Betrieb

Billiges Packerl – Die Krot schlucken die Lenker:innen

Die Bestellung von Waren, egal ob Lebensmittel oder Konsumgüter, hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen und dieser Trend hält unvermindert an. Die Zustellung ist längst ein systemrelevanter Faktor im Bereich Versorgungssicherheit für Herrn und Frau Österreicher geworden. Das fordert besonders die Beschäftigten von Kurier-, Express- und Paketdiensten. Die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und vor allem auch ihre Entlohnung haben mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Gearbeitet wird über 12 Stunden täglich, oft auch an 6 Wochentagen. Bis zu 200 Pakete am Tag werden zugestellt. Dauerstress gehört zum Berufsbild. Gleichzeitig fehlt es an sozialer Absicherung, da viele in der Branche oft nicht bei den Firmen, für die sie arbeiten, angemeldet sind und keinen ordentlichen Arbeitsvertrag haben. Häufig behilft man sich in der Branche mit Subverträgen. Das heißt, die Zusteller:innen sind zwar wirtschaftlich zu hundert Prozent abhängig von ihren Auftraggebern, aber oft scheinselbstständig. Dadurch wird das wirtschaftliche, sprich finanzielle Risiko von Krankenständen, Dienstverhinderungen und Arbeitslosigkeit auf sie abgewälzt. Hilfe holen sich die Betroffenen selten, oft sind sie auf Grund von Sprachbarrieren oder Mangels Kenntnis ihrer rechtlichen Möglichkeiten gar nicht in der Lage sich zu wehren. Dazu kommt dann noch die ständige Angst vor dem Jobverlust. In den medienwirksamen Fokus der Öffentlichkeit rückt die Branche nur, wenn es um den „Ärger mit Paketdiensten“, also Problemen bei der Zustellung oder Beschwerden über die Zusteller:innen geht. Die unwürdigen Arbeitsbedingungen werden negiert. Über zusätzliche Stressfaktoren, wie mangelnde Haltemöglichkeiten in Kundennähe oder Sanitäranlagen für „private Geschäfte“ hört man selten etwas. 

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Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist mehr als überfällig und das Gebot der Stunde:

Was es braucht, um die Situation nachhaltig zu verbessern, liegt auf dem Tisch. Besonders wichtige Hebel wären unter anderem:

  • Erhöhung der Kollektivvertragslöhne – € 9,26 brutto pro Stunde sind definitiv zu wenig!
  • Finanzielle Haftung der Erstauftraggeber, um das System der Subunternehmerketten einzudämmen und die volle Bezahlung der Löhne sicherzustellen.
  • Mehr Kontrollen in den Betrieben durch Sozialversicherung und Finanzpolizei, um Scheinarbeitsverhältnisse aufzudecken, Falschmeldungen bezüglich Arbeitszeit und Kollektivvertragsentgelt zu korrigieren und so unfairen Wettbewerb in der Branche einzudämmen – der zu Lasten der Mitarbeiter:innen geht.
  • Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz dringend verbessern, Strafen erhöhen und verschärfen, damit es endlich eine abschreckende Wirkung entfaltet.

Hartes Brot internationaler Güterverkehr

Nicht viel besser schaut es beim „Großen Bruder“ der Paketdienste dem internationalen Lkw-Verkehr aus. Güter- und Lieferverkehr müssen nachhaltiger werden. Die meisten denken hier zuerst an die Umwelt. Es sind aber die schlechten Arbeitsbedingungen und miesen Löhne von Arbeitnehmer:innen, die das Wachstum des Güterverkehrs befeuern.“

Die Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsbedingungen trifft die ehemaligen Kapitäne der Landstraße genauso. Drei Jahrzehnte Deregulierung, laxe Kontrollen und gnadenloses Ausnutzen von Lohnunterschieden haben tiefe Narben im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr hinterlassen. Im großen EU-Binnenmarkt fahren heute fast ausschließlich Berufslenker:innen aus Osteuropa und Drittstaaten. Laut einer AK-Studie müssten die Marktpreise für diese Lkw-Fuhren eigentlich um rund zwanzig Prozent teurer sein, würden gesetzliche Bestimmungen bei Entlohnung, Arbeitsvorschriften und Verkehrssicherheit korrekt eingehalten. 

Rastanlagen auf Autobahnen fehlen

Für unsere Versorgung bedeutet dies, das lange Abwesenheiten von der Familie der Normalfall sind ebenso wie wochenlanges Leben in der Lkw-Kabine auf drei Quadratmetern. Dieses „Campieren“ muss auf Rastanlagen an Autobahnen stattfinden. Nur dort können sie ihre Lenk- und Ruhezeiten einhalten, andernfalls drohen ihnen strenge Verwaltungsstrafen. Trotzdem fehlen für diese Berufslenker:innen in Europa rund 100.000 Parkplätze, davon 3.000 in Österreich. Vergessen wird auch oft, dass sie dort sogar das Wochenende verbringen müssen und in ihrer „Freizeit“ angehalten sind, Lkw und Ladung gegen Diebstahl zu sichern. 

Ein Minimum an sozialer Infrastruktur auf diesen Rastanlagen lässt aber immer noch auf sich warten. Symptomatisch ist, dass Berufslenker:innen am „Arbeitsplatz Autobahn“ selbst für die Benützung von WC- und Sanitäranlagen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Will man das Los dieser Arbeitnehmer:innen verbessern, muss sichergestellt werden, dass auf allen Autobahnabschnitten ausreichende und gesicherte Rastanlagen mit Lkw-Stellflächen und sauberen, kostenlosen Sanitäranlagen zur Verfügung stehen. Für den Kontakt zur Familie und als Minimum für ein soziales Leben brauchen die Fahrer:innen Gratis-WLAN am gesamten Rastplatz bis hinein in die Fahrerkabine. Illegales Parken und Missstände auf den Rastanlagen können nur durch regelmäßige Kontrollen durch Kontrollorgane vor Ort verhindert werden. Die Strukturen in der Paket-Logistik und im Straßengüterverkehr sind weder sozial noch ökologisch nachhaltig. Durch den allgemeinen Arbeitskräftemangel in Europa, der auch vor der Transportbranche nicht Halt macht, könnte sich ein Zeitfenster für deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen öffnen, das genutzt werden muss. Schätzungen gehen EU-weit von derzeit bis zu 600.000 fehlenden Fahrer:innen aus. Ein Kulturwandel in dieser Branche ist längst überfällig, Gütertransport darf nicht länger auf Kosten der Beschäftigten und der Umwelt extrem billig sein. Zusteller:innen und Lkw-Fahrer:innen verdienen Wertschätzung – die sich auch in Löhnen und Arbeitsbedingungen niederschlagen muss.