Interview: Wie es gelingen kann
Wer heute mit Menschen über den Klimawandel spricht, hört oft Einschätzungen von dystopischer Verzweiflung oder utopischer Unbestimmtheit. Wie lässt sich ein Weg zwischen diesen beiden Abgründen finden, der zu sinnvollem Handeln führt?
Emma Dowling (ED): Wir brauchen inspirierende Bilder eines lebenswerten Lebens, das nicht auf Kosten der Umwelt oder anderer Menschen geht. Solche Bilder können nicht von oben verordnet werden, Menschen müssen sich beteiligen. Dazu gehört aber auch die Auseinandersetzung mit ihren Ängsten. Das gilt nicht nur für den Klimawandel, sondern auch für Sorgen um Jobverlust oder Teuerung.
Lukas Stani (LS): In unserer Studie haben wir die Idee des „Anknüpfens und Verknüpfens“ entwickelt. Damit meinen wir die Verknüpfung der Alltagsrealitäten mit den ökologischen Herausforderungen sowie deren ökonomischen und politischen Bedingungen. Es gilt nicht nur individuell nachhaltig zu handeln, sondern vor allem gemeinsam die Rahmenbedingungen zu verändern, die unsere Lebens- und Arbeitsweisen schädlich machen.
Transformation wird oft mit Verlust und Verzicht assoziiert. Wie kann Wandel als lustvoll, sinnstiftend und als Empowerment erlebt werden?
ED: Zu merken, ich kann mit anderen zusammen mehr erreichen als allein, hat eine ermächtigende Wirkung. Ein schönes Beispiel ist eine Kampagne in Deutschland, in der sich Aktivist:innen von Fridays for Future und Busfahrer:innen der Gewerkschaft Verdi gemeinsam für eine gerechte Mobilitätswende einsetzten. Dabei wurde ökologisches Engagement mit der Forderung nach verbesserten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verknüpft.
LS: Hier in Österreich im Bau fordert eine Initiative der Klimabewegung und der Gewerkschaft Bau-Holz aktuell, Hitze als verpflichtenden Grund für eine Freistellung zu verankern. Arbeitgeber:innen können ab 32,5°C frei geben, eine gesetzliche Verpflichtung steht aber noch aus.
Unsere Wirtschaftsordnung wird als natürlich und naturgegeben wahrgenommen und auch so propagiert. Wie kann man dies durchbrechen und glaubwürdige Perspektiven vermitteln?
ED: Seit 30 Jahren üben wir, an die Effizienz der Märkte zu glauben. Inzwischen ist offensichtlich, dass das nicht funktioniert und nur ganz wenige davon profitieren. Trotzdem fehlt manchmal der Optimismus, dass sich wirklich etwas ändern kann. Deshalb braucht es Vorbilder. Von Energiegenossenschaften bis zu neuen Vermögenssteuermodellen gibt es gute Beispiele.
LS: Es braucht auch Räume, in denen eigene Ideen als wertvoll erlebt und eingebracht werden können. Planspiele eignen sich besonders gut, um zB im Kontext des eigenen Betriebs oder der eigenen Nachbarschaft konkrete Ansatzpunkte für Transformation zu erarbeiten.
Können Sie uns von einem Erfolg aus ihrer Forschung oder auch aus ihrem Alltag erzählen, der Ihnen persönlich Mut macht?
ED: Im Sommer stimmten die Wähler:innen in Ecuador für ein Verbot von Ölbohrungen im Yasuní-Nationalpark. Seit September investiert die New York University nicht mehr in fossile Energiekonzerne. Das niederländische Parlament will den Abbau staatlicher Subventionen für fossile Energien voranbringen. Hinter all diesen Entscheidungen steht jahrelange zivilgesellschaftliche Organisierung. In Italien kämpft ein Bündnis von Klimaaktivist:innen, Gewerkschafter:innen und Wissenschaftler:innen für einen Konversionsplan, um Photovoltaikanlagen, Lastenräder oder Achswellen für Busse zu produzieren. Mich inspiriert es, wenn sich Menschen zusammentun, gerade weil Veränderungen einen langen Atem brauchen.
LS: Mut gemacht hat mir die Akademie für sozialen und ökologischen Umbau, die im April in Wien stattgefunden hat. Hier habe ich erlebt, wie sich verschiedene Gruppen über die Grenzen ihres eigenen Kontextes hinweg verständigen können. Jetzt gilt es dauerhafte Dialogräume zu schaffen.