Politik

Die Burgenland-Methode: Highway in die Zukunft oder Irrweg?

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Im Burgenland soll bis zum Jahr 2030 so viel Energie aus erneuerbaren Quellen – vor allem aus Windkraft und Photovoltaik – produziert werden, dass die dann noch benötigte fossile Energie mengenmäßig kompensiert werden kann. Das Land würde so viel „grüne“ Energie bereitstellen, wie es fossile verbraucht und hätte damit bis 2030 eine bilanzielle Klima- und Energieneutralität hergestellt. Bereits im Jahr 1997 wurden im Burgenland die ersten Windräder installiert. Seither hat sich deren Anzahl auf 461 (Stand Ende 2023) mit einer Gesamtleistung von 1.411 Megawatt erhöht. Das entspricht 37 % der österreichischen Windkraftleistung, während hingegen in Westösterreich keine einzige Windturbine steht. Im Jahr 2024 sollen noch einmal 28 Megawatt hinzukommen. Mit der jährlichen Stromproduktion können knapp eine Million Haushalte mit Elektrizität versorgt werden.

Energiewende Burgenland-Style 

Geht es nach der burgenländischen Landespolitik, sollen Windkraftanlagen an strategisch günstigen Standorten weiter ausgebaut und die Solarstromproduktion bis 2050 verzehnfacht werden. All dies mit dem Anspruch, den Ausbau strukturiert und im Einklang mit den Gemeinden und dem Landschaftsschutz umzusetzen. Optimale Windkraftstandorte sind jedoch nicht mehr leicht zu finden. Im Planungsprozess und bei der Festlegung von Eignungszonen wird versucht, Konflikte im Vorhinein abzuhandeln.  Eine Schlüsselrolle kommt dabei der weisungsfreien Landesumweltanwaltschaft zu, die bei den „Stakeholdern“ eine besondere Vertrauensstellung genießt. Auch bei der Freiflächen-Photovoltaik ist das Burgenland Spitzenreiter. Es wurden 1.300 Hektar Eignungszonen für die Photovoltaik festgelegt. 

Im Jahr 2023 waren im Burgenland rund 10.000 Photovoltaikanlagen von Privatpersonen und Unternehmen im Betrieb. Darüber hinaus hat die Burgenland Energie in Schattendorf und Nickelsdorf Nord die größten Photovoltaikprojekte Österreichs in Betrieb genommen. Diese Photovoltaikanlagen wurden in Kombination mit den bestehenden Windkraftanlagen zu einem innovativen Hybrid-Park zusammengeschlossen. Ziel ist es, die unterschiedlichen Produktionsspitzen ausgzugleichen. Weiters kommt in Schattendorf als Pilotprojekt ein Batteriespeicher mit der „Organic-SolidFlow“-Technologie zum Einsatz und soll künftig überschüssige Energie des Solar- und Windparks aufnehmen und gezielt ins Netz einspeisen. Laut Hersteller speichern SolidFlow-Batterien die elektrische Energie in nahezu unbegrenzt verfügbaren flüssigen Elektrolyten, verwenden keine umweltgefährdenden Materialien und sind – da nicht brennbar – sehr sicher zu betreiben. Damit soll zu jedem Zeitpunkt ein Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -verbrauch hergestellt werden.

Gleichzeitig wurde mit dem größten Wind-Repowering-Programm Österreichs die Anzahl der Windräder der Burgenland Energie reduziert. Bei dieser Kraftwerkserneuerung wurden alte Windkraftanlagen abgebaut und durch neue, leistungsstärkere Anlagen ersetzt. Bei all diesen Projekten spielt das landeseigene Unternehmen Burgenland Energie mit seinen 1.000 Beschäftigten – darunter 40 Lehrlinge – eine Schlüsselrolle.  

