Kontroverse: Lieferkettengesetz für mehr Menschenrechte?
Pro: Es braucht ein starkes Lieferkettengesetz, damit Unternehmen Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer Wertschöpfungsketten achten.
Hinter vielen Produkten, die wir konsumieren, stecken menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Kinder müssen auf Kakaoplantagen in Westafrika oder im Bergbau in Südamerika schuften, damit Unternehmen Schokolade oder Handys möglichst billig produzieren können.
Eine EU-Studie zeigt, dass sich zwei Drittel der Unternehmen gar nicht mit der Frage auseinandersetzen, wie die Rohstoffe hergestellt werden, die sie beziehen. Und bei jenen Unternehmen, die freiwillige Selbstverpflichtungen eingehen, endet die Sorgfalt meist bei den direkten Vertragspartnern in Europa und reicht nicht dorthin, wo die Verletzungen am öftesten passieren: nämlich am Anfang der Lieferkette.
Die EU hat erkannt, dass dringender Handlungsbedarf herrscht und wird noch heuer einen Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz vorlegen. Was es braucht? Verbindliche Sorgfaltspflichten sowie starke Durchsetzungsmechanismen, wenn diese Sorgfaltspflichten verletzt werden.
Die Mehrkosten für Unternehmen sind dabei äußerst überschaubar: 0,005 Prozent des Jahresumsatzes bei großen Unternehmen bzw. 0,07 Prozent bei KMUs. Trotzdem wird hinter den Kulissen von der Wirtschaftsseite bereits jetzt heftig lobbyiert, um das ambitionierte Vorhaben zu verwässern. Argumentiert wird dabei mit Rechtsunsicherheit und überbordender Bürokratie. Fakt ist: Kinder- und Zwangsarbeit dürfen nicht mehr Teil von Geschäftsmodellen sein.
Ohne Wenn und Aber.
Con: Unternehmen sind Verbündete, um Menschenrechte effektiv zu schützen.
Spätestens seit dem Unglück von Rana Plaza hat der Druck zugenommen, Unternehmen zu verpflichten, die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette zu kontrollieren. Weniger oft wird darüber berichtet, wie viele Fortschritte es im Umgang mit Menschenrechtsrisiken schon gibt. Für viele global tätige Unternehmen ist eine Due Diligence auch ohne Gesetz gelebte Praxis. Wenn es darum geht, die Menschenrechtssituation überall auf der Welt zu verbessern, dann ist die Regulierung von Unternehmen via Lieferkettengesetz aber sicherlich nicht der effektivste Weg.
Denn: Staaten müssen Menschenrechte gewährleisten, das kann nicht auf Unternehmen übertragen werden. Menschenrechtsverletzungen passieren dort, wo schwache Staaten Sanktionen nicht durchsetzen. Statt Unternehmen zu verpflichten, müssen Rechtssysteme gestärkt werden. Und: Unternehmen können vor allem dort Wirkung entfalten, wo sie in direkten Geschäftsbeziehungen stehen. Eine Kontrollverpflichtung bis in die letzte Lieferkettenebene bei tausenden Zulieferern, Sublieferanten und Vorprodukten ist nicht umsetzbar.
Grundsätzlich gilt: Risikomanagement und die Verantwortung von Unternehmen für die Folgen ihrer Geschäftstätigkeit sind wichtig! Wichtig ist aber auch Unternehmen als Verbündete zu erkennen, um Menschenrechte effektiv zu schützen, anstatt sie unter Generalverdacht zu stellen. Abgesehen davon: Ein nationales Lieferkettengesetz in Österreich ist aufgrund einer baldigen EU-Regelung nicht zielführend.