Interview: Wie den gerechten Übergang schaffen?
Welche konkreten Maßnahmen brauchen wir jetzt, um die Teuerung zu bekämpfen? Wir haben vor mehr als einem Jahr einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt, der im wesentlichen aus vier Punkten besteht: erstens ein Energiepreisdeckel für Strom, Gas und strombasierte Heizsysteme – finanziert durch eine Übergewinnsteuer im Energiesektor, zweitens ein vorübergehendes Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, drittens eine Mietpreisbremse und viertens eine Anti-Teuerungskommission plus Preisdatenbank für Preiskontrollen entlang der Wertschöpfungskette. Nur beim ersten Punkt, ist man mit der Strompreisbremse – viel zu spät – aktiv geworden; diese ist aber völlig unzureichend und die Übergewinnsteuer der Bundesregierung hebt viel zu wenig Übergewinne ein. Hätte die Regierung sofort unsere Vorschläge umgesetzt, wäre die Inflationsrate heute bedeutend geringer und die soziale Misere wäre nicht so dramatisch.
Lässt sich die Klimakrise bereits als Faktor für die zunehmende Inflation ausmachen? Wir kennen die zentralen Ursachen der derzeitigen Inflationsepisode: Unternehmen haben über die gestiegenen Kosten hinaus, die zu Beginn überwiegend energiegetrieben waren, die Preise erhöht – die Inflation ist also wesentlich gewinngetrieben. Aber die Klimakrise spielt auch eine Rolle – im Zuge von Dürre und extremen Wetterereignissen. Ein Beispiel: Derzeit bedroht eine neuerliche Dürrewelle in Taiwan die wasserintensive Chipproduktion – eine Verknappung treibt die Preise weltweit in die Höhe. Besonders die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte ist durch die steigenden Temperaturen in vielen Regionen gefährdet.
Fraglos sind die Menschen in Österreich bereits stark belastet, zugleich müsste aber auch eine Lenkung (z.B. CO2-Steuer) einsetzen, die den sozialökologischen Umbau befördert? Zu glauben, man könne die Transformation wesentlich über die Anhebung der CO2-Steuer schaffen – und das in einer Situation, wo viele unter nicht mehr leistbaren Energiekosten stöhnen – ist verfehlt und treibt die Menschen in die Arme von Klimaleugnern und deren politische Representant:innen. Die Transformation muss sozial gerecht – unter Mitwirkung der Beschäftigten – ausgestaltet sein. Wir haben im ÖGB dazu Konzepte ausgearbeitet.
Die Profitlogik des Kapitalismus lässt sich innerhalb der planetaren Grenzen nicht aufrechterhalten. Müsste der ÖGB deutlich machen, dass mit dem „Wachstumszwang“ auch die Lebensgrundlagen der Arbeitnehmer:innen in Gefahr gebracht werden? Wirtschaftswachstum kann kein Mittel zum Zweck sein. Auch in der Gewerkschaft gibt es eine Debatte, die stattdessen das menschliche Wohlbefinden als zentrales und übergeordnetes Ziel in den Fokus rücken möchte. Umgekehrt führen auch niedrigere oder negative Wachstumsraten nicht automatisch zu einem besseren Leben für alle. Wichtiger als die Frage, ob die Wirtschaft insgesamt schrumpfen oder wachsen soll, ist doch die Frage, was es braucht, um das Wohlbefinden der Menschen sicherzustellen. (z.B. Ausbau Pflege, Bildung). Und am wichtigsten ist es, darüber Klarheit zu bekommen, über welche organisatorischen und regulativen Rahmen ein gerechter Übergang – eine Just Transition gelingen kann. Kurz zusammengefasst „Change by design, not by disaster“