Wissenschaft: Diesel-Skandal: Betrug hat sich für die Pkw-Hersteller:innen ausgezahlt

Österreich ist vom Dieselskandal, der mit dem VW-Abgasskandal im September 2015 begonnen hat und mittlerweile fast alle Autohersteller:innen umfasst, arg geschädigt: 537.000 Dieselautos des VW-Konzerns, aber auch von Mercedes, Opel, Renault und BMW mussten wegen illegaler Abschalteinrichtungen oder Konformitätsabweichungen verpflichtend bzw. freiwillig zum Software-Update zurückgerufen werden. Dazu kommen weitere 253.000 Autos von VW und Renault, deren Abgasreinigungen durch freiwillige Serviceaktionen optimiert werden sollten. Alles in allem sind laut AK-Studie knapp 800.000 Diesel-Pkw ohne EU-konforme Abgasvorrichtung weiterhin mit zu hohen Stickoxid-Emissionen in Österreich unterwegs. 

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Der größte Umweltskandal der jüngeren Geschichte (siehe dazu auch die Umweltgrafik auf der Startseite) ist damit aber noch nicht Vergangenheit. Die Einhaltung von vorgeschriebenen Abgas-Grenzwerten ist ein wichtiger Bestandteil einer EU-Typengenehmigung. Wird diese aufgehoben, droht der Entzug der Fahrerlaubnis und dann kann ein Auto auch nicht verkauft werden. Sollte ein Urteil eines deutschen Verwaltungsgerichts („Schleswig-Urteil“) in letzter Instanz bestätigt werden, könnten infolge dieses Musterurteils noch einmal 800.000 Diesel-Pkw in Österreich ihre Fahrbewilligung verlieren. Das sind im Wesentlichen Pkw, die zwischen 2010 und 2019 als Neufahrzeuge verkauft wurden.

Straffer Vollzug in Nordamerika, 
Totalversagen in Europa

Die Aufarbeitung des Diesel-Skandals ging in den USA und Kanada recht flott über die Bühne. Durch strenge Umweltschutzgesetze („US Clean Air Act“) und effiziente Sammelklagen musste Volkswagen zur Begleichung der Dieselschäden in den USA 23 Milliarden Euro auf den Tisch legen – für „nur“ 560.000 manipulierte Fahrzeuge. Diese Autos wurden rasch aus dem Verkehr gezogen oder deutlich verbessert. Bis spätestens 2020 bekamen die Kund:innen Ausgleichszahlungen zwischen 5.000 und 10.000 Dollar, selbst Leasingkund:innen und frühere Besitzer:innen wurden entschädigt.

Für den „Rest der Welt“ musste Volkswagen bisher nur zehn Milliarden Euro zahlen – für über zehn Millionen verkaufte Autos. Und in Europa? In Europa wurden die Käufer:innen von manipulierten Dieselautos mit Rückrufen abgespeist. Schadenersatzzahlungen oder echte Umrüstungen mit Hardware kamen nicht in Frage, weder vonseiten der Regierungen noch vonseiten der Autohersteller:innen. Regierungen und Behörden verzichteten darauf, diese zu bestrafen. Rückrufe sollten genügen, um die illegalen Abschalteinrichtungen zu entfernen und die Autos in einen legalen Zustand zu versetzen. Mit Kosten zwischen 70 und 200 Euro pro Auto waren diese Software-Updates eine wirtschaftlich günstige Lösung für die Industrie, abgastechnisch aber eine Augenauswischerei. In den meisten EU-Staaten zogen sich die Rückrufe schleppend dahin, die angekündigten Zeitpläne wurden bei weitem nicht eingehalten. 1,2 Millionen oder 15 Prozent der manipulierten Volkswagen der ersten Stunde (mit dem Motor EA 189) sind in ganz Europa noch unverändert im „Schmutzmodus“ unterwegs.

In Österreich bleiben bislang betroffene Diesel-Pkw-Besitzer:innen und die Umwelt auf der Strecke, weil es keine effektiven Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten gibt und die Behörden schlicht nur wegeschauen. Laut AK-Studie haben in Österreich rund 25.000 betroffene Pkw-Besitzer:innen geklagt, davon die meisten mit Hilfe des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag von AK und Sozialministerium. Demgegenüber stehen knapp 800.000 Auto, die rückgerufen werden mussten.

Hersteller:innen müssen für Schäden an Umwelt und gegenüber PKW-Besitzer:innen geradestehen 

Die Politik muss pro-aktiv eine Lösung vereinbaren, die das Umweltproblem und das Problem aus Verbraucher:innensicht zufriedenstellend löst. Dabei muss Österreich alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, auch gegenüber der deutschen Zulassungsbehörde. Konkret fordert die AK:

  • Österreich muss in einem ersten Schritt das unsinnige Software-Update von VW stoppen und bei der EU-Kommission ein Überprüfungsverfahren gemäß EU-Typgenehmigungsverfahren auch bei anderen Hersteller:innen einleiten. 
  • Eine Nachrüstung mit einer EU-konformen Abgasvorrichtung auf Kosten der Hersteller:innen ist bei vielen Autos die einzige sinnvolle Reparatur-Variante. Dort, wo dies technisch nicht geht, legt die Politik, etwa für Stilllegungen, Lösungen auf Kosten von Hersteller:innen fest.
  • Marktüberwachungsbehörden müssen Abgasüberprüfungen vornehmen und diese der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, damit Autohersteller:innen nicht auf Tauchstation gehen können.
  • Massenschäden brauchen passende Rechtsinstrumente, um ein Verfahren mit einer Vielzahl von Anspruchsinhaber:innen abzuwickeln. Die EU-Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher muss endlich umgesetzt werden. Hier ist Österreich längst in Verzug. 
  • Der größte Umweltskandal darf nicht ohne strafrechtliche Folgen bleiben. Die Behörden müssen Strafen gemäß Kraftfahrzeuggesetz verhängen.