Wissenschaft: Großes Potenzial öffentlicher Investitionen für den Klimaschutz

Öffentliche Investitionen sind Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen und dringend notwendigen sozialen und ökologischen Umbau: Schulen und Spitäler, der staatliche Fuhrpark vom Postbus bis zum Müllauto, Solaranlagen auf Amtsgebäuden, Wälder usw. können einen wesentlichen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. So wichtig private Investitionen sind, sie können die öffentlichen Investitionen nicht ersetzen, die für eine weitgehende Dekarbonisierung des öffentlichen Kapitalstocks (d.h. die Summe aller Maschinen, Gebäude etc.) notwendig sind. 

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Im Gegenteil: Für eine glaubwürdige Klimaschutzpolitik ist es zentral, dass die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle einnimmt und im eigenen Wirkungsbereich vorlebt, wie die Klimaschutzziele erreicht werden können. Ein ambitioniertes Ausbauprogramm kann private Investitionen befeuern, da es eine mittelfristig planbare, zusätzliche Nachfrage schafft, die es Unternehmen erleichtert, ihre Kapazitäten auszubauen. Besonders wichtig sind deshalb Städte und Gemeinden, die einen sozialen und ökologischen Ausbau in die Breite bringen können.

Öffentliches Vermögen: Notwendiger Umbau, wünschenswerter Ausbau

Die von der AK Wien beauftragte Studie eines Forschungsteams der TU Wien in Kooperation mit dem Umweltbundesamt untersucht und quantifiziert den öffentlichen Kapitalstock sowie die öffentlichen Investitionen, die für dessen klimaneutralen Umbau notwendig sind. Ausgehend von einem öffentlichen Kapitalstock von über 500 Mrd. Euro (2021), der die Gebietskörperschaften und die von ihnen kontrollierten Beteiligungen umfasst, kommt die Studie zum Ergebnis, dass allein für den klimaneutralen Umbau öffentliche Investitionen von rund 68 Mrd. Euro erforderlich sind. Davon entfällt etwa die Hälfte auf öffentliche Gebäude, ein weiteres Drittel auf das Energiesystem (insbesondere Stromerzeuger im staatlichen Besitz) und der Rest weitgehend auf die Verkehrs­infrastruktur und Fahrzeuge. Die Studie zeigt auf, wie viele Investitionen (gemäß aktuellem Planungsstand bzw. ausgehend von den realisierten Projekten der letzten Jahre) bis 2030 tatsächlich umgesetzt werden.  

In einem zweiten Schritt wird erhoben, welche Ausbaupotenziale darüber hinaus bestehen – vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs über die Fernwärme bis hin zur eigenen Stromproduktion, etwa durch PV-Anlagen auf allen dafür geeigneten öffentlichen Gebäuden. Das Ergebnis: Bis 2030 gibt es ein unerschlossenes Potenzial von weiteren 50 Mrd. Euro, so dass sich insgesamt ein Potenzial für zusätzliche öffentliche Klimaschutz-Investitionen von knapp 87 Mrd. Euro ergibt. Darin nicht berücksichtigt ist der Ausbau des öffentlichen Gebäudesektors wie zB Gemeindebauten in Städten als leistbare und ökologischere Alternative zum privaten, alten Landhaus, eine Aufforstung der Wälder oder Investitionen in andere Formen von CO2-Senken (das sind alle natürlichen oder künstlichen Speicher, die mehr Kohlenstoff aufnehmen als sie abgeben). 

Öffentliche Investitionslücke beim Klimaschutz

Heruntergebrochen auf ein Jahr ergeben die Zahlen aus der Studie ein ungenutztes Potenzial von durchschnittlich 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) bis 2030. Zum Vergleich: Die aktuellen Budgetpläne der Bundesregierung zeigen gesamtstaatliche Investitionen von 3,4 Prozent des BIP – wohlgemerkt für alle Investitionen, nicht nur für den Klimaschutz. Das zeigt die gewaltige Herausforderung, vor der wir stehen.

Zwei Relativierungen sind an dieser Stelle notwendig. Erstens: Wenn man beim Tempo Abstriche machen würde, lässt sich das Volumen auf den Zeitraum bis 2040 verteilen, wodurch sich „nur“ noch ein gutes Prozent des BIP ergibt. Zweitens: Leider unterscheidet die Studie nicht zwischen Unternehmen mit weitgehend selbsttragenden Kosten im öffentlichen Besitz (insbesondere die Energieversorger) und dem auf Steuerfinanzierung angewiesenen Teil des öffentlichen Sektors. Folglich bleibt unklar, wie stark die öffentliche Investitionsquote tatsächlich steigen muss, um das Potenzial auszuschöpfen. 

Was die Studie relativ klar zeigt: Städte und Gemeinden sind besonders gefordert. Finanzierungstechnisch ist das ein Problem, da ihre Kassen bereits seit Jahren so knapp sind, dass ohne Sonderinvestitionsprogramme des Bundes kaum neue Projekte möglich sind. Da sie selbst kaum zusätzliche Einnahmen lukrieren können und auch ihre Verschuldungsmöglichkeiten faktisch, rechtlich und kulturell begrenzt sind, ist deshalb ein langfristig ausgerichteter, grüner, kommunaler Investitionsfonds gefragt – idealerweise bis 2040. Ausgangspunkt für den Investitionsfonds sollte das für 2023 mit 500 Millionen Euro ausgestattete Sonderprogramm sein, mit dem kommunale Investitionen in die Energieeffizienz, den Umstieg auf erneuerbare Energieträger sowie  Fernwärme- und Fernkältesystemegefördert werden.

Leonard Plank, Michael Miess et al.: Öffentliche Investitionen für den Klimaschutz in Österreich: Potenziale des öffentlichen Vermögens, Wien, 2023