Schwerpunkt

Biodiversität

Wie steht es um die biologische Vielfalt Österreichs?

Die biologische Vielfalt ist die Grundlage für unser Leben. Die Natur versorgt uns mit Nahrung, liefert Arzneimittel und Baustoffe. Sie dient unserer Erholung und ist wichtig für Wohlbefinden, Gesundheit und Wirtschaft. Vielfalt ermöglicht eine Anpassung an geänderte Umweltbedingungen, wie sie beispielsweise durch die Klimakrise bedingt sind. Die Natur mit allen ihren Komponenten wertzuschätzen, zu erhalten, wieder herzustellen und nachhaltig zu bewirtschaften ist kein Selbstzweck, sondern eine Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen. Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität sind eng miteinander verbunden. Die Natur ist auch eine Grundlage für unsere Wirtschaft und sichert somit Arbeitsplätze. 

Österreich zählt aufgrund seiner topographischen und klimatischen Verhältnisse im mitteleuropäischen Vergleich zu den artenreichsten Ländern. Aufgrund der ausgeprägten Geomorphologie von den tiefsten Lagen rund um den Neusiedler See bis hinauf zu den vergletscherten Regionen der Alpen besitzt Österreich auch eine große Formenvielfalt an Fließgewässern und stehenden Gewässern. Es beherbergt rund 2.900 von Natur aus heimische Farn- und Blütenpflanzen, rund 8.500 Algen, Moose und Flechten, 85 Säugetierarten, 430 Vogelarten, von denen 256 zumindest einmal als Brutvogel bestätigt wurden, 14 Reptilien- und 21 Amphibienarten sowie 84 Fischarten. Bei den Wirbellosen geht man von über 46.000 Arten aus (Geiser 2018). Die in Österreich vorkommenden Pilze werden auf rund 10.000 Arten geschätzt. Die Gesamtartenvielfalt Österreichs beträgt demnach rund 68.000 Arten. 

Eine besondere Verantwortung hat Österreich für die mehr als 700 Arten, die ausschließlich in Österreich (endemisch) vorkommen. Die Haupt-Verbreitungsgebiete dieser Endemiten und Subendemiten (das sind Endemiten, die auf bestimmte Gebiete begrenzt vorkommen) liegen in den höheren Lagen Österreichs (Rabitsch & Essl 2008). 

Gefährdung der biologischen Vielfalt

Der Weltbiodiversitätsrat identifiziert fünf Hauptgründe für den globalen Verlust der biologischen Vielfalt: Veränderte Landnutzung, direkte Ressourcenentnahme, Klimawandel, Schadstoffeinträge und gebietsfremde „invasive“ Arten (IPBES 2019), diese gelten auch für Österreich. 

Eine Analyse der Gefährdungsfaktoren für die in Österreich vorkommenden Flora-Fauna-Habitat-Arten (FFH) und FFH-Lebensraumtypen hat ergeben, dass hydrologische Veränderungen (inkl. Verlust von Feuchtgebieten), Landwirtschaft (z. B. Nutzungsaufgabe, -intensivierung, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Überdüngung), Forstwirtschaft (z. B. Totholzentnahme), und Flächeninanspruchnahme besonders bedeutende Faktoren sind (Umweltbundesamt 2016). Auch der Klimawandel hat mittlerweile immer stärkere Auswirkungen auf die österreichische Biodiversität.

Zur Bewertung von Status und Trends der biologischen Vielfalt bestehen verschiedene Bewertungsschemata: 

• Rote Listen stellen das Gefährdungsausmaß (= Aussterbewahrscheinlichkeit) von Arten oder Biotoptypen eines Bezugsraumes dar (z.B. Global, National, Bundesländer). Je größer der Bezugsraum, desto geringer der Gefährdungsgrad.
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• IUCN-Kategorien: Bewertungen entsprechend EU-Vorgaben umfassen ein Set an Arten und Lebensraumtypen, welche bereits als gefährdet bekannt sind, die sogenannten Lebensraumtypen und Arten von gemeinschaftlichem Interesse (nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie), sowie die Vogelarten nach Vogelschutzrichtlinie. Die europäische Dachorganisation ist die IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources), in der Österreich durch das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie weitere naturschutzrelevante Projekte, Organisationen und Einrichtungen vertreten ist. Link

Von den 488 in Österreich vorkommenden Biotoptypen wurden 246 in den Kategorien gefährdet und stark gefährdet eingestuft, 33 sind von der vollständigen Vernichtung bedroht. Fünf Biotoptypen sind vollständig vernichtet, nämlich naturnahe große Fließgewässer tiefer Lagen sowie die bodenbasischen und bodensauren Binnendünen. Der Anteil der einer der Gefährdungskategorien zugeordneten Biotoptypen ist in den Gruppen Grünland (90 Prozent), Moore, Sümpfe und Quellfluren (83 Prozent) am höchsten. 

