Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Sollte Klima-Aktivismus weniger polarisieren und auf Aktionen wie Klebe-Blockaden verzichten?

Pro: Radikale Aktionen sind wichtig, aber sie sollen die Richtigen treffen.

Die Klimakrise betrifft alle, aber nicht alle gleich. Menschen mit großen Vermögen verbrauchen ein Vielfaches der Ressourcen und stoßen sehr viel mehr Treibhausgasemissionen aus, als Menschen mit niedrigen Einkommen. Die Menschen die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, leiden aber am meisten unter ihren Folgen. Auch deshalb müssen wir die Klimafrage als eine Klassenfrage verhandeln, als die soziale Frage unserer Zeit. Lange wurde die Klimafrage mit Individuallösungen wie Bambuszahnbürsten und Jutesackerln abgehandelt. Jetzt kleben sich Menschen auf die Straße um Einzelne zu blockieren, auch wenn sie dann gemeinsam im Stau stehen. Autofahrer:innen gegen Aktivist:innen schafft die falschen Kollektive, weil es der falsche Konflikt ist. Manche Arbeitnehmer:innen können vielleicht entscheiden, wo sie arbeiten und wie sie in die Arbeit kommen. Viele können das nicht. Die Klimaaktivist:innen können aus ihrer Position auch nicht entscheiden, dass nachhaltige Mobilität zur besten Alternative wird.  Beiden fehlt es an der nötigen Macht, über die Rahmenbedingungen ihres Lebens zu bestimmen. 

Wie kommen wir dazu, über diese Rahmenbedingungen zu bestimmen? Indem wir uns die richtigen Konflikte suchen. Radikale Aktionen sind wichtig, aber sie sollen die Richtigen treffen. Die Politiker:innen, die statt auf notwendigen Klimaschutzmaßnahmen auf ihre eigene Gehaltserhöhung gesetzt haben. Chefblockierer wie Harald Mahrer und die WKO, die den fossilen Energien den roten Teppich ausrollen. Und den Energiekonzernen, die unsere Rechnungen und unsere globalen Temperaturen nach oben treiben. Solange wir über Superkleber auf der Straße reden, schweigen wir über die Krisengewinner.

Con: Wohin haben uns Jahrzehnte geduldiger Aufklärungsarbeit gebracht? 

Alle Räder stehen still, wenn dein starker Kleber es will! Der morgendliche Autoverkehr in Städten gehört definitiv zu den Rädern unseres durchökonomisierten, fossil betriebenem Alltags, der längst wissenschaftlich zum Problem Nummer Eins im Kampf gegen den Klimawandel erklärt wurde. Auch wenn die Menschen an den Steuern nicht als Feinde taugen, eine Ermächtigung, die aus den längst zahnlos gewordenen Klimademos und -volksbegehren herausführt, ist das allemal. Dass der Name „Letzte Generation“ während der Protestwelle im Mai öfter in österreichischen Medien vorkam als „Karl 
Nehammer“ ist ein gewisser Erfolg – die Klimakatastrophe ist damit als Thema im öffentlichen Diskurs. Die Effizienz der Straßenblockaden lebt von der Aufregung, die sie erzeugen. Das geht auf Kosten sachlicher, nüchterner und vernünftiger Auseinandersetzung. Aber wohin haben uns Jahrzehnte geduldiger Aufklärungsarbeit gebracht? Und ist die drohende Zerstörung unserer Lebensgrundlage und die aktuelle Vernichtung von Existenzen überhaupt angenehm und unaufgeregt vermittelbar?

Außerdem, ist den Arbeiter:innen in den blockierten Autos wirklich damit geholfen, wenn sie zu ihrem Arbeitsplatz fahren dürfen? Mehr als ein Drittel dieser Arbeitsplätze lässt sich bei Einhaltung eines einigermaßen risikofreien Emissions-Reduktionspfads nicht dekarbonisieren. Glaubt man nicht an Wundertechnologien, steht die Wahl für jede:n Dritte:n zwischen Lebensgrundlage oder Arbeitsplatz. Wer nicht leben kann, kann auch nicht arbeiten. Ich frage mich: Wie kann das nicht polarisieren?