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 den heimischen Gesamtstromverbrauch zu 100 % national bilanziell aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. „National bilanziell“ bedeutet, dass die Überproduktion an erneuerbarer Energie im Sommer verrechnet werden darf mit dem immer noch nötigen Einsatz fossiler Energie im Winter. In diesem Jahr muss Österreich das erste Zwischenziel zur Reduktion der Treibhausgase nach dem Europäischen Klimaschutzgesetz erreichen, sonst drohen Strafzahlungen. Die dafür notwendige gesetzliche Grundlage in Form des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) fehlt jedoch bisher auf Bundesebene. Das Burgenland hingegen verabschiedete bereits vor zwei Jahren die entsprechenden Gesetze (z. B. § 53a und § 53c des Raumplanungsgesetzes) und schuf damit wichtige legislative Schritte für die Energiewende. 

Busverkehr

Bei der Anbindung an den öffentlichen Verkehr gehört das Burgenland bislang zu den Schlusslichtern in Österreich. Das liegt auch daran, dass die Eisenbahnlinien historisch nach Ungarn ausgerichtet waren und in den vergangenen Jahrzehnten vielfach stillgelegt und gekappt wurden. Von den sieben burgenländischen Bezirkshauptstädten verfügen nur drei über einen Bahnanschluss. Daher basiert der öffentliche Verkehr weitgehend auf Linienbussen. Bisher wurde dieser vom Verkehrsverbund Ostregion (VOR) geplant und organisiert.

Mit dem Gesamtverkehrskonzept 2021 werden umfangreiche Mittel für die Neuaufstellung des Verkehrssystems im Burgenland bereitgestellt. Die Umsetzung konzentriert sich auf fünf Zukunftsthemen und wird über mehr als 140 Einzelmaßnahmen definiert. So soll auf die konkreten Mobilitätswünsche und ‑bedürfnisse der Bevölkerung eingegangen werden. Beispielsweise werden multimodale Knoten eine optimale Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel gewährleisten. Entlang von Achsen soll das Busangebot verdichtet werden und so eine klimafreundliche und zuverlässige Alternative zum Pkw darstellen.

Um diesem Ziel näher zu kommen, hat das Land zwei Unternehmen gegründet: Die BUMOG und die VBB. Die Burgenländische Mobilitätsorganisationsgesellschaft (BUMOG) übernahm vom VOR die Organisation und Abwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs in der Verbundregion Burgenland. Beim VOR verbleiben die Aufgaben der Tarifgestaltung und der Einnahmenverteilung, wobei sich die Frage stellt, ob ein kleines Land wie Österreich tatsächlich sechs verschiedene Verkehrsverbünde benötigt. (Siehe "Leben")

Die Landestochter Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH (VBB) plant den konkreten Busverkehr und führt ihn auch durch. Die VBB wurde 2020 gegründet und startete im Jänner 2021 mit den ersten Buslinien. Derzeit beschäftigen die VBB rund 200 Beschäftigte, angefangen haben sie mit 15 Beschäftigten. Der Fuhrpark umfasst mehr als 70 Busse und rund 90 Pkw mit unterschiedlicher Sitzplatzkapazität. Die Bestandslinien werden sowohl von den Verkehrsbetrieben Burgenland, als auch privaten Partnerunternehmen bedient. 

Ein häufiger Kritikpunkt an den Ausschreibungen des VOR war, dass die Möglichkeiten für Sozial- und Qualitätskriterien nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Statt dem Bestbieter bekam oft der billigste Anbieter den Zuschlag. Das hat natürlich Folgen für die Qualität, was sowohl die Fahrgäste als auch die Fahrer:innen zu spüren bekommen – letztere in Form von schlechteren Arbeitsbedingungen. Der große Vorteil des burgenländischen Modells: Das Bundesland kann seine Aufträge direkt an die interne Betreiberin vergeben und muss nicht ausschreiben. Dadurch kann es rasch auf veränderte Verkehrssituationen reagieren und beispielsweise Buslinien neu installieren oder abändern. 

