Schwerpunkt
Energiekrise
Der Preis unserer Energieversorgung
Europa und vor allem Österreich sind stark abhängig von russischem Erdgas. Ein Abhängigkeitsverhältnis, das auch politisch als Machtinstrument genutzt wird. Die Verunsicherung über die Versorgung in den kommenden Monaten ist aktuell groß und spiegelt sich in extrem hohen Energiepreisen, vor allem an den Börsen, wider. Aber warum ist Erdgas überhaupt so wichtig?
Erdgas spielt in unserem Energiesystem eine wichtige Rolle: Knapp eine Million Haushalte in Österreich heizen damit. Ein noch größerer Teil des Verbrauchs fällt auf den produzierenden Bereich. Hier wird Erdgas für Prozesswärme und die nicht-energetische Anwendung eingesetzt. Rund ein Drittel des Erdgasverbrauchs entfällt auf den Sektor Energie – wird also im Wesentlichen für die Erzeugung von Strom und Fernwärme eingesetzt.
Gaskraftwerke sind flexibel einsetzbar, deshalb werden sie dazu verwendet, die unbeständige, weil stark witterungsabhängige Einspeisung erneuerbarer Energie auszugleichen. Vor allem im Winter, wenn PV-Anlagen, Windräder aber auch Laufwasserkraftwerke weniger Strom liefern, die Nachfrage, aber hoch ist, liefern Gaskraftwerke Strom und (Fern-)Wärme. Weil der Strommarkt nach dem so genannten „merit-order-System“ funktioniert (das bedeutet, dass das teuerste Kraftwerk, das gerade noch gebraucht wird, um die Nachfrage zu decken, den Preis bestimmt) und dies häufig Gaskraftwerke sind, ist auch der Strompreis in noch nie dagewesene Höhen geschnellt. Die Gaspreise, aber auch der CO2-Preis, sind daher maßgeblich dafür verantwortlich, wie hoch der Strombörsenpreis ist. Die Konsequenz: zusätzlich zur Energieerzeugung wird auch die Preissituation immer volatiler und die Konsument:innen immer mehr mit Preisausschlägen konfrontiert. Hier ist in letzter Zeit ein eindeutiger Trend abzulesen – und der geht nach oben.
Was ist da los an den Energiemärkten?
Wie die Entwicklung 2022 weiter gehen wird hängt in erster Linie von der geopolitischen Situation ab. Strom und Gas wird an Börsen gehandelt, und „der Markt“ kann mit Unsicherheit nicht gut umgehen, die Preisausschläge mehren sich. Eine Beruhigung der Energiemärkte ist daher eng mit einem Ende des Ukraine-Krieges verbunden. Aber selbst dann ist davon auszugehen, dass Energie nicht mehr so billig sein wird wie noch vor wenigen Jahren. Die Preise für Strom und Gas befanden sich schon vor der Eskalation in der Ukraine auf einem noch nie dagewesenen Niveau, die Börsenpreise, vor allem für Erdgas, sind in noch lichtere Höhen geklettert. Dies ist auch für das kommende Jahr 2023 zu erwarten, wie die EU-Kommission aber auch die internationale Energieagentur in ihren Analysen prognostizieren. Eine Entspannung der Hochpreislage ist Stand Redaktionsschluss Ende März jedenfalls nicht absehbar.
Obwohl Energieversorger mit Kraftwerken selbst Strom erzeugen oder langfristige Lieferverträge für Gas haben, schlagen die Börsenentwicklungen immer mehr auf die Energierechnungen der Endkund:innen durch. Grund dafür ist, dass immer mehr Verträge an die Entwicklung von Indizes wie dem Strom-Großhandelspreisindex ÖSPI der österreichischen Energieagentur oder deren Gas-Großhandelspreisindex ÖGPI, gekoppelt werden. Zeitverzögert und geglättet wirken sich die Börsenentwicklungen dann auch auf die Energierechnungen der Kund:innen aus. Bei sogenannten „Floater“-Verträgen sind die Energiepreise sogar direkt an die Börsenpreisentwicklungen gekoppelt und ändern sich Monat für Monat.
