Schwerpunkt

Extremereignis Wetter

„Es gibt nur noch Extreme – nicht nur beim Wetter, sondern auch in unserer Gesellschaft“

30 Grad Celsius Anfang und Mitte April, hat der Klimawandel jetzt für alle spürbar Österreich erreicht? 

So würde ich das jetzt nicht formulieren, der Klimawandel kann kein Land erreichen, sondern ist ein globales Phänomen. Was wir in Österreich allerdings immer intensiver spüren, ist die Tatsache, dass Extremwettereignisse und deren Auswirkungen immer drastischer werden. Hier sehe ich aber vorrangig die große Problematik in der immer intensiver vorangetriebenen künstlich regulierten Landnutzung. Indem wir Österreicher Europameister im Bodenverbrauch sind, dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn uns bei den teilweise stärker werdenden Starkregenereignissen das Wasser bis zum Hals steht. Wer betoniert und reguliert, der Natur keinen Raum mehr gibt, darf sich dann auch nicht wundern, wenn es immer öfter zu Katastrophen kommt. Dazu kommt, dass sich der Alpenraum - aufgrund seiner Kontinentalität – viel rascher erwärmt, als unsere Erde im globalen Mittel.

Als Sie sich zu einem Studium u.a. der Klimatologie entschieden, ahnten Sie bereits wie gesellschaftlich relevant dieses Fach sehr bald werden würde? 

Ich bin Geowissenschaften mit dem Schwerpunkt Hydrogeologie und Klimatologie und gerade bei diesem Studium ist die permanente Veränderung unserer Erde ein Thema. Veränderungen die über Jahrmillionen unsere Erde geprägt haben. Was derzeit passiert ist aber unvergleichlich in der Geschichte unserer Erde, da noch niemals so viele Menschen diesen Erdball bewohnt haben. Wir haben als Menschen einen Prozess angekurbelt, der noch nie erdgeschichtlich so prägend war. Ich sehe hier vor allem durch die Landzerstörung und -veränderung ein großes Problem und finde es schade, dass sich alle nur auf die CO2 Problematik fokussieren. Aber gerade diese Problematik kann ich beziffern und ihr einen Wert geben. 

Nein, ich ahnte nicht, welch gesellschaftliches Spaltungspotenzial dieses Thema einmal haben würde. Das erschreckt mich und macht mich traurig zugleich. Diese „Hat es immer schon gegeben“- oder „Solange die Chinesen, Amerikaner oder Inder nichts machen, brauchen wir auch nicht“-Aussagen kann ich nicht mehr hören, denn jeder trägt Verantwortung. Klimaschutz ist für mich vorrangig Naturschutz und das sollte kein politisches Programm einzelner Parteien sein, sondern Verpflichtung für alle! 

Wenn Sie in diesen Tagen „schönes“ Wetter vorhersagen, überwiegt bei Ihnen die Freude über einen frühen Besuch im Schanigarten oder die die Befürchtungen vor neuen Wetterextremen?

Ich habe noch nie „schönes“ Wetter prognostiziert, da es sich hier um eine subjektive Bewertung des Wetters handelt. „Schön“ ist somit eine Bewertung, die mir nicht zusteht und jeder für sich selbst entscheiden muss, was für ihn „schön“ ist. Natürlich stimmt es mich nachdenklich, wenn wir seit mehr als zehn Monaten zu hohe Monatsdurchschnittswerte messen, natürlich stimmt es mich nachdenklich, dass Hitzerekorde nicht nur regional, sondern global auf der Tagesordnung stehen. Dennoch steht es mir nicht zu, den Menschen zu sagen: „Ihr dürft euch nicht freuen über das warme Wetter“, die negativen Folgeerscheinungen tragen wir ja dann auch gemeinsam! Ich würde mir allerdings auch bei der breiten Masse ein stärkeres Bewusstsein für die Vorgänge wünschen, die jetzt in einem derart rasanten Tempo über die Bühne gehen. Ein Begreifen, das dazu führt, dass wir beginnen etwas an unseren verschwenderischen Lebensgewohnheiten zu ändern.

Der Klimawandel ist alles andere als eindeutig in seinen Auswirkungen. Es wird nicht einfach nur immer wärmer, sondern es konnte beispielsweise mit dem Zusammenbruch der atlantischen Umwälzbewegung sogar kälter in Österreich werden. Wie entgegnen Sie dem daraus häufig abgeleiteten Vorwurf, die Wissenschaft könne hier keine klaren Prognosen machen?  

