Interview: Keine Energiewende ohne leistungsfähige Netze

Warum ist das Stromnetz so wichtig für die Erreichung der Erneuerbaren-Energie-Ziele 2040? Der Erfolg jedes Windrads oder jeder PV-Anlage hängt von der Leistungsfähigkeit des Stromnetzes ab. Ein starkes Stromnetz ist die Voraussetzung für eine versorgungssichere, nachhaltige und leistbare Energiezukunft. Bis 2040 soll der gesamte Energieverbrauch Österreichs (rund 300 TWh) weitgehend mittels erneuerbaren Stroms gedeckt werden. Die heute noch von fossilen Energiequellen abhängigen Sektoren (Mobilität, Wärmesektor und Industrie) sollen mit erneuerbarem Strom vollständig dekarbonisiert werden. Sollten Kraftwerke und Stromnetze sowie Speicher nicht abgestimmt und zeitgleich realisiert werden, können PV-Anlagen, Windparks oder neue Verbraucher nicht an das bestehende, zu schwache Stromnetz angeschlossen werden oder müssen massive Einschränkungen hinnehmen.

Welche Hindernisse bestehen in Österreich beim Ausbau der Energienetze? Der Umbau des Energiesystems passiert derzeit mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Während die Genehmigungsverfahren für den Ausbau von Wind und PV zunehmend beschleunigt werden, mühen wir uns bei Leitungsprojekten durch langwierige UVP-Verfahren. Für den Netzausbau fehlt der gesellschaftliche Grundkonsens über die Notwendigkeit, die öffentliche Akzeptanz, sowie die ökonomische Attraktivität in das Stromnetz zu investieren. Ursache für die langen Verfahrensdauern sind fehlendes Personal der Behörden, Einsprüche der Projektgegner, ungenaue Gesetzeslagen und fehlende Grenzwerte. Das Umweltrecht fokussiert auf den Schutz und das Bewahren des Status Quo, vergisst aber, dass nur mit dem Verteidigen des Erreichten der Klimawandel nicht abgewehrt und die erneuerbare Energiezukunft nicht zu gewinnen sein wird.

Reicht der aktuelle Netzentwicklungsplan zur Lösung der Probleme aus? Leider nicht – wir arbeiten gerade an den Planungen für das „Stromnetz 2040“, welches in der Lage ist, 100 Prozent Erneuerbare zu integrieren. Der aktuelle Netzentwicklungsplan sieht vor, dass wir bis 2032 rund 3,5 Mrd. Euro in den Um- und Ausbau der Stromnetze investieren – allein 2023 sind es 490 Mio. Euro. Darüber hinaus braucht es eine digitale Transformation, um kleinteilige dezentrale Flexibilitäten über digitale Plattformen zu nutzen. 2030 ist jedoch nur ein Zwischenschritt. Wir gehen davon aus, dass sich die Investitionen in die Übertragungs- und Verteilnetze bis zur Klimaneutralität 2040 mehr als verdreifachen müssen. 

Was ist für eine bessere Koordinierung der Planung nötig? In Österreich fehlt für die Energiewende ein Gesamtplan, in dem alle gebietskörperschaftlichen Ebenen integriert sind. Nur gemeinsam werden wir die Mammutaufgabe Energiewende schaffen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass auch Industrie, Wirtschaft und insbesondere die Sozialpartner bei Entscheidungen integriert werden müssen. Wir verharren schon zu lange in der Debatte über das Richtige, ohne das Richtige zu tun. Bereits heute zahlen wir einen gewaltigen Preis des Zögerns, des Unterlassens bzw. der Angst vor Veränderung.