BAST: Der Weg zur flächendeckenden Mobilitätsgarantie

Im Süd- und Mittelburgenland wird der Linienverkehr durch das Burgenländische Anruf-Sammeltaxi (BAST) ergänzt, bei dem die Fahrgäste auf Abruf bedient werden. Fahrten sind innerhalb der Betriebszeiten von Haltepunkt zu Haltepunkt oder von und zu den öffentlichen Haltestellen möglich. Die Haltepunkte wurden und werden gemeinsam mit den beteiligten Gemeinden festgelegt. Die Vermittlung eines BAST-Fahrzeuges erfolgt innerhalb von 60 Minuten vor der gewünschten Abfahrtszeit (die genaue Abfahrtszeit wird bei Bestellung bekanntgegeben). Aktuell können BAST-Fahrten ausschließlich über eine Hotline gebucht werden. 

Seit September 2023 ist das BAST in vier Bezirken (Jennersdorf, Güssing, Oberwart und Oberpullendorf) unterwegs. Eine Ausweitung auf das ganze Burgenland sowie auf alle sieben Wochentage ist geplant. In den ersten sechs Monaten, in denen das BAST von Montag bis Freitag im Einsatz war, wurden rund 18.700 Fahrgäste mit durchschnittlich 250 Fahrten pro Tag befördert.

Die jüngste Erweiterung geht über die Landesgrenze hinaus: Ab Mai fährt das BAST auch nach Fürstenfeld (Steiermark) und Kirchschlag (Niederösterreich). Denn viele Menschen nutzen Einkaufsmöglichkeiten oder das medizinische Angebot auch außerhalb des Burgenlandes. Die Ausweitung soll Pendler:innen, älteren Menschen und Urlauber:innen zu Gute kommen.

AK Burgenland im Austausch mit VBB

Der „fliegende Wechsel“ bei den Busbetreibern hatte so manche Kinderkrankheit zur Folge. Bei einigen Pendler:innen kam es durch neue Linienführungen zu Verunsicherungen, daher wurde von Seiten der VBB eine Informationsoffensive sowie laufende Anpassungen initiiert. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich das ausgeweitete Mobilitätsangebot bei der Bevölkerung verfestigt. Durch die teilweise Abkoppelung vom VOR und die neuen Aufgaben für die VBB sind noch viele Schritte zur Optimierung des Systems notwendig.

Die Arbeiterkammer Burgenland sieht das Verkehrsangebot des Landes als eine Verbesserung in noch nie dagewesener Dimension, die vor allem die Pendler:innen entlastet. Der Öffi-Ausbau bringt den Menschen finanzielle Vorteile, erhöht die Verkehrssicherheit und ist eine wesentliche Maßnahme gegen die Klimakrise. Die AK Burgenland sieht sich als Anlaufstelle für Pendler:innen und versucht weitere Verbesserungen durchzusetzen. Zugleich kämpft die zuständige Verkehrsgewerkschaft vida für die Anliegen der Buslenker:innen. Derzeit gibt es nämlich eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsbedingungen. Im Zuge der Umstrukturierung sollte es zu einer möglichst guten Vereinheitlichung kommen: Das betrifft die Kollektiv- bzw. Dienstverträge und die mögliche Eingliederung in die Landesholding. All dies ist noch ungewiss und liegt in der Entscheidungsmacht der Beteiligten. Ähnliches gilt auch für andere Standards, die eingehalten werden müssen, wie beispielsweise eine gute Pauseninfrastruktur (Pausenräume, Toiletten usw.). Die derzeitige Chance zur Verbesserung für alle Beteiligten muss ergriffen werden!

Um den Bedarf an Lenker:innen decken zu können, planen die VBB die Gründung einer Akademie, und die eigene Ausbildung von Fahrer:innen zu starten. Die zukünftige Entwicklung der VBB soll und muss im Sinne der Pendler:innen, der Verkehrsbeschäftigten und der Wirtschaft, sowie der nachfolgenden Generationen gestaltet  werden. Auch hier geht das Burgenland neue Wege.