Politik

Der Stromnetzausbau braucht eine faire Kostenteilung

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Österreich will bis 2030 seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern beziehen. Das ist ein ambitioniertes Ziel: Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wurde ein Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion um 27 Terawattstunden (TWh) festgezurrt. Doch dieses Ziel gilt mittlerweile als überholt. Denn der kürzlich vorgestellte Nationale Energie- und Klimaplan, als auch der Österreichische Integrierte Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) sehen deutlich höhere Ausbauziele von bis zu 39 TWh bis 2030 vor. 

Um den produzierten Strom allerdings transportieren und auch verbrauchen zu können, sind Stromnetze erforderlich. Diese müssen entsprechend dem Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion ebenfalls verstärkt und erweitert werden. Damit gehen hohe Kosten einher, die sich auch auf der Stromrechnung niederschlagen. Im Jahr 2022 machten die Netzkosten bei einer durchschnittlichen Haushaltsrechnung rund ein Viertel des gesamten Strompreises aus. In Zukunft wird sich der Anteil noch deutlich erhöhen. Deshalb ist es wichtig, die Kosten für den Netzausbau fairer als bisher zu verteilen. Denn zurzeit tragen die Haushalte einen überproportional großen Anteil an den Netzkosten.  

Erneuerbare brauchen belastbare Netze

Der notwendige Ausbau der erneuerbaren Strom­erzeugung in Österreich stellt für die Stromnetze in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung dar. Erstens soll der Ausbau nicht nur fossile Stromerzeugung ersetzen, sondern auch generell zu einem Anstieg der Stromerzeugung führen. Das ist notwendig, da auf dem Weg zur Klimaneutralität viele Bereiche elektrifiziert werden müssen. Bei der Mobilität ist heute bereits klar, dass die Zukunft des individualisierten Personenverkehrs in batteriebetriebenen E-Autos liegen wird. Bei der Raumwärme wird neben Fernwärme stark auf Wärmepumpen gesetzt werden, die elektrischen Strom brauchen. Und auch in der Industrie werden viele Prozesse elektrifiziert werden. Das alles führt dazu, dass der Strombedarf insgesamt deutlich steigen wird. Dementsprechend müssen auch die Netze erweitert und verstärkt werden. 

Zweitens wird sich der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion stark auf Photovoltaik und Windkraft konzentrieren: Von den 27 TWh an zusätzlicher erneuerbarer Stromproduktion sollen laut EAG rund 40 Prozent aus Photovoltaikanlagen und rund 37 Prozent aus Windkraftanlagen stammen. Das bedeutet einerseits eine Herausforderung in Bezug auf die notwendigen Netzanschlüsse, denn gerade bei der Photovoltaik findet die Stromerzeugung sehr dezentral – etwa auf Einfamilienhäusern – statt. Andererseits bringen Photovoltaik und Windkraft auch eine hohe Volatilität ins Netz, weil diese Formen der erneuerbaren Stromerzeugung stark wetterabhängig sind. 

In windreichen und sonnigen Stunden können Windräder und Photovoltaikanlagen sehr viel Strom ins Netz einspeisen. Umgekehrt führen Windflauten und regnerische bzw. nächtliche Stunden zu einem Rückgang der erneuerbaren Stromerzeugung. Für den stabilen Betrieb der Stromnetze muss aus physikalischen Gründen die Stromeinspeisung in das Netz stets der Stromentnahme aus dem Netz entsprechen. Das Stromnetz hat allerdings nur eine begrenze Kapazität. Wird zu viel Strom durch das Netz transportiert, dann kommt es zu Engpässen. Um eine Überlastung der Netze zu vermeiden, müssen vor den Engpässen Kraftwerke vom Netz genommen werden und gleichzeitig hinter den Engpässen, zusätzliche in Reserve gehaltene Kraftwerke hochgefahren werden. Diese sogenannten „Redispatch-Maßnahmen“ sind jedoch sehr teuer. Allein von Jänner bis September 2023 kosteten sie rund 125 Millionen Euro. Engpässe werden durch einen zunehmenden internationalen Stromhandel häufiger und lassen sich am besten durch einen zügigen Ausbau der Stromnetze bewältigen. 

Planungsprobleme und ungleiche Kostenteilung gefährden den Netzausbau

Um den Netzausbau möglichst schnell und kosteneffizient umsetzen zu können, bedarf es einer zügigen Planung. Diese scheitert oft an den schleppenden Genehmigungsverfahren. Nicht nur die Akzeptanzprobleme bremsen, sondern auch die österreichischen Rahmenbedingungen. Die Netzplanung betrifft beispielsweise mehrere Kompetenzbereiche auf Bundes- und Länderebene, die bisher nur schwer miteinander akkordiert werden können. Oft fehlen auch die notwendigen Daten – etwa zur Biodiversität – die im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung erst mühsam über Gutachten erhoben werden müssen. 

Zumindest in rechtlicher Hinsicht hätte der diesen Sommer vorgestellte ÖNIP Abhilfe schaffen sollen. Allerdings mangelt es dem Plan an Rechtsverbindlichkeit und Detaillierungsgrad, weshalb die erhofften Verbesserungen nicht eingetreten sind. Auch die mit dem Netzausbau einhergehenden Kosten dürften für die gesellschaftliche Akzeptanz nicht unbedingt förderlich sein. Diese werden derzeit von Stromverbrauchern und Erzeugern über die Systemnutzungsentgelte getragen. Stromnetze sind natürliche Monopole, man kann sich den Netzbetreiber nicht aussuchen. Deshalb werden die Entgelte behördlich verordnet. Schon jetzt müssen über diese Entgelte insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro pro Jahr an Kosten gedeckt werden, wobei die Kostentragung sehr ungleich verteilt ist. Die Ungleichgewichte bestehen zunächst zwischen In- und Ausland. Österreich ist schon heute ein Stromtransitland und wird dies wohl in Zukunft noch mehr werden. Anders als bei den Gasfernleitungen (den großen Pipelines, die für den Gasimport und -export verwendet werden) zahlen internationale Stromhändler kaum für den Transit durch Österreich. 

Aber auch im Inland sind die Kosten zwischen Erzeugern und Verbrauchern ungleich verteilt. Im Jahr 2019 haben Erzeuger rund 1,4 Prozent der Netzkosten getragen. Die restlichen 98,6 Prozent mussten von den Verbrauchern getragen werden. Dabei benötigen Erzeuger und Händler die Stromnetze für den Vertrieb des von ihnen erzeugten oder gehandelten Stroms. Die Kostenteilung im Stromnetz ist damit vergleichbar mit einem Autobahnnetz in dem allein die Verbraucher, nicht aber Produzenten und Händler, Maut zahlen.  Auch bei den Verbrauchern sind die Kosten ungleich verteilt: Die österreichischen Haushalte verantworteten im Jahr 2022 rund ein Viertel (26%) des österreichischen Stromverbrauchs. Der Rest wurde von anderen kleinen Verbrauchern, wie Gewerbebetrieben, der Landwirtschaft oder von Großverbrauchern in der Industrie verwendet. Trotzdem trugen die Haushalte fast die Hälfte der Netzkosten (43%). Das spiegelt sich auch auf individueller Ebene wider: Während ein durchschnittlicher Haushalt im 2. Halbjahr 2022 netto rund sieben Cent pro Kilowattstunde an Netzkosten entrichten musste, lag der Wert bei Unternehmen bei rund drei Cent.