Ich sehe hier ein großes Problem in der Kommunikation. Die Medien leben davon Schlagzeilen zu produzieren. Die Wissenschaft lebt von Forschung und Erkenntnissen, die die Summe komplexer Zusammenhänge darstellen. Daher finde ich es sehr oft problematisch, wenn derartig komplexe und schwierige Themen klimapopulistisch kommuniziert werden. Hier muss man das sehr facettenreiche Zusammenspiel der sogenannten Geofaktoren – wie z.B. Wasser, Eis, Erde, Luft und die anthropogenen Einflüsse in einem großen Kontext sehen. In vielen Fällen ist für mich eine Klimaschlagzeile um jeden Preis eher kontraproduktiv und wie wir leider immer öfter beobachten, hetzen wir damit auch die Menschen gegeneinander auf. Es gibt nur noch Extreme – nicht nur beim Wetter, sondern auch in unserer Gesellschaft. Wir erleben leider derzeit sehr viel Meinung und sehr wenig Fachwissen und damit hat die Wissenschaft zu kämpfen. Um auf die Frage zurückzukommen, kann die Wissenschaft keine klaren Prognosen machen? Es ist wichtig anzumerken, dass Klimaprognosen mit Unsicherheiten behaftet sind, da sie von vielen Variablen abhängen, die schwer vorherzusagen sind. Dennoch bieten sie wertvolle Einblicke in mögliche Zukunftsszenarien und können als Grundlage für politische Entscheidungen und Maßnahmen zur Anpassung und Minderung der Auswirkungen des Klimawandels dienen.

Beleuchten wir noch einmal genau den Punkt, der in der öffentlichen Debatte oft zu kurz kommt: Auch wenn es Wetterkapriolen schon immer gegeben hat, was unterscheidet die aktuelle Situation von früheren? Und könnte es nicht sein, dass sich die aktuellen Klimaänderungen bald wieder stabilisieren? 

Es ist richtig, dass es in der Geschichte der Erde immer wieder extreme Wetterereignisse gegeben hat. Es gab Stürme, Hitze- und Kälterekorde! Nur der Unterschied zu heute liegt in der Häufung der Ereignisse. Waren es vor 30, 50 oder 80 Jahren Ausreißer, so werden diese Ausreißer mittlerweile zum neuen „Normal“ und das stimmt nachdenklich!

Was die aktuelle Situation von früheren unterscheidet, sind mehrere Faktoren:

  • Die Geschwindigkeit, mit der sich das Klima in den letzten Jahrzehnten verändert hat, ist im Vergleich zu früheren natürlichen Klimazyklen außergewöhnlich hoch. 
  • Die aktuellen Veränderungen betreffen den gesamten Planeten und haben Auswirkungen auf alle Ökosysteme, von den Ozeanen bis zu den Polkappen. Die Auswirkungen sind weitreichend und können nicht nur lokale, sondern auch globale Konsequenzen haben.
  • Während es immer schwierig ist, einzelne Wetterereignisse direkt auf den Klimawandel zurückzuführen, zeigen Studien, dass die Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Starkregen und Hurrikane mit dem Klimawandel zusammenhängen.

Es ist möglich, dass sich das Klima in Zukunft wieder stabilisiert, aber dies hängt stark von den Maßnahmen ab, die wir jetzt ergreifen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und vor allem auch von der Form der derzeitigen Landnutzung. Daher ist es entscheidend, dass wir uns an die bereits stattfindenden Veränderungen anpassen, und da reicht es nicht aus, sich eine Holzzahnbürste zuzulegen. Hier ist globales Handeln gefragt!

Bei allem Pessimismus: Die notwendigen Änderungen eines verminderten CO2-Austoßes oder einer extensiven Landnutzung sind technisch möglich und liegen in Griffweite. Könnte das Erlebnis von Extremwetterereignissen deshalb sogar eine positive Kraft zum Wandel sein?

Absolut, das ist eine interessante Perspektive! Extremwetterereignisse können oft als Weckruf dienen und Menschen dazu bringen, die Dringlichkeit des Problems zu erkennen. Man hat es ja in den letzten Jahren gemerkt, dass die Menschen sich ändern können – mit den gestiegenen Energiepreisen, konnte plötzlich jeder Haushalt sparsamer mit Energie umgehen, weil es teuer war. Scheinbar muss es erst weh tun, damit die Menschheit wachgerüttelt wird. 

Wenn wir Menschen persönlich von den Auswirkungen betroffen sind, sei es durch Dürren, Überschwemmungen, Stürme oder andere Ereignisse, kann das dazu führen, dass wir uns stärker für Veränderungen engagieren. Solche Ereignisse können als Katalysator für Maßnahmen dienen, sei es auf individueller, gemeinschaftlicher oder sogar politischer Ebene. Sie können dazu beitragen, das Bewusstsein zu schärfen, die Notwendigkeit von Anpassungen und Maßnahmen zu erkennen. Ich sehe hier auch eine große Chance in der Veränderung, denn neue Wege zu gehen kann auch heißen, mehr Lebensqualität zu haben. Doch in der Regel verbringen wir mehr Zeit damit zu argumentieren, warum etwas nicht geht, als den Mut zu haben, neue Wege zu gehen. In diesem Sinne können Extremwetterereignisse tatsächlich eine positive Kraft sein, indem sie das Bewusstsein schärfen und den Wandel vorantreiben.