Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Notwendige Energiewende: Kommen wir mit Deregulierungen von Umweltverfahren schneller ans Ziel?

Pro: „Wer Ja zur Energiewende sagt, muss auch Ja zu einem raschen Ausbau der Energieinfrastruktur sagen.“

Die im Titel gestellte Frage ist mit Nachdruck mit Ja zu beantworten. Die Deregulierung und damit Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist essenziell für eine gelingende Energiewende. Sie kann nur erreicht werden, wenn die bestehenden Strukturen der Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung umfassend umgestaltet werden. Das bedeutet aber, dass neue Anlagen für die Energieerzeugung, für die Energieverteilung und für die Energiespeicherung errichtet werden müssen.

Wenn es jedoch um die konkreten Maßnahmen geht, dann zeigt sich die große Problematik unserer Zeit: Praktisch alle bekennen sich zur Energiewende und zum Umstieg auf Stromerzeugung durch erneuerbare Energien, aber die wenigsten wollen die dafür erforderlichen Anlagen. Bürgerinitiativen und Umwelt-NGOs beeinspruchen Kraftwerksbauten, machen gegen Windparks mobil und wenden sich gegen die Errichtung von Stromleitungen.

Das hat Folgen. Bei größeren, insbesondere auch für die Klima- und Energiewende bedeutsamen Vorhaben dauern die Genehmigungsverfahren viel zu lange, mitunter fünf bis zehn Jahre. So lässt sich das Ziel der Klimaneutralität in naher Zukunft aber nicht erreichen. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn die dafür erforderlichen Maßnahmen, an denen ein überragendes gesamtgesellschaftliches und damit öffentliches Interesse besteht, auch wirklich rasch umgesetzt werden können. 

Auch die EU hat den Handlungsbedarf erkannt und in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2023 (RED III) klare Vorgaben zur Beschleunigung des Ausbaus von erneuerbaren Energien gesetzt. Die neue Bundesregierung muss für deren rasche Umsetzung auf nationaler Ebene sorgen.

Con: „Artenschutz und Klimaschutz dürfen kein Widerspruch werden. Dafür braucht es starke Verfahren statt Deregulierungs-Chaos.“

Jedes Projekt – sei es Windpark, Solarpark oder Staudamm – benötigt Raum. Dieser Raum ist begrenzt und erfordert eine Abwägung zwischen der Energieausbeute und den Eingriffen in Ökosysteme. Umweltverfahren sind für diese Beurteilung besonders bei großen Projekten essenziell. Deregulierung verursacht Chaos und Widerstand und gefährdet sogar die Klimaziele. 

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung dauert durchschnittlich nur 10,6 Monate. Zu Ausreißern kommt es, weil die Unterlagen der Projektwerbenden nicht vollständig sind, die Behörden keine ausreichenden Ressourcen haben oder bei der Standortfestlegung schlecht geplant wurde. Laut Bundesministerium für Klimaschutz wird im Schnitt mehr als die Hälfte der Verfahrensdauer für Nachbesserungen benötigt. Erst danach kommt es zur öffentlichen Auflage und Beteiligung der Öffentlichkeit. Echte Beschleunigung geht anders. Vorgelagerte Planungsverfahren verhindern Chaos bei der Standortwahl und stärken Akzeptanz in der Bevölkerung, wie Beispiele aus dem Burgenland und Wien zeigen. 

Windkraft und Photovoltaik sind entscheidend für die Energiewende, doch ihr Ausbau darf den Klimaschutz nicht gefährden, der wiederum auf intakte Ökosysteme angewiesen ist. Laut Weltklimarat absorbieren natürliche Kohlenstoffsenken rund die Hälfte der globalen CO2-Emissionen. Österreichs Moore speichern auf nur 0,25 Prozent der Landesfläche etwa das Doppelte des nationalen CO2-Ausstoßes in 2023. Es nützt dem Klima wenig, wenn Erneuerbare durchgepeitscht werden, dabei aber Lebensräume und Kohlenstoffspeicher unwiederbringlich verloren gehen. Durch starke Umweltverfahren können alle Ziele vereint werden: die Deckung des Energiebedarfs und der Schutz der Natur.