Kontroverse: Faire Arbeitsbedingungen für ALLE Beschäftigten
Pro: Konsequenzen bei Ausbeutung von Erntearbeiter*innen – EU-Vorstoß für soziale Nachhaltigkeit hilft gegen unerträglich Missstände.
Schwarzarbeit, Lohndumping, harte Arbeitsbedingungen und Massenquartiere – die Arbeitsrealität vieler Landarbeiter*innen ist erbärmlich. Betroffen sind vor allem Saisonarbeiter*innen und Erntearbeiter*innen, die keine Staatsbürger*innen sind. Systematische Ausbeutung ist die Regel, nicht die Ausnahme, davon sind Insider überzeugt.
Landwirtschaftsbetriebe, die gegen Arbeits- und Sozialstandards verstoßen, werden derzeit mit unserem Steuergeld belohnt. Sie profitieren uneingeschränkt von den jährlichen 55 Milliarden an EU-Agrarförderungen. Zudem haben sie niedrigere Produktionskosten als ihre Mitbewerber*innen und dürfen die so produzierten Lebensmittel als regional und nachhaltig bewerben.
Initiativen auf EU-Ebene stellen sich jetzt gegen diese unerträglichen Missstände in der Landwirtschaft. Parlament und Kommission wollen die Einhaltung von Arbeitsrechten als Fördervoraussetzung verankern. Das würde echte Kontrollen, Transparenz und letztlich finanzielle Konsequenzen bei Missbrauch möglich machen. Wer bitte sollte da was dagegen haben? Unser Landwirtschaftsministerium! Im EU-Rat tritt die österreichische Delegation vehement gegen die Verankerung von Arbeitsrechten in der gemeinsamen Agrarpolitik auf. Argumentiert wird mit zu viel Bürokratie und fehlender Beratung. Zynischer geht´s wohl nicht. Und wer glaubt, Lohndumping mit Beratung zu verhindern, ist selber falsch beraten.
Con: Beratung und Information anstelle doppelter Sanktionen für faire Arbeitsbedingungen aller Beschäftigen in der Lebensmittelkette.
Vorschläge für mehr bürokratische Doppelgleisigkeiten in der GAP sind nicht neu und kommen vermehrt vor, wo in den Mitgliedstaaten – wie bei Arbeitsrecht und Mindestlöhnen – keine EU-weit einheitlichen Regelungen bestehen.
In absehbarer Zeit ist auch wenig wahrscheinlich, dass eine völlig vergemeinschaftete Rechtslage geschaffen wird. Völlig außer Streit steht, dass es klare Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten in der gesamten Lebensmittelproduktion und deren Kontrolle durch die zuständigen Behörden braucht.
Wo auf nationaler Ebene bereits funktionierende Systeme etabliert sind – insbesondere in Österreich werden durch das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz strenge Strafen vorgesehen – sollen nicht doppelte Sanktionen, sondern Beratung und Information von Betriebsleiter*innen und Arbeitnehmer*innen im Vordergrund stehen. Kürzungen der GAP-Zahlungen bringen weder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in Ländern mit niedrigeren Standards noch verhindern sie Wettbewerbsverzerrungen.
Stattdessen sollen künftig verstärkt gezielte Fachveranstaltungen für eine umfassende Behandlung von arbeits- und sozialrechtlichen Themen sorgen. Verbindliche Vorgabe der Sozialstandards braucht es in offenen Handelsabkommen der EU, dort besteht dringender Handlungsbedarf.