Leben

Gesundheitsinformation To Go Nutri-Score auf Lebensmitteln

Fehl- und Überernährung gehören zu den häufigsten Gesundheitsgefahren unserer Zeit. Bei acht der zehn häufigsten Erkrankungen in den OECD Ländern spielt die Ernährung eine Rolle und sie ist der mit Abstand stärkste Einzelrisikofaktor für die Entwicklung vieler Leiden. Bei Kindern ist Übergewicht das häufigste Gesundheitsproblem. Tendenz steigend. Das verschlechtert ihre Chancen im Leben und trifft jene besonders hart, die es ohnedies schwerer haben. Benachteiligte Gruppen sind deutlich öfter übergewichtig oder adipös. Corona verstärkt diesen Effekt noch. In Österreich ist jeder zweite Mann, jede dritte Frau, jeder vierte Jugendliche und jedes fünfte Kind betroffen. 

Die gesündere Wahl beim Essen und Trinken zu erleichtern, ist daher eine dringende gesundheitspolitische Aufgabe, ist überdies ein Slogan der WHO und auch in den österreichischen Gesundheitszielen verankert. Gefordert ist eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung, die eine gute Wahl beim Kauf ermöglicht. Außerdem sind Rezepturänderungen erwünscht, die das Angebot insgesamt verbessern. Seit über 15 Jahren werden daher Nährwertsymbole auf der Verpackungsfront von Lebensmitteln (FOPNL – Front of Pack Nutrition Labelling) diskutiert und auch von mehreren Ländern bereits eingeführt (z.B. Ampel in Großbritannien, Nutri-Score in Frankreich, Keyhole in Schweden). In der EU Farm to Fork Strategie ist ein Vorschlag für ein harmonisiertes FOPNL vorgesehen. Zur Roadmap „Future Revision on Food Labelling Provisions“ sind über 470 Beiträge eingegangen. Kritisch zum FOPNL äußern sich die Lebensmittelindustrie (mit Ausnahmen) und Interessensvertretungen der Wirtschaft und der Landwirtschaft. Gesundheits- und Konsument*innenschutzorganisationen befürworten eine einheitliche FOPNL, wissenschaftlich fundiert, leicht verständlich, wertend (z.B. farblich) und verpflichtend auf allen Lebensmitteln.

Von den derzeitigen Systemen hat sich der Nutri-Score in mehreren Untersuchungen als das Modell herausgestellt, das von Konsument*innen am besten verstanden wird. Er wird in acht europäischen Ländern als nationales freiwilliges System verwendet und von allen europäischen Konsumentenschutzorganisationen befürwortet. 

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Was ist der Nutri-Score?

Der Nutri-Score ist eine Farb-Buchstaben-Kombination, ähnlich der Energiekennzeichnung bei Elektrogeräten. Auf einen Blick ist der Ernährungswert eines Produktes auch ohne Lesebrille erkennbar. Der Nutri-Score übersetzt die Nährwerttabelle und die Zutatenliste in ein Symbol auf der Vorderseite, das in stressigen Einkaufssituationen ein bisschen Stress nimmt. Bewertet werden die kritischen und die guten Inhaltsstoffe. Je mehr Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren und Salz vorhanden sind, umso mehr Punkte bekommt das Produkt. Ballaststoffe, gute Öle, Nüsse, Hülsenfrüchte, Eiweiß, Obst und Gemüse verringern die Punkte. Die Gesamtpunkte bestimmen die Zuordnung zu A bis E. Die Farbe je Buchstabe ist immer gleich, vom grünen A bis zum roten E. Die Kombination wurde gewählt, um alle Menschen anzusprechen. Manche Personen können leichter mit Buchstaben umgehen, andere mit Farben. Für Menschen mit Schwierigkeiten im Farbensehen sind die Buchstaben besonders wichtig. 

Der Vergleich macht sicher

Der Nutri-Score bezieht sich auf 100 Gramm Lebensmittel. Ein Portionenschummeln ist nicht möglich. Eine gezuckerte Limo bekommt ein rotes E, egal ob der Hersteller die ganze oder die halbe Flasche als Portion definiert. Die Konsummenge spielt dennoch eine Rolle. Von Lebensmitteln mit A und B kann man mehr konsumieren, von D oder E sollte es weniger sein. So bleibt die Ernährung als Ganzes ausgewogen und Vergleiche sind einfach und rasch möglich, zum Beispiel bei Joghurts, im Keksregal oder für den kleinen Hunger zwischendurch. Wenig Sinn macht es, nicht vergleichbare Produkte zu vergleichen, zum Beispiel Olivenöl und Eis.

Öffentlich entwickelt, gratis verfügbar, Weiterentwicklung von Modell und Markt

Entwickelt wurde der Nutri-Score von französischen Wissenschaftler*innen zusammen mit dem französischen Gesundheitsministerium. Ziel war, die bereits 2006 in UK eingeführte Ampel in ein System zu überführen, das über die alleinige Bewertung von Zucker, Fett und Salz hinausgeht. Der Nutri-Score und die dahinterliegenden Berechnungen „gehören“ dem französischen Gesundheitsministerium, das Lizenzen zur Nutzung gratis vergibt. Es ist sichergestellt, dass das Modell regelmäßig evaluiert wird. Unternehmen, die den Nutri-Score nutzen, müssen sich verpflichten, ihr ganzes Sortiment zu kennzeichnen. So verbessert sich unter Umständen schrittweise der gesamte Markt. Denn Unternehmen mit „grenzwertigen“ Produkten werden hoffentlich viel daran setzen, Rezepturen zu ändern, um in die nächstbessere Kategorie zu kommen. 

Neu kennzeichnen – auch in Österreich

Bis es auf EU-Ebene zu einer Vorgabe kommt, vergeht noch viel Zeit. Daher haben etliche Länder gehandelt und den Nutri-Score im nationalen Rechtsbestand verankert. Zuletzt Deutschland. Österreich fehlt bisher. Es wäre im Sinne der Rechtssicherheit, der Konsument*innen und auch weil Corona Übergewicht zusätzlich gefördert hat, dringend nötig, dass der Nutri-Score auch in Österreich als nationales System rechtlich etabliert wird. Freiwillig, aber verlässlich. Mehr gibt das EU-Recht im Moment nicht her. Handeln statt Warten ist – wie beim Klima – auch hier erstes Gebot der Stunde.