Betrieb

Elektrifizierte Schwerathleten

Das herkömmliche Bild von der Obersteiermark ist immer noch stark geprägt von alten Industrien und schmerzvollen Anpassungsprozessen in einer strukturschwachen Region. Ganz besonders trifft dies auf die Gemeinde Eisenerz zu, die einen massiven Rückgang ihrer Bevölkerung in den letzten beiden Jahrzehnten verzeichnen musste. Ursächlich hängt das mit dem Bergbau zusammen. Auf der größten Sideritlagerstätte der Welt arbeiteten zur „besten Zeit“ (1963) 4.500 Menschen, heute zählt sie hingegen nur mehr 230 Beschäftigte. Um die Jahrtausendwende wurde sogar eine Betriebsschließung überlegt. Engagierte Mitarbeiter*innen und innovative Konzepte konnten dies jedoch auf­halten. Auf einschlägigen Veranstaltungen wird heute die VA Erzberg GmbH sogar als Beispiel für eine gelungene Dekarbonisierung präsentiert und prämiert. Doch der Reihe nach.

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Bergauf nur mehr mit Strom

Am Erzberg müssen jährlich 12 Millionen Tonnen Abraummaterial von den Abbaustellen am Erzberg zu den Förder-und Brechanlagen befördert werden. Daraus werden drei Millionen Tonnen Eisenerz gewonnen und mit der Schiene nach Donawitz und Linz gebracht. Der Rest wird am Erzberg wieder aufgeschüttet. Diese gigantischen Mengen werden auf dem unwegsamen Gelände von schweren Muldenkippern befördert. Diese Schwerlastkraftwagen (SLkw), von den Bergleuten auch liebevoll „Hauly“ genannt, bekämen alleine schon aufgrund ihrer Dimensionen keine Zulassung für den Straßenverkehr. Ein Motor mit 1216 PS muss das Fahrzeug der Fima Liebherr Mining Equipement mit einem Eigengewicht von 80 Tonnen und einer Nettonutzlast von 100 Tonnen antreiben.  

In Zukunft sind aufgrund geologischer Gegebenheiten sogar noch längere Transportwege am Erzberg notwendig. Gleichzeitig soll aber noch produktiver gewirtschaftet werden. Deshalb hat die VA Erzberg GmbH völlig umgedacht: Die „Haulys“ sollen fortan bei Bergauffahrten nur noch elektrisch betrieben werden, weil hier der Dieselverbrauch enorm ist. Der Strom soll dabei, wie bei einem Trolley-Bus, aus der Oberleitung kommen, damit der dieselmotorbetriebene Generator im Hauly abgeschaltet werden kann. Für diese Weltneuheit im Bergbau werden die „Haulys“ mit einem Stromabnehmer umgerüstet, der den Strom für die Elektromotoren bei jeder Radnabe an der Hinterachse bereitstellt. Seit September 2020 läuft der Feldversuch für diese Weltneuheit im Bergbauwesen. Läuft alles nach Plan, werden im August dieses Jahres die Riesen-Lkw auf Rampen mit einer 4 km langen Oberleitung den Betrieb aufnehmen. 

Bergab geht es (noch) mit Diesel weiter

Nicht ohne Stolz verweist der Projektleiter, Peter Schimek, auf die Errungenschaften des Projektes. Mit der Elektrifizierung der Riesen-Lkw werden jährlich 3 Millionen Diesel oder 4.200 Tonnen CO2 für das Klima eingespart. Für eine verbesserte Luft für die Beschäftigten werden jährlich auch 12 Tonnen Stickoxide und 300 kg krebserzeugenden Dieselruß reduziert. Besonders lärmintensive Bergauffahrten werden künftig für die Anrainer*innen wesentlich leiser sein. Leider bleibt bei Bergabfahrten der dieselbetriebene Generator weiter im Einsatz, weil fehlender Platz am Fahrzeug für die Batterien die Ausnützung der Bremsenergie (derzeit noch) verunmöglicht. 

Das Projekt ist aber nicht nur für die Gesundheit der Menschen und die Umwelt eine Wohltat, sondern steigert auch die Produktivität enorm. Höhere Nennleistungen der „Haulys“ ermöglichen höhere Geschwindigkeiten bei Bergauffahrten, die 5.000 Betriebsstunden jährlich einsparen werden. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf rund 
20 Millionen Euro, die aber schon in acht Jahren amortisiert sein werden. Vor diesem Hintergrund möchte auch der Betriebsratsvorsitzende Bernhard Rothleitner die Unternehmensphilosophie verankert sehen. „Wirtschaftlichkeit und Dekarbonisierung müssen gemeinsam vorangetrieben werden, damit das Unternehmen weiterhin seine Verantwortung für die Region wahrnehmen kann“, betont er im Rückblick auf die wechselvolle Geschichte seines Unternehmens in den letzten Jahrzehnten.

Die Umweltperformance seines Unternehmens will Christian Treml, Geschäftsführer für Finanzen, trotzdem nicht mit Umweltzertifizierungen (ISO, EMAS, etc.) und Hochglanz-Broschüren, sondern in kleinen konkreten Schritten verbessern. Dazu zählen die thermische Fassadensanierung von Büros und Werkstätten sowie die Errichtung eines Kleinwasserkraftwerkes zur Stromgewinnung. Ganz bodenständig wird auch weiterhin auf die „soziale Abbaulizenz eines Bergbauunternehmens“ gesetzt, weil ein Betrieb auf Dauer die Anliegen der Menschen in seiner Umgebung nicht ignorieren kann. Klagen der Anrainerbevölkerung z.B. bei zu lauten Sprengungen werden vom Management durchaus ernst genommen. Die ohnehin hohe Identifikation der Menschen in der Region mit diesem Betrieb gibt es deshalb, weil rund 90 Prozent aller Beschäftigen aus Eisenerz und den Nachbargemeinden kommen. Im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit hat sich in den letzten Jahren darüber hinaus die „Erlebniswelt Schaubergwerk“, die in die untertägige Arbeitswelt im Berginneren einführt, etabliert. Ebenso fixer Bestandteil ist das „Erzberg Rodeo“, ein jährlich im Mai oder Juni stattfindendes Enduro-Motorradrennen.

Die VA Erzberg GmbH hat den letzten Rohstoffboom um die Jahrtausendwende für den Fortbestand des Betriebs nützen können. Bei den derzeitigen  Abbaumengen ist der Erzberg in 30 Jahren aber endgültig „ausgeerzt“.