Politik

Rechtes Klima

Die weltpolitische Lage ändert sich derzeit rasant. Ein Beispiel, das viele Menschen fassungslos macht, ist die Drohung der USA, der Ukraine die bisherige militärische Hilfe zu entziehen. Das schwächt die Fähigkeit des Landes, sich gegen den kriegerischen Überfall Russlands zu wehren. Auch Europa kann sich der Unterstützung der USA nicht mehr sicher sein und setzt deshalb die Aufrüstung ganz oben auf die Tagesordnung.

Merkmale rechter Politik

Unmittelbarer Auslöser dieser Entwicklung ist die veränderte Haltung der USA seit dem Amts­antritt von Donald Trump als Präsident. Doch diese Entwicklung kommt nicht plötzlich: Die ehemals vorherrschende Politik, die auf Frieden und internationale Kooperation ausgerichtet war, ist schon seit längerem in der Defensive – man denke nur an Russland unter Putin, an Brasilien unter Bolsonaro oder an Ungarn unter Orban. An der Spitze dieser Entwicklung stehen zumeist Männer, die ihre Macht durch das Zerschlagen bestehender Strukturen zur Schau stellen und damit zugleich festigen, die das „Recht des Stärkeren“ vertreten und die die Zugehörigkeit zum herrschenden Volk oder zur „Rasse“ als entscheidendes Kriterium dafür sehen, ob Menschen Bürgerrechte zukommen sollen. 

Dies sind Merkmale einer rechten Politik, die in vielen europäischen Staaten immer mehr Zulauf bekommt. Rechte Parteien stellen das Trennende über das Gemeinsame. Ihr Verhältnis zum Staat ist ambivalent: Wo er – vor allem als Sozialstaat – dem Schutz Schwächerer dient, wird er in Misskredit gebracht und zerstört. Wo er hingegen vorgeblich Sicherheit und Ordnung garantiert, wird er gestärkt. Die Lippenbekenntnisse gelten dem „Volk“, die tatsächliche Politik aber den reichen Eliten.

Letzteres ist der Grund, warum viele Unternehmen und ihre Lobbyorganisationen die rechte Politik ideologisch und finanziell unterstützen. Sie erwarten, dass rechtliche Schranken für ihre Profitmaximierung abgebaut werden und dass sie die verbleibenden staatlichen Mittel in ihre Kassen umlenken können. Die gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach Deregulierung ist ein Beispiel für die begriffliche Vorherrschaft der Rechten im öffentlichen Diskurs. Denn sie lässt erfolgreich vergessen, dass die Regulierungen, denen ihr Angriff gilt, ursprünglich zum Schutz Schwächerer und der Umwelt eingeführt wurden. 

Diese politische Rechtswende findet nicht nur dort statt, wo eindeutig rechte bzw. rechtsextreme Parteien an die Macht kommen. Weil auch andere, vor allem konservative oder liberale Parteien, um Wähler:innen rechts der Mitte werben, übernehmen auch sie zusehends einige dieser rechten Positionen.

Wende beim Grünen Deal

Angesichts der wachsenden Gefahr einer Eskalation des Krieges scheint es fast lächerlich, sich über die Auswirkungen dieses Rechtsrucks auf die Zukunft der Klima- und Energiepolitik Gedanken zu machen. Doch auch wenn die Kriegsgefahr eine viel unmittelbarere Bedrohung darstellt, verschwindet die Klimakrise nicht. Immer neue Hitze- oder Trockenheitsrekorde zeigen, dass auch aus diesem Grund die sichere Lebensmittelversorgung, die Energieversorgung, die Wasserversorgung und vieles mehr in Gefahr sind. 

Und die Veränderungen lassen nicht lange auf sich warten. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene werden Änderungen beschlossen, die das Projekt des Grünen Deal und die Führungsrolle der EU in der internationalen Klimapolitik in Frage stellen. Als im Jahr 2019 Ursula von der Leyen zum ersten Mal das Amt der Kommissionspräsidentin anstrebte, waren die Umstände für eine ambitionierte, international ausgerichtete Klimapolitik günstig. Um für ihre Wahl auch Unterstützung von grünen Parteien zu bekommen, schlug sie ein Programm vor, das auf Wirtschaftswachstum durch grüne Technologien setzte. Der „Grüne Deal“ war geboren, der nicht nur deutlich strengere Klimaziele vorsah, sondern auch Nachhaltigkeit und die Wahrung der Menschenrechte als Prinzipien der unternehmerischen Tätigkeit verankern wollte. 

