Leben

Mehr Schadstoffkontrolle bei Alltagsprodukten

Die Klimakatastrophe wird uns durch schwindende Lebensräume von Eisbären, Abholzung von Regenwäldern und die Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten vor Augen geführt. Unsichtbare Bedrohungen, die hinzu kommen, sind jedoch weit gefährlicher, als uns bewusst ist. Beispielsweise langlebige Umweltgifte, die sich, einmal freigesetzt, weltweit verbreiten. In Biomonitoring-Projekten wird schon seit Jahren nachgewiesen, dass auch im Gewebe und im Blut der europäischen Bevölkerung nicht unbeträchtliche Mengen an gefährlichen Chemikalien, wie Phthalat-Weichmacher, Blei und andere giftige Metalle oder Flammschutzmittel vorhanden sind. Woher diese Chemikalien stammen? Unter anderem sind sie in Konsumprodukten, wie Schuhen, Textilien, Möbeln, Geschirr, Sportartikeln, Elektronik, aber auch in Kinderspielzeug enthalten. Dies belegen Tests, die von Verbraucher- und Umweltorganisationen, sowohl national als auch europaweit, regelmäßig durchgeführt werden. 

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Zu viele Schadstoffe enthalten

Kinder sind besonders durch Schadstoffe gefährdet, da sich ihr Organismus noch in Entwicklung befindet. Zugleich kommen sie unmittelbarer in Kontakt mit bedenklichen Chemikalien. Studien des Umweltbundesamtes zeigen, dass in Österreich beispielsweise die Belastung durch Phthalate bei Kindern wesentlich höher als bei Erwachsenen ist, da sie diese vermehrt aus Spielzeug, Hausstaub oder Fußbodenbelägen aufnehmen. 

Die Aufnahme und Verbreitung schädlicher Chemikalien wird mit den steigenden Krebsfällen, der sinkenden Fruchtbarkeit, und weiterer gesundheitlicher Probleme und Schäden in der Umwelt in Verbindung gebracht. 

Kann das denn legal sein? 

Leider ja. Über 120.000 Chemikalien befinden sich in der EU auf dem Markt. Darunter gibt es einige, die aufgrund ihrer Eigenschaften langfristige und irreversible Schäden für die menschliche Gesundheit oder Umwelt verursachen können. Gemäß REACH, der europäischen Chemikalienverordnung, werden solche Chemikalien als besonders besorgnis­erregend identifiziert und auf der sogenannten Kandidatenliste gesammelt. Im Englischen wird für diese Gruppe auch die Abkürzung SVHC für „Substances of Very High Concern“ verwendet. Die Liste der SVHCs enthält zurzeit 211 Stoffe und Stoffgruppen, sie wird halbjährlich aktualisiert und erweitert. Diese Chemikalien sind Kandidaten für die Aufnahme in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe, das zurzeit 54 Stoffe bzw. Stoffgruppen enthält. Chemikalien auf dieser Liste dürfen nur dann in der Produktion eingesetzt werden, wenn es dafür eine Zulassung gibt. Einige der besonders besorgniserregenden Chemikalien sind in Konsumprodukten verboten oder dürfen nur in geringen Mengen enthalten sein, für einen Großteil gilt das aber nicht.

Was kann man dagegen unternehmen?

Konsument*innen haben laut REACH das Recht zu erfahren, ob besonders besorgniserregende Chemikalien zu über 0,1 Prozent in einem Erzeugnis enthalten sind – allerdings nur auf Anfrage und nicht sofort, sondern innerhalb von 45 Tagen.  Bei manchen Erzeugnissen ist Form, Oberfläche oder Gestalt für die Funktion ausschlaggebender als die chemische Zusammensetzung – die genannten Alltagsprodukte Spielzeug, Textilien, Elektronik etc. zählen dazu. Davon werden in der Chemikaliengesetzgebung Chemikalien und Gemische unterschieden, wie etwa Wasch- und Reinigungsmittel oder auch Lacke. Auch Kosmetika oder Lebensmittel fallen nicht unter diese Regelung, aber ihre Verpackungen. Bei diesen Produkten gibt es größtenteils strengere Regeln für den Gehalt an gefährlichen Stoffen. So dürfen zum Beispiel eindeutig krebserzeugende Chemikalien in Gemischen für den privaten Gebrauch nur zu maximal 0,1 Prozent und in Kosmetika gar nicht enthalten sein. Bei Erzeugnissen wiederum gilt für viele krebserzeugende Stoffe nur das Auskunftsrecht. Die Ausgestaltung dieses Auskunftsrechts ist jedoch, wie oben beschrieben, ziemlich unpraktisch. Um Anfragen zu erleichtern, wurde im Zuge eines EU-Projekts von 20 Partnern aus 13 Ländern die Smartphone-App Scan4Chem entwickelt. In Österreich sind der Verein für Konsumenteninformation und Global 2000 beteiligt, unterstützt vom Umwelt- und Konsumentenschutzministerium. Für eine Anfrage nach SVHCs in einem konkreten Produkt sind die Produktbezeichnung und ein Foto über die Handykamera nötig. Mit diesen Angaben kann ein vorgefertigtes Email an den Hersteller und/oder Händler des Produktes gesandt werden. Wenn man ein Produkt in der Hand hat – im Geschäft oder zu Hause – so kann die App durch den Scan des Barcodes in den meisten Fällen den Hersteller zuordnen. Damit ist der Adressat auch gleich bekannt, oder das Produkt in der Datenbank eindeutig auffindbar, sofern es bereits hinterlegt ist. Mithilfe dieser Anfragen wird eine europaweite Produktdatenbank aufgebaut. Auch Firmen werden im Zuge des Projektes unterstützt, ihrer Auskunftspflicht nachzukommen und können die Datenbank auch proaktiv mit den Informationen zu ihren Produkten füllen. So kann man in der App bereits zahlreiche Produkte der Firma Lego abrufen.

Mit der Verwendung der App kann also zweierlei erreicht werden: sie hilft, eine informierte Kaufentscheidung zu treffen und besonders belastete Produkte zu meiden. Die Anfragen respektive die daraus generierte öffentlich einsehbare Datenbank erhöhen aber auch den Druck auf die Unternehmen, giftige Stoffe durch sichere Alternativen zu ersetzen.