Interview: Klimakrise nur durch Mitbestimmung bewältigbar

Was sind für den ÖGB im Zusammenhang mit der Klimakrise die größten Herausforderungen und Ansatzpunkte? 

Die Klimakrise ist nicht nur eine ökologische Frage, sondern auch eine soziale Frage. Die Klimakrise wird sowohl den Arbeitsalltag als auch das private Leben aller grundlegend verändern. Die größte Herausforderung besteht darin sicherzustellen, dass bei diesem Veränderungsprozess die Arbeitnehmer:innen nicht vergessen werden und nicht am Ende die Leidtragenden sind. Als ÖGB fordern wir deshalb, dass den zweifellos notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Klimas und unseres Lebensraums ein Konzept zugrunde liegen muss, dass für alle einen leistbaren und gerechten Übergang gewährleistet. Wir bezeichnen diese Herangehensweise als „Just Transition“.

Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür? 

Der Schlüssel für einen gerechten Übergang liegt neben der gesetzlichen Ebene in einer starken Mitbestimmung in den Betrieben. Klimapolitik und Beschäftigungspolitik müssen zukünftig zusammengedacht werden. Wir fordern deshalb eine Just Transition Strategie und eine Kompetenzstelle, die bei der Erstellung und Umsetzung von Maßnahmen berät und begleitet. Darüber hinaus müssen Betriebe verpflichtet werden, Pläne zur Umsetzung klima- und energiepolitischer Unternehmensziele zu erstellen. Bei diesen „Dekarbonisierungsfahrplänen“ müssen Betriebsräte Vorschläge für wichtige Begleitmaßnahmen einbringen können. Eine starke Mitbestimmung in Betrieben baut Zukunftsängste ab, nutzt das hochwertige Wissen der Beschäftigten und schafft langfristige Planungssicherheit.

Welche Rolle hat der öffentliche Sektor bei der Gestaltung eines sozial gerechten Strukturwandels? 

Die Klimakrise führt zu immer unvorhersehbareren Extremwetterereignissen. Wir brauchen deshalb einen starken Sozialstaat und einen Ausbau der Daseinsvorsorge, um u.a. die Grundbedürfnisse aller trotzdem zu sichern. Dazu gehören u.a. die Bereiche Energieversorgung, Wohnen, Bildung, Kinderbetreuung, Gesundheit und Pflege sowie der öffentliche Verkehr. Passiert dies nicht, bleibt die Handlungsfähigkeit des Staates auf die Abfederung negativer Unternehmensentscheidungen beschränkt – während die Kosten der Unternehmen auf die öffentliche Hand abgewälzt werden.

Wie muss die Arbeitsmarktpolitik angepasst werden? 

Es ist wichtig, Konzepte zu entwickeln, die einen reibungslosen Übergang von schrumpfenden Branchen in neue Branchen ermöglichen, ohne dabei hohe arbeitsrechtliche Standards zu beeinträchtigen. Die Transformation unserer Wirtschaft führt einerseits zu Jobverlusten, andererseits entstehen auch neue „grüne“ Berufe. Daher ist es genauso wichtig, den Arbeitsplatzverlust der Betroffenen abzusichern als auch sicherzustellen, dass die neu geschaffenen Berufe hohe Standards in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Entgelt und Qualifikationen erfüllen. Eine Möglichkeit zur Qualifizierung bietet die vom ÖGB mitgegründete Umweltstiftung.