Wissenschaft: Mehr Gesundheitsschutz über den Wolken

Denkt man an Pilot*innen oder Flugbegleiter*innen, haben viele sofort eine romantische Vorstellung von diesem Berufsbild vor Augen. Doch das Bild trügt, denn die fliegende Berufsbranche ist längst nicht mehr so attraktiv wie man glaubt.

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Zum massiven Imagewandel haben nicht zuletzt die technischen Errungenschaften der Luftfahrtindustrie beigetragen: Immer längere Flüge mit immer mehr Menschen auf immer komprimierteren Platzverhältnissen rauben dem Fliegen an sich die letzte – aus Klimaschutzgründen ohnedies verfehlte – Romantik. Anders als die Flugzeuge ist der menschliche Körper nämlich nicht an das Zurücklegen extrem langer Wegstrecken in so kurzer Zeit und in unnatürlicher Haltung angepasst. Letztlich führt dies zu einer erheblichen dauerhaften körperlichen Belastung. Aber auch die psychische Belastung des fliegenden Personals ist gestiegen. So sieht sich dieses mit ständig steigenden Anforderungen unter sich verschlechternden Bedingungen konfrontiert. Mehr Fluggäste, Verspätungen, erhöhte Arbeitsanforderungen bei weniger Service für die Fluggäste aufgrund von Sparmaßnahmen uvm. führen zu Konflikten. In Tausenden Metern Flughöhe liegt es allein an der sozialen Kompetenz und Nervenstärke des fliegenden Personals, die Situation zu deeskalieren. Eine hohe Belastung auch für die Psyche des Personals.

Vielfältige gesundheitliche Belastungen 

Die Studienergebnisse zeigen, dass das Arbeiten an Bord eines Flugzeuges mit sehr speziellen gesundheitlichen Belastungen verbunden ist, die praktisch kaum in einem anderen Beruf eine Entsprechung finden. Die Palette reicht von Störungen der Chronobiologie durch oftmalige Zeitzonenwechsel, über Einwirkung von Höhen- bzw. ionisierender Strahlung, Lärm- und Innenraumluftbelastung in der Kabine, räumlich beengten sowie körperlich belastenden Arbeitsbedingungen bis zu steigendem Zeitdruck.

Zu den Krankheiten und Auswirkungen, die laut Studie entweder häufig auftreten oder besonders schwerwiegend sind, zählen Krebserkrankungen, Fehlgeburten, Schlafstörungen, Stress, Erschöpfung, erhöhtes Infektionsrisiko und Beschwerden des Bewegungsapparates.

Das Krebsrisiko ist allein bei den Flugbegleiter*innen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um ca. 10 Prozent erhöht. Besonders das Risiko an Brustkrebs sowie Hautkrebs zu erkranken, ist um etwa 40 bis 100 Prozent erhöht. Die Störung des Tagesrhythmus wird nicht nur im Zusammenhang mit dem Krebsrisiko thematisiert, sondern spielt wahrscheinlich auch eine Rolle bei einem deutlich erhöhten Risiko für Fehlgeburten. Sie bewirkt zudem Schlafstörungen, die sich ihrerseits negativ auf Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden auswirken und den Stress verstärken, der sich bereits aus dem sozial anspruchsvollen Aufgabenbereich ergibt. 

Die Studie weist des Weiteren auf ein erhöhtes Infektionsrisiko für Flugbegleiter*innen hin. Andere Studien zeigen eine allgemein hohe Prävalenz für Beschwerden des Bewegungsapparates. Probleme der Füße und Fußgelenke, des Lendenbereichs, des Nackens und der Schultern sind 
als häufigste genannte Beschwerden zu finden. Ein Faktor für Beschwerden im Muskel- und Skelettbereich ist unter anderem das wiederholte Heben schwerer Koffer etc., oft verbunden mit dafür ungeeigneten Körperhaltungen oder Drehbewegungen.

Die Lärmexposition aufgrund der Arbeit an Bord stellt einen zusätzlichen ernst zu nehmenden Belastungsfaktor dar. Dieser kann ua. zu physiologischem Stress, erhöhtem Blutdruck und verminderter Leistungsfähigkeit führen. Dauerlärm ist außerdem mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden, aber auch mit immunologischen Effekten und Stoffwechselproblemen. Seit etlichen Jahren diskutiert werden auch „Fume and Smell Events“ und das sogenannte aero­toxische Syndrom, das zum Teil auf Chemikalien in Triebwerksölen zurückgeführt wird.

Auch wenn einzelne Einwirkungen (z.B. kosmische Strahlung, Zeitzonenübertritte und deren chronobiologischen Folgen) nicht verändert werden können, so kann eine Minimierung der Belastungen und somit auch der gesundheitlichen Auswirkungen erzielt werden. Diese reichen von organisatorischen Maßnahmen zur Dosisreduktion insbesondere betreffend Flugdauer, -frequenz, Flughöhe und -route, über strenge Sicherheitsvorschriften hinsichtlich der Kabinenluftqualität und der Berücksichtigung der beengten Raumverhältnisse bei der ergonomischen Gestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsmittel, bis zum Sichtbarmachen dieser Berufsgruppen als besonders schutzbedürftige Personengruppe aufgrund der besonderen Gegebenheiten. Die Gesetzgebung ist aufgefordert diese Verbesserungsmöglichkeiten umzusetzen.

Damit die wachsenden Belastungen nicht zu weiteren Erkrankungen führen, muss viel mehr für die Prävention getan werden, denn eine – auch notwendige – Anerkennung als Berufskrankheit kann nur der letzte Schritt sein. 

Link zur Studie