Doch die Nachwehen der Covid-Pandemie, die Energiepreiskrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und die anschließende Rezession haben Zweifel an der Tragfähigkeit des Projekts eines grünen Kapitalismus aufkommen lassen. Diese Zweifel zeigten sich deutlich in den Ergebnissen der Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2024. Rechte Parteien, die sich gegen die ambitionierte Klimapolitik und den Green Deal stellen, konnten deutliche Stimmengewinne verzeichnen. Verbote von Windrädern, die Aufhebung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen und das Versprechen, dass die Zukunft weiterhin den Autos gehöre, sind Beispiele für eine „Anti-Klimapolitik“, die an den Wahlurnen erfolgreich war.

Umverteilung nach oben

Ein weiterer Grund für den Kurswechsel der EU-Politik war auch die Art, wie die USA auf die Krise reagiert haben. Schon während der Präsidentschaft Joe Bidens wurde mit dem „Inflation Reduction Act“ (IRA – Gesetz zur Inflationsbekämpfung) eine protektionistische Politik verfolgt, die staatliche Subventionen oder Steuergutschriften für jene Unternehmen vorsah, die in den USA produzieren. In der Folge ging auch die EU-Kommission von ihrer strengen Haltung gegenüber staatlichen Beihilfen ab und erlaubte umfangreiche staatliche Subventionsprogramme für europäische Unternehmen. Nur so war es möglich, dass 2022 in Österreich 5,7 Milliarden Euro an Förderungen für den „Umbau der Industrie“ zugesagt wurden.

Doch die Wirtschaft erholte sich nicht. Daher beauftragte die EU-Kommission den früheren Chef der Europäischen Zentralbank und ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi, einen Bericht mit Empfehlungen zu erstellen, wie die EU sich wirtschaftlich wieder erholen könnte. Der Bericht, den Draghi Mitte 2024 vorlegte, fokussiert auf „Wettbewerbsfähigkeit“. Die Hauptbotschaft des Berichts lautet, dass deutlich mehr Investitionen nötig sind, um die Produktivität wieder zu steigern: jedes Jahr etwa 750 bis 800 Milliarden Euro zusätzlich. Dafür sollen sich die Mitgliedstaaten auch gemeinsam stärker verschulden können. 

Der Draghi-Bericht war einer der Pfeiler des politischen Programms, das Ursula von der Leyen im vergangenen Jahr dem Europäischen Parlament präsentierte, um als Kommissionspräsidentin wiedergewählt zu werden. Die schlechte Wirtschaftslage in der EU und das gleichzeitige Erstarken rechter Parteien bei den Wahlen zum Europäischen Parlament prägten ihr Programm. Von der Leyen macht Zugeständnisse an die Rechten, gleichzeitig lässt sie Visionen einer Weiterentwicklung der Gesellschaft in den Hintergrund treten. Solidarität und Gerechtigkeit verlieren als politische Ziele offenkundig an Bedeutung. Stattdessen wird die Politik zunehmend an den Interessen der Besitzenden (Industrieunternehmen, Eliten) ausgerichtet.

Unternehmenspflichten über Bord werfen

Konkret zeigt sich dies an zwei Gesetzen, bei denen die neue Kommission eine Kehrtwende vollzieht: Während das EU-Lieferkettengesetz vor zwei Jahren noch als Meilenstein einer weltweiten Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer:innen und des Umweltschutzes gefeiert wurde, wird es nun als Belastung für die Unternehmen bezeichnet. Die Kommission übernimmt damit die unaufhörlich wiederholte Behauptung der Unternehmensverbände. Nach dem Vorschlag der Kommission von Ende Februar 2025 soll das erst vor einem Jahr beschlossene Gesetz seiner Substanz beraubt werden. Bisher hatte sich die EU international gegen Zwangsarbeit, Rodung von Urwäldern und Umweltzerstörung eingesetzt. Damit hatte sie auch moralisch eine weltweite Führungsrolle eingenommen. Die Entscheidung, die verbindliche Sorgfaltspflicht der Unternehmen zu verwässern, sei Ausdruck eines regulatorischen Rückzugs, der sowohl moralisch als auch wirtschaftlich kurzsichtig sei, schreibt beispielsweise das Center for European Policy Studies (CEPS).

