Schwerpunkt

Energiekrise

Das Ziel ist ambitioniert. Doch, wie schaffen wir die Energiewende?

Die klimapolitischen Vorgaben sind ambitioniert. Die europäische Union hat sich das Ziel gesetzt bis 2050 klimaneutral zu sein, also (netto) keine Treibhausgase mehr auszustoßen. Die österreichische Bundesregierung möchte dies für Österreich schon 2040 – also in nur knapp 18 Jahren erreichen. Bis 2030 möchte Österreich zudem die Stromversorgung auf hundert Prozent erneuerbare Energie umstellen. 

Energieeffizienz als Basis

Die wichtigste Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele ist unumstritten. Doch sie hat keine Lobby. Die Rede ist von der Energieeffizienz. Nur wenn es uns gelingt Energie deutlich effizienter einzusetzen als wir dies heute tun, kann es gelingen die Versorgung vollständig durch erneuerbare Energie zu decken. Ein effizienterer Energieeinsatz bedeutet nicht nur einen geringeren CO2-Ausstoß, sondern auch eine Verringerung der Importabhängigkeit und damit eine Erhöhung der Versorgungssicherheit. Neben Förderungen zur thermischen Sanierung von Gebäuden ist dasw zentrale ordnungsrechtliche Instrument ein wirksames Energieeffizienzgesetz. Doch das seit 2015 geltende Gesetz ist Ende 2020 ausgelaufen und noch immer warten wir das neue. Die Zeit drängt, denn bis 2030 soll der Primärenergieverbrauch in der EU gegenüber 2007 um 39 Prozent reduziert werden. Neben dem effizienten Einsatz ist aber auch die Frage des richtigen Energieträgers zentral.

Erneuerbare elektrische Energie als wichtigste Ressource

Elektrizität spielt bei der Dekarbonisierung eine zentrale Rolle. Sie kann klimafreundlich, etwa durch Wasserkraft, Windkraft- oder Photovol­taikanlagen, erzeugt werden. Gleichzeitig kann sie vielfältig eingesetzt werden und als Ersatz für fossile Energieträger dienen. Dies gilt im Wärmebereich (Wärmepumpen) ebenso wie in der Mobilität und in zahlreichen industriellen Anwendungen. Dabei ist der Einsatz in der Regel deutlich effizienter, weil Umwandlungsverluste wegfallen. Aktuell macht Strom in Österreich rund ein Fünftel des energetischen Endverbrauchs aus. Insbesondere aufgrund der Wasserkraft ist der Anteil erneuerbarer Energie an der heimischen Stromproduktion mit über 80 Prozent bereits heute relativ hoch. Doch um die Nachfrage zu decken, muss derzeit auch auf Importe zurückgegriffen werden. Bis 2030 soll sich das ändern. 

Das kürzlich beschlossen Erneuerbaren Ausbaugesetz sieht vor, dass bis dahin die Stromnachfrage (bilanziell) zu 100 Prozent aus im Inland produzierten erneuerbarem Strom gedeckt wird. Dementsprechend sollen 27 TWh an Jahresproduktion hinzu kommen. Das entspricht ca. der Summe aus 90 km2 Photovoltaik, 1.500 Windrädern, vier großen Donaukraftwerken und über hundert zusätzlichen Biomassekraftwerken. Die aktuell sehr hohen Energiepreise haben dazu geführt, dass sich im Moment die Errichtung erneuerbarer Energieanlagen auch ohne Förderungen auszahlt. Sollten die Preise wieder sinken, sorgt das Erneuerbaren Ausbaugesetz mit Förderungen in der Höhe von bis zu einer Milliarde Euro jährlich für den Ausbau von Ökostrom. Finanziert wird dies von den Stromkund:innen über den sogenannten Erneuerbaren-Förderbeitrag und die Erneuerbaren-Förderpauschale. Beides sind Umlagen die als Aufschlag zu den Netzentgelten mit der Stromrechnung zu zahlen sind. Dabei tragen die privaten Haushalte mit rund 40 Prozent der Förderkosten den größten Teil, obwohl sie für nur rund ein Viertel des Stromverbrauchs verantwortlich sind.

Das Stromnetz als Drehscheibe der Transformation

Mit der Errichtung von Erzeugungsanlagen ist es aber noch nicht getan. Der Ausbau von erneuerbaren Energieanlagen, wie Wind- und Photovoltaik-Anlagen, bedeutet eine Dezentralisierung der Stromproduktion. Diese neuen Anlagen müssen nicht nur angeschlossen werden, der rasche Ausbau erneuerbarer Energien erfordert auch mehr und leistungsfähiger Stromnetze. 

Auf der Hochspannungsebene braucht es neue Übertragungsleitungen, um die vorhandenen Produktionskapazitäten besser nutzen zu können. Neue Umspannwerke und regionalen Netze müssen ausgebaut werden, um die ständig zunehmende Menge Strom aus neuen Erzeugungsanlagen aufnehmen zu können. Zudem müssen die Netze verstärkt werden um neue Anwendungen, z.B. Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektrofahrzeuge integrieren zu können oder auch Ungleichgewichte, also Stromüberschüsse oder -defizite besser ausgleichen zu können. In den kommenden Jahren sind daher allein in Österreich jährlich bis zu einer Milliarde Euro an Investitionen in die Netzinfrastruktur notwendig. Die Kosten dafür werden nicht durch öffentliche Mittel gedeckt, sondern direkt von den Stromverbraucher:innen und auch wieder zum größten Teil durch die private Haushalte, über Netznutzungsentgelte getragen. Einen nur sehr geringen Beitrag dazu leisten die Stromerzeuger und de facto gar keinen die Energiehändler. 