Die Preisrallye an den Börsen hat unterschiedliche Ursachen: Beim Gas ist zu einem guten Teil der strenge Winter im Vorjahr verantwortlich, der zu einem frühen Rückgriff auf die Gasspeicher in Europa geführt hat. Zeitgleich führte das Wetter zu geringerer erneuerbarer Stromerzeugung, Gaskraftwerke mussten einspringen. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung im vergangenen Jahr ist die Nachfrage nach Erdgas global weiter gestiegen und traf dabei auf ein vergleichsweise geringes Angebot. So hat etwa Gazprom zwar seine Lieferverpflichtungen aus den Langfristverträgen erfüllt, die eigenen Gazprom-Speicher in Europa aber nicht wie bisher aufgefüllt und auch an der Börse nur wenig Erdgas gehandelt. Auch dieser Effekt erhöhte den Gaspreis. Die hohen Preise führten wiederum dazu, dass die Speicher nicht wie üblich über die warmen Monate aufgefüllt wurden.
Die anhaltende Hochpreissituation ist aber nur zum Teil durch die geschilderten Angebotsmechanismen erklärbar. Auch Finanzmarktakteure haben durch Spekulationsgeschäfte an den Börsen wohl die Preise in die Höhe getrieben.
Fix ist: Billig ist´s nimmer
Im Rahmen des Preismonitors untersucht die AK seit Jahren die Energiepreise der wichtigsten österreichischen Energieanbieter. Dabei zeigte sich, dass in der Zeitspanne von März 2020 bis März 2022 lediglich zwei Gasanbieter Tarifsenkungen durchgeführt haben – diese Anbieter haben auch seither die Erhöhungen der Großhandelspreise nicht an ihre Kund:innen weitergegeben. Bei den Stromlieferanten hat kein einziger Anbieter die Preise gesenkt (obwohl während der Coronapandemie im Jahr 2020 die Preise massiv eingebrochen sind). Die Stromtarife, die Anbieter aktuell ihren Neukunden gewähren, sind teilweise über 360 Prozent höher als jene für die Bestandskund: innen, im Durchschnitt wird 140 Prozent mehr verlangt. Aktuell gewähren in der AK Untersuchung bloß drei österreichische Stromanbieter Neukund:innen dieselben Konditionen wie Bestandskund:innen. Gleichzeitig darf nicht darauf vergessen werden, dass in den Bestandskonditionen bereits die Erhöhungen seit dem Steigen der Stromgroßhandelspreise eingepreist sind. Durchschnittlich sind diese Tarife im heurigen März um 16 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres gestiegen.
Beim Gas zeigt sich ein ähnliches Bild: auch hier sind die Neukundentarife teils über 450 Prozent höher als die Tarife für Bestandskund:innen – im Fall eines Anbieters gar um 900 Prozent, im Durchschnitt über die Gasanbieter um 220 Prozent; die Steigerung der Bestandstarife von März 2021 auf März 2022 beträgt im Schnitt 12 Prozent.
Die Energierechnung besteht – neben dem reinen Energiepreis – aber noch aus den Netzkosten und den Steuern und Abgaben. Auch die Netzkosten steigen heuer bis zu 8 Prozent bei Gas und bis zu 15 Prozent bei Strom und tragen damit zu einer Erhöhung der Kosten für die Konsument:innen bei. Es muss daher dringend eine Lösung für jene Menschen gefunden werden, die jetzt schon Probleme haben, ihre Energierechnungen zu zahlen – also vor allem für jene, die von akuter Energiearmut betroffen sind.
Die derzeitige Preissituation stellt aber nicht nur energiearme Haushalte vor große Probleme. Auch für Haushalte mit mittlerem Einkommen oder Pensionist:innen, die bisher mit ihrem Einkommen bzw. ihrer Pension gut ausgekommen sind, wird die gestiegene Kostenbelastung durch Strom, Gas und Wärme immer spürbarer. Um eine Dimension zu nennen: Haushalte im Osten Österreichs, die Strom und Gas verwenden, sind heuer mit Mehrkosten von rund € 250 bis € 600 konfrontiert. Und die Tendenz zeigt weiter nach oben.
Was kann man tun?
