Betrieb
Wein: Mehrweg ohne Pfad
Erklärtes Ziel des auf zwei Jahre anberaumten Pilotprojektes ist, die Rate der wiederbefüllten Steiermark-Flaschen von heute 35 Prozent auf 50 Prozent zu steigern. Das heißt, in Zukunft soll nicht nur jede dritte, sondern jede zweite Flasche einmal wiederbefüllt werden. Das klingt nicht viel. Die Pilotphase soll aber dazu dienen, das Projekt breiter bekanntzumachen, die WeinkonsumentInnen zum Mitmachen zu bewegen und unter den Weinbaubetrieben und dem Lebensmittelhandel weitere Projektpartner als Rücknahmestellen zu gewinnen. Unausgesprochene Vision ist natürlich, dass das Projekt nach der Pilotphase selbsttätig weiterläuft.
Auf den ersten Blick fällt an der Steiermark-Flasche der Panther am Flaschenhals auf. Ansonsten scheint sie eine gewöhnliche 0,75 Liter-Weinflasche zu sein, von der man als KonsumentIn vermutet, dass sie, nachdem man sie geleert hat, in den Altglascontainer gehört. Doch die Flasche hat eine besondere Geschichte, die schon fast 20 Jahre zurückreicht, erläutert Werner Luttenberger, Weinbaudirektor in der steirischen Landwirtschaftskammer: „Die neue Flasche entsprang damals einer Initiative von Weinbauern, Flaschenhandel, Weinbauschule Silberberg und Kammer, um von der Vielfalt an Flaschen wieder weg zu kommen.“ Denn die Qualitätsoffensive nach dem großen Weinbauskandal hatte auch zu einer großen Flaschenvielfalt und in weiterer Folge zu Problemen geführt, wenn Weinbauern zurückgenommene Flaschen waschen oder wiederbefüllen wollten. Unterschiedliche Größen sind da ebenso hinderlich wie Billigflaschen, die dabei oft brechen. Die Steiermark-Flasche brachte die dafür ausreichende Qualität, war leicht zu reinigen und wiederzubefüllen. Davon profitierten vor allem kleine und mittlere Weinbaubetriebe, bei denen sie sich auch schnell durchsetzte (siehe Kasten Bioweingut Menhard). Seit Mitte der 1990er Jahre hat sie rund 50 Prozent Marktanteil in der Steiermark. Die Steiermark-Flasche ist auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. Luttenberger: „Eine neue Panther-Flasche kostet rund 45 Cent. Das Waschen zur Wiederbefüllung dagegen nur 20 Cent. Schon ab zwei Umläufen kostet dem Weinbauer das Gebinde nicht mehr als eine gewöhnliche Billigflasche, die man nur einmal verwenden kann.“
Ökologisch
Das Wiederverwenden ist auch ökologisch sinnvoll. Christian Pladerer vom Ökologie-Institut hat für eine Präsentation in der Weinbauschule Silberberg den CO2-Fußabdruck der Bier- und Weinwirtschaft in Österreich abgeschätzt. Betrachtet wird der ganze Lebensweg des Produkts, von der Erzeugung bis zur Entsorgung, z.B. der Verpackungen. Beide Sektoren verursachen jeweils rund 500.000 Tonnen CO2. Freilich ist der Ausstoß der Bierwirtschaft mit 890 Millionen Liter mehr als dreimal so groß wie der der Weinwirtschaft: Mehr als 20.000 Betriebe in Österreich erzeugen zusammen 260 Millionen Liter Wein. Warum sind die spezifischen CO2-Emissionen bei Wein (1,9 kg CO2/Liter) viel höher als bei Bier (0,5 kg CO2/Liter)? Hier spielt das in Österreich noch immer gut ausgeprägte Bier-Mehrwegsystem die entscheidende Rolle. Bestätigt wird dies durch Untersuchungen eines deutschen Weinhändlers (www.riegel.de) sowie zur Weinregion „Traisental“/NÖ. „Die Wein-Glasflasche ist für rund 45 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich“, bringt Luttenberger die Ökobilanz-Ergebnisse auf den Punkt. Das zahlenmäßig größte Optimierungspotenzial beim Wein besteht somit in der Mehrfachverwendung der Glasflasche.
Die Fragen nach dem CO2-Footprint und seiner Verringerung werden mehr werden. Viele Weinregionen beschäftigen sich mittlerweile damit. Luttenberger will aber auch Glas als Packstoff nicht in Frage gestellt sehen: „Die Glasflasche ist ein Kulturgut“. Auch mich erleichtert, dass für ihn der Umstieg auf Kunststoffgebinde, wie es andere zur CO2-Verminderung probieren – siehe die „bag-in-box“ in Dänemark oder die „Zero-Emission-Bottle“ in Neuseeland –, kein Thema ist.
