebaut wird. Dazu braucht es politische Unterstützung, damit die Unternehmen Kapazitäten halten und aufbauen. Die jüngste deutsche Entscheidung, massiv in Infrastruktur zu investieren, hilft hier sehr. Es wäre auch sehr gut, gerade für Österreich, wenn die EU im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen die finanziellen Mittel für grenzüberschreitende Projekte massiv aufstockt. Bisher sind diese Budgets grotesk unterdotiert. 

Wie sehen Sie die Möglichkeiten, dass Beschäftigte von der Kfz- in die Bahnindustrie wechseln?

Ich sehe hier eine große Chance. Aber es braucht auch entsprechend Unterstützung. Daher ist es gut, dass die Mittel des Arbeitsmarktservice nun nicht, wie durchaus im Raum stand, gekürzt werden. Es braucht Angebote für Umschulungen, Requalifizierungen, und wir sollten auch darüber nachdenken, wie man regionale Mobilität unterstützen kann. Hier hilft, dass viele führende Bahntechnikunternehmen in Regionen angesiedelt sind, in denen auch Kfz-Technik hergestellt wird und es Ähnlichkeiten in den Aufgabenbereichen gibt. Bremssysteme für Züge und Bremsen für Lkw sind, bei allen Unterschieden, doch verwandt.

Wie sehen Sie die Kritik des Rechnungshofs an den Planungs­defiziten der Energiewende?

Ich schließe mich dem Rechnungshof an. Es ist positiv, dass die Politik nun die großen Gesetzespakete auf den Weg bringen will, die für Planbarkeit notwendig sind. Zum Beispiel Novellen des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes, des Erneuerbare-Ausbau-Gesetzes oder die rasche Umsetzung von Verfahrensbeschleunigungen gemäß EU-Vorgaben. Es sollte unbedingt an den Fahrplänen zur CO2-Bepreisung festgehalten werden. Emissionen aus Wohnen und Verkehr sollten wie geplant in den europäischen Emissionshandel integriert werden. Hier ist wichtig, dass keine neue Unsicherheit aufkommt.

Zuletzt hat der Fiskalrat die relativ „teuren“ Klimaschutzmaßnahmen kritisiert und angesprochen, dass Tempolimits billig und sehr wirksam wären. Wie sehen Sie das Spannungsfeld zwischen Förderungen, Steuern und Ordnungspolitik?

In Zeiten sehr knapper Budgets stößt die Förderpolitik an ihre Grenzen. Subventionen sind aber auch insofern teuer, als sie ja letztlich mit Steuern finanziert werden müssen. Daher sollte man stärker über Ordnungspolitik nachdenken. Der wissenschaftliche Beirat im deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz schlägt zum Beispiel vor, Unternehmen, die in grüne Technologien investieren, nicht so sehr mit Beihilfen zu unterstützen, sondern stärker durch die Schaffung grüner Leitmärkte, also regulatorische Vorgaben. Es wird aber weiterhin auch Subventionen und Zuschüsse brauchen, vor allem zur Abfederung der Konsequenzen hoher CO2-Preise. FJ