Kommentar: Plädoyer für einen ausgebauten Sozialstaat
Rente, Gesundheit, Wohnen – sozialstaatliche Themen genießen in Bundestagswahlkämpfen traditionell hohe Aufmerksamkeit. Gut so, könnte man meinen, dass alte sozialstaatliche Baustellen und neue Reformbedarfe im Zuge der ökologischen Transformation unübersehbar sind. Doch Vorsicht. Die meisten Parteien präsentierten Wahlaussagen, die sich zwischen mutlosem Strukturkonservatismus und neoliberalen Abbauphantasien bewegen. So wurde der Verbleib von erwerbsfähigen Personen im Bürgergeld zum Popanz aufgeblasen. Die Forderung nach einer strengeren Arbeitspflicht folgte auf dem Fuß. Doch abgesehen davon, dass sich Sanktionen wegen abgelehnter Arbeitsangebote im Promillebereich bewegen, greift insgesamt der verengte Blick auf die Kosten des Sozialstaats zu kurz. Der Sozialstaat ist kein Kostgänger der Wirtschaft, sondern ein Stabilisator von Gesellschaft und Demokratie. Er bietet Schutz in sozialen Risikolagen und wirkt gesellschaftlicher Spaltung entgegen. Umbau ist angesagt, aber nicht als Ab-, sondern als Ausbau sozialer Sicherheit und Infrastrukturen. Der Ausbau der Renten-, Gesundheits- und Alterssicherung zu umfassenden Bürger- und Erwerbstätigenversicherungen weist den richtigen Weg. Solche Reformen der kommenden Regierung aufzuerlegen, wäre einmal eine Arbeitspflicht, über die sich reden ließe.