Grünes Gas: So wenig wie möglich, so viel wie notwendig

Doch selbst wenn es uns gelingt weitgehend auf Elektrizität setzen, werden wir auch in Zukunft auf den Einsatz von Gasen angewiesen sein. Das gilt etwa für die nicht-energetische Nutzung, sowie für Hochtemperaturprozesse in der Industrie. Aber auch das Stromsystem ist in mehrerlei Hinsicht auf Gaskraftwerke angewiesen. Sie dienen dazu, die volatile, weil stark witterungsabhängige Einspeisung erneuerbarer Energie ins Stromnetz auszugleichen. Denn ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führt zu Frequenzschwankungen, welche wiederum zu einem Systemzusammenbruch führen und einen Black-Out zur Folge haben. Im Winter, wenn PV-Anlagen, Windräder aber auch Laufwasserkraftwerke weniger Strom liefern, die Nachfrage aber hoch ist, liefern Gaskraftwerke Strom und (Fern-)Wärme. Da Erdgas flexibel einsetzbar ist und wesentlich weniger CO2 verursacht als Öl oder Kohle, ist es der letzte fossile Energieträger, der das Energiesystem verlassen wird. Als Ersatz für Erdgas sollen grüne Gase, also Biomethan, aus Biomasse sowie (erneuerbarer) Wasserstoff aus Elektrolyseanlagen, dienen. Doch die Ressourcen für Biomethan und Wasserstoff sind knapp. So zeigen Studien, dass Österreich nur rund ein Viertel des Bedarfs an grünen Gasen durch inländische Produktion decken wird können. Dabei gilt es einen zu hohen Fläschenverbrauch bzw. Rohstoffkonflikte mit der Lebens- und Futter­mittelproduktion zu vermeiden. Da die Nachfrage nach grünen Gasen weltweit stark zunehmen wird, sind Importe mit geopolitischen Auseinandersetzungen und Konflikten um Rohstoffe verbunden. Das bedeutet zudem, erneuerbare Gase bleiben – auch im Verhältnis zu anderen erneuerbaren Energieträgern – teuer. Diese Gase sollten daher in erster Linie dort eingesetzt werden, wo es für die Dekarbonisierung keine Alternativen gibt. Beispiel hierfür sind Teilbereiche der Industrie, insbesondere die Stahlerzeugung, sowie die chemische Industrie aber auch der schwere Nutzverkehr. Sie können aber auch dazu dienen, im Sommer elektrische Überschussenergie zu speichern und im Winter die Wärme- und Stromversorgung unterstützen. 

Rechtsrahmen und Fachkräfte entscheidend 

Für die Finanzierung des Netzausbaus und den Ausbau Erneuerbarer Energie ist grundsätzliche gesorgt. Wesentliche Hürden bleiben die rechtlichen Rahmenbedingungen. Genehmigungsverfahren für die Errichtung von Erneuerbaren Anlagen oder den Netzausbau dauern teilweise mehrere Jahre. Hier fehlt es nach wie vor an einer verbindlichen integrierten Netzplanung, an gesetzlich definierten Grenzwerten (etwa für elektromagnetische Strahlung), aber auch an ausreichender personeller Ausstattung auf Seiten der Behörden. Insbesondere im Übertragungsnetz gilt es, Stakeholder frühzeitig einzubinden und lange Genehmigungsverfahren zu straffen. Für abertausende Windkraft- und PV-Anlagen braucht es entsprechende Flächen. Hier sind die Länder gefordert, mit angemessenen, klaren und einheitlichen Regeln den richtigen Weg zu finden, um die Akzeptanz der Bevölkerung nicht zu verlieren und ausreichend Flächen zu schaffen. Um Akzeptanz zu schaffen ist zudem eine breite Beteiligung notwendig. Energiegemeinschaften sind hier ein Weg. Aber auch in Mehrparteiengebäuden muss die Errichtung von PV-Anlagen oder der Umstieg auf erneuerbare Heizungssysteme erleichtert werden. Oft ist dies aufgrund umfassender Zustimmungspflichten schwierig.

Im Bereich des Gasnetzes gilt es ein Greenwashing zu vermeiden. Dazu müssen jetzt die Rahmenbedingungen geschaffen werden, einerseits um Biomethananlagen anzuschließen, anderseits um das Netz – mit dem Rückgang der Anwendung von Gas im Wärmebereich – Schritt für Schritt zu redimensionieren. Nur so kann die Leistbarkeit für die verbleibenden Gas-Netzkund:innen sichergestellt werden.

Ob die Energie- und Klimaziele erreicht werden können, wird auch davon abhängen, ob es genug gut qualifiziertes Personal gibt, denn die Energiewende ist auch eine anspruchsvolle Arbeit, die getan werden muss. Schon derzeit besteht in vielen Bereichen ein Mangel an Fachkräften – egal ob im Bereich Bauen & Sanieren, beim Heizungstausch oder beim Installieren erneuerbarer Erzeugungsanlangen. Es müssen Perspektiven für einen resilienten Arbeitsmarkt geschaffen werden. Nötig sind eine Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive sowie ein breites Angebot an Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten. So können sich angehende Professionist:innen zusätzliche Kompetenzen aneignen. Die arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Maßnahmen brauchen eine ausreichende finanzielle Basis und einen Aktionsplan, um ein koordiniertes Vorgehen zu gewährleisten.