Aus den Entwicklungen der Großhandelspreise und den Ergebnissen des Preismonitors sowie den Erfahrungen der letzten Monate lassen sich die folgenden Schlüsse ziehen:
Einerseits muss eine engmaschige Überwachung der Energiemärkte auf nationaler Ebene installiert und eine tiefgehende wettbewerbsrechtliche Überprüfung der relevanten Energiebörsen – auch im Hinblick auf Spekulationseffekte – auf EU-Ebene durchgeführt werden. Es kann nicht sein, dass Finanzmarktakteure die ohnehin angespannte Situation durch Spekulationen noch weiter anheizen. Andererseits verfügt weder der Staat noch die Regulierungsbehörde E-Control über ausreichend Information zu welchen Preisen Energieversorger Gas einkaufen oder Strom produzieren. Die veröffentlichten Börsenpreise geben zwar ein Bild über aktuelle Handelspreise, aber keine Information über langfristig getroffene Preisvereinbarungen. Das heißt der Börsenpreis gibt nicht die tatsächlichen Kosten der Energieversorger bzgl. ihrer Einkäufe wieder. Auch hier muss jedenfalls genauer hingeschaut werden.
Gleichzeitig müssen stabile Standardtarife von den Energielieferanten angeboten werden: Jeder Energieversorger sollte einen verlässlichen Tarif mit mittelfristig stabilen Preisen anbieten, der nicht direkt an die Entwicklung der Großhandels- oder Börsenpreise gekoppelt ist. Dabei ist anzudenken, auch sogenannte „windfall-profits“ der Energieunternehmen, also hohe Zusatzeinnahmen aufgrund der momentan hohen Preise an der Energiebörsen, mit einer Zusatzsteuer zu belegen, wie dies z.B. Rumänien oder Italien bereits gemacht haben. Weil sich die Erzeugungskosten von Anlagen, die Strom auf Basis von erneuerbaren Energieträgern erzeugen (Wind, PV und Wasserkraft) in letzter Zeit nicht geändert haben, entstehen massive Überschussgewinne, denn die zu den gleichen Kosten erzeugte Energie kann jetzt viel teurer verkauft werden. Die internationale Energieagentur schätzt, dass sich diese Überschussgewinne in ganz Europa auf ca. € 200 Mrd. belaufen und schlägt ebenso wie die EU-Kommission vor, diese zur Entlastung der Haushalte zu verwenden.
Wenn die Energiepreise weiter steigen sind auch staatliche Eingriffe in die Energiepreise vorzunehmen. Diese Möglichkeit eröffnet die EU-Kommission in ihrer Toolbox 2 – ein bereits im Herbst 2021 vorgestellter Werkzeugkasten gegen hohe Energiepreise, der diverse Vorschläge für die Mitgliedsstaaten enthält und jetzt Anfang März nochmals an die weiterhin angespannte Situation angepasst wurde. Temporär befristet kann für alle Haushaltskund:innen und kleine Betriebe in Ausnahmesituationen, wie die momentane Hochpreisphase eine darstellt, ein Preisdeckel bei den Stromkosten eingezogen werden.
Denn eines ist klar: die momentan von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen reichen bei weitem noch nicht aus, um die Konsument:innen zu entlasten. Weder der vorgestellte Entfall der Erneuerbaren Förderkosten im heurigen Jahr in Höhe von durchschnittlich € 120 noch der vor kurzem vorgestellte Energiekostenbonus von € 150 sind mehr als „Tropfen auf dem heißen Stein“. Denn die zugrundeliegenden, akuten Probleme bleiben ungelöst. Benötigt wird ein Gesamtpaket: Die AK fordert deshalb schon seit Längerem mehr Konsument:innenrechte in der Nah- und Fernwärme, einen One-Stop-Shop zum Heizkesseltausch und einen Energie- und Klimahilfsfonds. Weiters würde eine befristete Reduzierung der Umsatzsteuer auf Strom und Gas sowie eine deutliche Erhöhung der Heizkostenzuschüsse der Länder rasch zu spürbaren Entlastungen der Konsument:innen führen. Auch die Energie-Wirtschaft, allen voran jene großen Stromversorger, die jetzt massive Gewinne machen, hat noch Luft nach oben, was ihr Engagement angeht.
Auch mittelfristig müssen praktikable Maßnahmen zur Unterstützung der Konsument:innen in der Energiewende getroffen werden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Energiepreise zumindest bis 2023 hoch bleiben werden, die Stromkosten vermutlich sogar noch länger. Hier wäre zumindest eine dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer auf erneuerbaren Strom geboten – das wäre auch ein kleiner Booster für den Dekarbonisierungsprozess.