Die Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen weist 37 Prozent der Arten als gefährdet aus (Schratt-Ehrendorfer et al. 2022). Der Anteil der gefährdeten Arten (inkl. Vorwarnliste) liegt bei Reptilien und Amphibien bei 100 Prozent. Der Anteil der gefährdeten Arten liegt bei den weiteren Wirbeltiergruppen bei 27 Prozent der Säugetiere, 31 Prozent der Vögel und 46 Prozent der Fische. Bei Insektengruppen liegt 
der Anteil der gefährdeten Arten z. B. bei 29 Prozent der Tagfalter und Nachtfalter, 37 Prozent der Zikaden, 38 Prozent der Heuschrecken und bei 57 Prozent der Libellen. Bei den restlichen Wirbellosen, deren Erforschungsgrad nicht zufriedenstellend ist, liegen die Werte zwischen 20 Prozent und 100 Prozent. Gemäß dem aktuellen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan erreichen etwa 40 Prozent der heimischen Fließgewässer mit einer Einzugsgebietsgröße über 10 km2 das im Österreichischen Wasserrechtsgesetz festgelegte Ziel des „guten ökologischen Zustandes“.

Die aktuelle Situation EU-weit geschützter Arten und Lebensraumtypen zeigt auch kein befriedigendes Bild. 44 Prozent der Lebensraumtypen und 34 Prozent der Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) sind in einem ungünstigen-schlechten Erhaltungszustand, und 35 Prozent der Lebensräume und 48 Prozent der Arten der FFH-RL sind in einem ungünstigen-unzureichenden Erhaltungszustand (Umweltbundesamt 2019).

Laut dem letzten österreichischen Artikel 12-Bericht 2019 zur Umsetzung der EU-Vogelschutz-Richtlinie weisen 35 Prozent der 270 an die EU-Kommission zu meldenden Vogelarten einen stabilen und 28 Prozent einen zunehmenden Populationstrend auf. Im Gegensatz dazu weisen 25 Prozent der Vogelarten einen negativen Populationstrend auf. 3,7 Prozent der Arten fluktuieren, 2,6 Prozent weisen einen unklaren Trend auf und für 5,6 Prozent liegen keine Daten vor (Dworak 2019).

Naturschutzrechtlich geschützte Gebiete

Die Unterschutzstellung von für die biologische Vielfalt oder für das Landschaftsbild besonderen Gebieten ist eines der wesentlichen Elemente des behördlichen Naturschutzes. Rund 3 Prozent der Fläche sind streng geschützt (Fokus auf Prozessschutz, z. B. Wildnisgebiet, Nationalpark, IUCN Kategorie I und II), rund 14 Prozent sind geschützt (Fokus auf Arten- und Lebensraumschutz, z. B. Naturschutzgebiet, Europaschutzgebiet, IUCN Kategorie III und IV) und rund 12 Prozent sind gering geschützt (Fokus Erhalt des Landschaftsbildes, z. B. Landschaftsschutzgebiet, IUCN Kategorie V). Natura 2000-Gebiete (Europaschutzgebiete) stellen hinsichtlich ihrer Flächenausdehnung eine der wichtigsten Schutzgebietskategorien dar. 

Wie kann man die Situation verbessern?

Das Klimaschutzministerium führt in der 2022 veröffentlichten Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ eine Fülle von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation an. Die Strategie greift die von der Europäischen Union sowie auf internationaler Ebene formulierten Zielsetzungen und Maßnahmen für den Erhalt der Biodiversität auf. Ein Zehn-Punkte-Programm sieht nationale quantitative und qualitative Ziele und die erforderlichen Voraussetzungen für den Erhalt der biologischen Vielfalt in allen Lebensräumen Österreichs vor. Ein umfassender Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft ist gefordert, der Biodiversitätsschutz und Klimaschutz gleichermaßen einbezieht und bei der Interessensabwägung alle drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – berücksichtigt. Die Berücksichtigung dieser Interessen ist auch essenziell, wenn es darum geht, unsere Kulturlandschaft zu erhalten und nachhaltig zu nutzen. Wenn der Erhalt der Biodiversität nicht durch eine ökonomisch vertretbare Bewirtschaftungsweise möglich ist, soll der Mehraufwand dafür durch Förderungen oder über Vertragsnaturschutz abgegolten werden.

Wie kann jede/r Einzelne zur Verbesserung der österreichischen Biodiversität beitragen?

  • Geben Sie im eigenen Garten Blumenwiesen und standortgerechten heimischen Gehölzen den Vorzug vor reinen Rasenflächen. Verzichten Sie auf Pestizide und Kunstdünger.
  • Setzen Sie beim Einkauf z. B. auf Saft aus heimischem Obst von Streuobstwiesen statt Fruchtsäfte aus importierten Konzentraten.
  • Vermeiden oder reduzieren Sie den Konsum von Produkten, die in intensiv bewirtschafteten Monokulturen in den Ländern des Südens produziert werden.
  • Versuchen Sie ihren Beitrag zur Reduktion des Klimawandels zu leisten (z. B. Energie sparen, umweltschonende Verkehrsmittel verwenden). 
  • Nehmen Sie mit Ihren Kindern an Führungen und Erlebnisangeboten mit Bezug zur Biodiversität teil.