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Nachhaltigkeit

Umweltschutz: in der neoliberalen Falle

Durch die Wirtschaftskrise kommt der Umweltschutz unter Druck. Aber kann nicht mehr Effizienz unsere Umweltprobleme lösen? Tatsächlich gelingt es Jahr für Jahr, effizienter zu produzieren und neue noch umweltfreundlichere Technologien zu entwickeln. Wir brauchen immer weniger Energie, um die gleiche Menge an Wohlstand zu erwirtschaften, was nicht nur ein großer umweltpolitischer Erfolg ist. Damit das effizientere Produzieren von Gütern sich aber auch in tatsächlichen umweltpolitischen Erfolgen niederschlägt, müssen die Effizienzsteigerungen größer ausfallen als die Steigerung der Produktion des jeweiligen Gutes. Nur dann geht auch die tatsächliche Umweltbelastung zurück. In diesem Fall spricht man auch von absoluter Entkoppelung – im Unterschied zur relativen Entkoppelung.

Gelingt uns eine solche absolute Entkoppelung bereits oder benötigt diese eine Änderung unseres Wirtschaftssystems? Ein Blick in die Statistiken zeigt, dass einigen Ländern zumindest bei manchen Umweltindikatoren eine solche absolute Entkoppelung zu gelingen scheint. So konnte etwa Deutschland seine C02-Emissionen in den letzten Jahren deutlich senken. Dies gilt selbst dann, wenn man den Effekt der aktuellen Wirtschaftskrise und den Effekt der Deindustrialisierung in Ostdeutschland herausrechnet, wie KritikerInnen das fordern. Hierbei wird eingewendet, dass dabei nur Emissionen von in Deutschland produzierten Gütern gemessen werden. Emissionen von in anderen Staaten produzierten, aber in Deutschland konsumierten Produkten werden nicht berücksichtigt. Allerdings gibt es derzeit keinen internationalen Konsens, die Zuordnung der Emissionen nach dem Konsum statt wie bisher nach der Produktion vorzunehmen. Aber Faktum bleibt, dass es Deutschland gelungen ist, insgesamt mehr Güter und Dienstleistungen bereitzustellen und dabei weniger Treibhausgase auszustoßen. Auch Großbritannien hat es trotz Wirtschaftswachstum geschafft, seine C02-Emissionen deutlich zu reduzieren – primär dadurch, dass Kohle- durch Gaskraftwerke ersetzt wurden. 

Betrachtet man lokale Umweltprobleme, so lässt sich sogar feststellen, dass diese mit steigender Wirtschaftskraft leichter zu lösen sind. So ist etwa die Wasserqualität des Rheins heute viel besser als noch vor 50 Jahren. Dies liegt daran, dass wohlhabende Staaten über mehr finanzielle Mittel verfügen, die sie eben auch in den Umweltschutz investieren können. Überhaupt konnten gerade im Bereich der Wasserreinhaltung deutliche Fortschritte erzielt werden. Leider ist der Effekt, dass steigender Wohlstand mehr Umweltschutz ermöglicht, nur für lokale Umweltprobleme, wie z. B. die Wasserqualität in Seen, beobachtbar. 

Betrachtet man hingegen globale Umweltprobleme, so zeichnet sich ein düstereres Bild ab. So steigen die CO2-Emmissionen weltweit, trotz der beachtlichen Erfolge in Ländern wie Deutschland oder Großbritannien, weiterhin an. Das Umweltprogramm der UNO (UNEP) stellt nach einer weltweiten Betrachtung von 90 umweltpolitischen Ziele fest: Die Lage hat sich nur bei vier Zielen deutlich verbessert, bei 40 gab es einige Verbesserungen, bei 24 kaum bis keinen Fortschritt, acht haben sich sogar verschlechtert und bei 14 konnte mangels Daten keine Aussage getroffen werden.

Technischer Fortschritt allein ist zu wenig

Bei vielen dieser Probleme zeigt sich, dass technische Innovationen alleine nicht immer ausreichen, um ökologische Probleme zu lösen. Hier kommt der so genannte Rebound-Effekt ins Spiel (Kasten Seite 17). Verbraucht etwa ein neues Gerät aufgrund einer technologischen Innovation deutlich weniger Energie, so kann diese Ersparnis auch dazu genutzt werden, das entsprechende Gerät ausgiebiger zu benutzen. Diese verstärkte Nutzung von energiesparenden Geräten macht aber einen Teil des erhofften Energiespareffektes wieder zunichte. Technologische Lösungen werden immer einen wichtigen Beitrag zu mehr Umweltschutz leisten. Gleichzeitig verlangt die Lösung umweltpolitischer Probleme aber auch flankierende (wirtschafts-)politische Maßnahmen. Dabei muss sichergestellt sein, dass diese nicht zu Lasten der Schwächeren gehen: Diese tragen heute schon die Hauptbelastung der Umweltverschmutzung, während sie zu deren Verursachung kaum etwas beitragen. So leiden finanziell benachteiligte Familien, v.a. die Kinder, etwa besonders häufig an durch Luftverschmutzung ausgelöste Atemwegserkrankungen.  Die durch den vom Menschen verursachten Klimawandel vermehrt auftretenden extremen Wetterereignisse machen insbesondere den Ärmsten zu schaffen, z. B. Überschwemmungen in Bangladesch, da diese meist wenig mobil und dem Wetter am schutzlosesten ausgeliefert sind. 