Praxistauglich
„Vor Jahren hab’ ich mir gedacht, es ist schade, wenn diese Flaschen nachher einfach weggeworfen werden“, beschreibt Erich Gungl, Mitarbeiter in der Abfallabteilung der steirischen Landesregierung, die Wurzeln für das von ihm 2010 initiierte Projekt „Allwegflasche“. Es entstand auch die Idee, den Lebensmittelhandel einzubinden, werden doch heute schon 20 bis 30 Prozent des steirischen Weins im Wein- und Lebensmittelhandel gekauft – in Ballungsräumen sicher noch mehr. Die konkrete Umsetzung war kein leichtes Unterfangen. „SPAR Steiermark war das einzige große Lebensmittelhandelsunternehmen, das von Beginn an der Sache positiv gegenübergestanden ist und sich dann auch wirklich zum Mitmachen entschlossen hat“, ist Gungl dankbar dafür, dass an zehn SPAR-Standorten über die ganze Steiermark verteilt die Rücknahme erfolgt – in sechs davon mit den klassischen Mehrwegautomaten. Zudem ist SPAR Steiermark offizieller Pilotprojektpartner. Weiters erhalten KundInnen im SPAR, im Kaufhaus Hubmann in Stainz und in der Vinofaktur in Vogau auf zurückgegebene Allwegflaschen eine fünf Prozent-Gutschrift für neu gekauften Wein in der Pantherflasche.
Ökonomisch
Doch die Initiative der Abfallabteilung hat auch aus der Sicht der Weinwirtschaft Sinn gemacht, bestätigt Luttenberger. Heute unterstützen offiziell rund 60 Weinbaubetriebe das Projekt und bieten den KundInnen zehn Cent pro zurückgegebener Pantherflasche an (www.steiermarkflasche.at). Das entspricht auch deren Marktwert und wird auch unter Betrieben so abgegolten. „In der Praxis nehmen aber viel mehr Weinbaubetriebe die Pantherflasche zurück“, ergänzt Luttenberger. Diese Betriebe sind halt der „Zehn-Cent-Regel“ gegenüber skeptisch. Jedoch nicht des Geldes wegen, sondern sie wollen nicht Flaschenzählen und geben lieber Naturalrabatt.
Und wie steht es mit der Bereitschaft der KonsumentInnen mitzumachen? Ohne sie geht ja gar nichts. Alle meine GesprächspartnerInnen aus der Weinwirtschaft sehen eine wachsende Bereitschaft. „Wir haben gute Rückmeldungen aus der Gastronomie und auch von Privaten, sogar, wenn sie weiter weg wohnen. Und das hängt am wenigsten an den zehn Cent“, berichtet Reinhold Holler von der Weinbauschule & Weingut Silberberg. Silberberg gibt jedem Sechser-Karton auch ein Infoblatt bei, das zum Mitmachen anregt. Der Rücklauf dort hat sich im letzten Jahr verdoppelt.
Nachmachenswert
Ermutigendes höre ich auch bei meinem Besuch bei SPAR. Dort ist man überzeugt, dass Regionalität wirkt. Die KundInnen wollen Wein aus ihrer ?Region. Darum überlegt Christian Holzer, Direktor der SPAR-Steiermark-Zentrale in Graz-Puntigam, auch alle Rücknahmeautomaten in den steierischen SPAR-Märkten umzurüsten. Er weist aber auch auf einen kritischen Erfolgsfaktor für das Projekt hin: „ Wenn wir weitergehen wollen, dann brauchen wir in Sachen Öffentlichkeitsarbeit auch die Unterstützung des Landes und der Politik, alleine können wir das nicht schaffen“. Eine erste Umfrage im Auftrag der Abfallabteilung des Landes zeigt, dass nur 25 Prozent der Nichtnutzer vom Projekt „Allwegflasche“ schon gehört haben. Das weist auf die Aufgaben für die Zukunft hin. Überdies darf die Politik nicht müde werden – eine Einmal-Info reicht sicher nicht. Das schließe ich persönlich aus meinen Erfahrungen rund um die Umsetzung der „Sozialpartnerempfehlung Mehrweg“. Das Potenzial für eine Erfolgsstory ist aber in der steirischen Weinregion jedenfalls sichtbar – vielleicht auch für andere Weinbauregionen zum Nachmachen?