Ähnlich verhält es sich mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD). Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen, über ihre sozialen und ökologischen Ziele und Vorhaben zu berichten und ihr unternehmerisches Handeln daran auszurichten. Dies sollte es für Investoren, Organisationen der Zivilgesellschaft und Verbraucher:innen möglich machen, die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu bewerten. Doch statt diese weiter auszubauen, werden die Anforderungen an Unternehmen nun als bürokratische Belastungen verunglimpft, die ihre Wettbewerbsfähigkeit schmälern würden. Mit dieser Begründung will die neue Kommission den Anwendungsbereich der Richtlinie drastisch einschränken und nur mehr sehr große Unternehmen damit erfassen. 

Diese zwei Beispiele lassen auch in der Klimapolitik nichts Gutes erwarten. Denn Unternehmerverbände stellen die Vorgaben zur Reduktion der Treibhausgas­emissionen immer lauter in Frage. Konkrete Vorschläge zur Änderung des EU-Klimagesetzes, das die Reduktionsziele bis 2040 rechtlich verbindlich machen soll, sollen in Kürze vorgelegt werden. Es gilt, genau zu beobachten, ob die bisherige ambitionierte Zielsetzung der EU auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit geopfert wird. 

Knapp vorbeigeschrammt

Auf der Ebene der Mitgliedstaaten kann dieser Schwenk nach rechts noch viel deutlicher und schneller erfolgen. Fast hätten sich Anfang des Jahres 2025 FPÖ und ÖVP auf eine Regierung geeinigt. Das Programm, das diese beiden Parteien schon weitgehend ausgearbeitet hatten, enthielt in vielen Bereichen gravierende Verschlechterungen für die Arbeitnehmer:innen, etwa bei der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, der Rechtsstaatlichkeit oder der Gleichstellungspolitik. Einige der kolportierten Vorschläge standen sogar im Widerspruch zur Verfassung und zu Grundrechten. In der Wirtschaftspolitik war der Entwurf primär an den Wünschen der Unternehmen ausgerichtet. So wäre etwa die angekündigte Senkung der Lohnnebenkosten eine Entlastung der Arbeitgeber:innen. Ihre Folge wäre eine Schwächung des Sozialstaates und damit ein Nachteil für die Arbeitnehmer:innen, weil der Staat dann weniger Geld für Bildung, Gesundheit oder Pensionen ausgeben kann. In Diskussion stand auch eine Abschaffung der gesetzlichen Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer. Auch dies ist ein Angriff auf die Arbeitnehmer:innen, denn Gewerkschaften und Arbeiterkammern setzen sich für deren Interessen ein und stärken ihre Stimme. Ohne sie sind die Arbeitnehmer:innen der Ausbeutung durch Unternehmer:innen ungeschützt ausgesetzt. 

Sowohl auf der EU-Ebene als auch in Österreich wird immer wieder der bürokratische Aufwand von Genehmigungsverfahren beklagt. Es wird so getan, als seien diese nur erfunden worden, um den freien Unternehmer:innengeist zu fesseln. Damit wird davon abgelenkt, dass die Verfahren dazu dienen, unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen. Denn neben dem Interesse, eine Straße oder ein Windrad zu errichten, gibt es auch die Interessen der Landwirtschaft, des Naturschutzes, des Grundwasserschutzes, um nur einige zu nennen. Wenn Verfahrensbeschleunigung bedeutet, dass die Parteienrechte eingeschränkt werden, besteht die Gefahr, dass die Interessen schwächerer Parteien unter die Räder kommen. 

Es liegt auf der Hand, dass es sich bei diesem Abbau von Standards nicht um unbeabsichtigte Irrtümer handelt. Vielmehr zeigt sich darin eine Verschiebung weg von einer Politik der Kooperation und des Interessenausgleichs hin zu einer Politik der Abschottung, der internationalen Konkurrenz und des zunehmenden Rechts des Stärkeren. Entgegen ihren anderslautenden Lippenbekenntnissen machen die Rechten eine Politik für die Wenigen, für die Reichen, für die Eliten. Dem gilt es entgegenzutreten, wenn der soziale und ökologische Umbau hin zu einer gerechten Gesellschaft gelingen soll.