Ärmere stark betroffen

Aber nicht nur auf globaler Ebene sind die Ärmsten besonders stark von Umweltverschmutzung betroffen. Auch im vergleichsweise wohlhabenden Europa zeigt sich, dass Kinder, die in finanziell benachteiligten Familien aufwachsen, besonders häufig unter Luftverschmutzung und den dadurch ausgelösten gesundheitlichen Problemen leiden. Weiters sind ärmere Kinder häufiger von Lärmbelastung betroffen. Das liegt unter anderem daran, dass monetär benachteiligte Familien besonders oft in Wohngegenden mit hoher Luftverschmutzung und starker Lärmbelastung leben müssen. Deutsche Studien weisen sogar darauf hin, dass bei gesellschaftlich benachteiligten Kindern höhere Konzentrationen des Umweltgiftes Blei im Blut nachweisbar sind. Hier zeigt sich, dass umweltpolitische Maßnahmen auch eine wichtige sozialpolitische Komponente aufweisen: Gerade die Ärmsten der Armen haben die geringsten Möglichkeiten Umweltbelastungen zu vermeiden. Das ist besonders ungerecht, weil Umweltprobleme sehr stark von überdurchschnittlich wohlhabenden und vermögenden Personen verursacht werden. Diese erzeugen durch ihr Mobilitätsverhalten höhere Emissionen und verbrauchen deutlich mehr Energie.

Aber auch Großkonzerne leisten ihren Beitrag zur Verschärfung vieler Umweltprobleme. Selbst wenn die Kosten der Umweltverschmutzung die Profite übersteigen, wird dies häufig nicht berücksichtigt, weil sie (z.B. die Behandlung von Atemwegserkrankungen, der Wiederaufbau nach Unwetterschäden, die Reinigung von verschmutztem Wasser) die Allgemeinheit zu tragen hat, während die Profite in die Taschen weniger Profiteure wandern. Diese Beobachtung veranlasste James K. Boyce dazu zu zeigen, dass ungleiche Machtverteilungen tendenziell zu mehr Umweltverschmutzung führen.  

Verstärkt wird dies noch dadurch, dass im Neoliberalismus nur der kurzfristige Profit wichtig und viele langfristig für die Gesellschaft rentable Investitionen nicht interessant sind. Daher bringen einige Firmen Produkte auf den Markt, die so konstruiert sind, dass sie besonders schnell kaputt werden. Dieses Phänomen ist unter dem Namen „geplante Obsoleszenz“ bekannt und geht nicht nur zulasten des Budgets des Käufers, sondern sorgt auch für einen höheren Ressourcenverbrauch und für mehr Umweltbelastung. 

Ungleichheit beseitigen

Auch deshalb kann man sich die Frage stellen, ob wirtschaftspolitische Maßnahmen wie etwa eine verstärkte Umverteilung nicht auch positive Effekte auf die Umwelt hätten. Studien zeigen, dass Länder mit einer egalitäreren Einkommens- und Vermögensverteilung deutlich ökologischer sind, weil diese Gesellschaften als fairer und gerechter empfunden werden. BewohnerInnen eines Staates, die ihre Gesellschaft als gerecht empfinden, sind eher bereit, weniger egoistisch zu agieren und sich – etwa durch besonders umweltbewusstes Verhalten  – mehr für die Gemeinschaft einzusetzen. 

Umverteilung hilft

So wird in gleicheren Gesellschaften z.B. deutlich mehr Müll recycelt. Studien konnten sogar nachweisen, dass in Ländern mit einer besonders gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung deutlich weniger (Ur-)Wald gerodet wird. Noch größeren Einfluss hat aber,  dass ungerechte Einkommens- und Vermögensverteilungen sinnvolle ökologische Maßnahmen wie etwa Arbeitszeitverkürzungen verhindern. In ungleichen Gesellschaften ist der Druck sehr stark, den eigenen Status in der Gemeinschaft über sehr lange Arbeitszeiten zu halten. Daher ist die jährliche Arbeitszeit in ungleichen Ländern im Schnitt um mehr als 400 Stunden länger als in Gesellschaften mit einer egalitäreren Einkommens- und Vermögensverteilung. Dabei könnten Arbeitszeitverkürzungen  unter sonst gleichen Bedingungen neben vielen positiven sozialen Auswirkungen auch die Umweltbelastung deutlich reduzieren. Eine stärkere Umverteilung von Einkommen und Vermögen kann daher nicht nur einen Beitrag zu einer sozial gerechteren, sondern auch zu einer umweltfreundlicheren Gesellschaft leisten.