Betrieb

Tesla in Grünheide: Kampf um Anerkennung und Tarifvertrag

Tesla kann seine Versprechen nicht halten, ist selbst in die Krise gerutscht und stößt auf Widerstände. Die Gewerkschaft bemüht sich um Schadensbegrenzung, kann aber dem Dilemma nicht entkommen: Einerseits sind Mitglieder der Gewerkschaft bei Tesla beschäftigt, deren Arbeitsbedingungen verbessert gehören. Andererseits üben die Überkapazitäten und die Ankündigung hoher Produktivität starken Druck auf die Bedingungen in den anderen Betrieben aus.

Billiger statt besser

„Schneller, besser und billiger“ – so tönte Musk bei der Eröffnung der „Gigafactory“ in Grünheide. Eine Million Autos pro Jahr, jedes in nur zehn Stunden gebaut – lautete die großspurige Ankündigung. Heute arbeiten in Grünheide etwas mehr als 12.000 Personen und im Jahr 2023 wurden rund 200.000 Autos gebaut. Zum Vergleich: Bei VW in Wolfsburg arbeiten etwa 23.000 Personen in der Produktion und es wurden 490.000 Autos gebaut. Das sind 21 Fahrzeuge pro Person und Jahr, in Grünheide sind es lediglich 16 Fahrzeuge. Besser oder wirtschaftlicher ist bei Tesla nichts, nur billiger. Strikt untersagt Musk seinen Managern Verhandlungen mit der Gewerkschaft, um Tarifverträge abzuschließen. Seit dem 27. Oktober 2023 streiken die Mitglieder der schwedischen IF Metall in den dortigen Servicestellen und Werkstätten von Tesla. Die Arbeiter:innen brauchen einen Tarifvertrag, um angemessene Entgelte, Renten und Versicherungen zu bekommen. Um den Streik zu brechen, setzt Tesla sogar ausländische Streikbrecher:innen ein. Einen größeren Widerhall findet der andauernde Streik in der europäischen Öffentlichkeit leider nicht.

In Grünheide wurde bisher noch nicht einmal die Hälfte der Absatzziele erreicht. Die Presse spricht von einem Schock für die Autoindustrie: „Der erfolgreichste Hersteller von Elektroautos“ entlässt mehr als zehn Prozent der Belegschaft, so die deutsche Tageszeitung Handelsblatt. Weil die Verkäufe zuletzt deutlich schlechter liefen als erwartet, verlieren Tausende ihren Job – auch in Deutschland.

Ein Etappensieg für die IG Metall

Im April 2024 konnte die IG Metall bei Tesla erstmals mit einer gewerkschaftlichen Liste zur Betriebsratswahl antreten und wurde aus dem Stand mit fast 40 Prozent stärkste Liste. Außerdem wurden 16 der 39 Betriebsratsmandate gewonnen. Da die anderen Listen unternehmensnah sind und gegen die IG Metall „koalieren“, reicht das jedoch nicht, um den Betriebsratsvorsitz zu stellen. Im Vorfeld hatte die IG Metall eine Informations- und Organizing-Kampagne gestartet und viele Gespräche vor dem Werkstor geführt, vor allem um die Arbeitsbedingungen und die Unfallhäufigkeit zu kritisieren. Wie schwierig die Ausgangslage war, berichtet ein Kollege aus der Unterstützungsgruppe: „Elon Musk und das Management haben einen unglaublichen Druck auf Beschäftigte und am allermeisten auf IG Metall-Aktive ausgeübt. Es gehört viel Mut dazu, in diesem Klima dennoch mit der Gewerkschaft Arbeitnehmerrechte einzufordern. Kaum jemand, der weiß, wie brachial die Unternehmensleitung versucht hat, die IG Metall ins Abseits zu drängen, hätten dieses Ergebnis erwartet. Unsere Kolleginnen und Kollegen bei Tesla lassen sich nicht unterkriegen.“ Wenige Tage vor der Betriebsratswahl brannte ein Strommast in der Region, wovon auch das Werk in Grünheide betroffen war. Elon Musk nutzte die Gelegenheit und reiste nach Grünheide, sprach unter dem Jubel seiner Claqueure, warnte vor Tarifverträgen und vor einer „externen Instanz, deren Interessen vielleicht nicht mit denen von Tesla übereinstimmen“.

Mitbestimmung statt autoritärem Gehabe

Der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) berichtet über eine Schweigeverpflichtung (Non Disclosure Agreement, NDA), die die Arbeiter:innen unterschreiben müssen. Der Arbeitsvertrag definiert, was die Mitarbeiter:innen zu tun haben, wenn Gerichte oder die Polizei sie zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen verpflichten. Angestellte müssen dies „soweit rechtlich zulässig“ sofort mitteilen, damit das Unternehmen „rechtliche Maßnahmen zur Unterbindung der Offenlegung einleiten kann“. Weiter heißt es: „In jedem Fall muss der/die Mitarbeiter:in alle vernünftigen Schritte unternehmen, um die Offenlegung der Informationen im größtmöglichen Umfang zu verhindern oder zu beschränken.“

Charakteristisch für Elon Musk ist seine Unterstützung autoritärer und faschistischer Gruppen und Personen. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) berichtet in ihrem Magazin über die Unterstützung für die AfD und den Thüringer Nazi Bernd Höcke. (Anmerkung der Redaktion: Laut Staatsanwaltschaft Frankfurt ist die Bezeichnung „Nazi“ für den AfD-Fraktionsvorsitzenden Höcke „ein an Tatsachen anknüpfendes Werturteil“ und wird damit von der Meinungsfreiheit gedeckt.) Bereits im September 2023 hatte Musk einen Wahlaufruf für die AfD geteilt und geschrieben, er „hoffe, dass die AfD die Wahl gewinnt“.

Über die Folgen der Gewinnung von Lithium für Tesla und anderer Hersteller von E-Autos hat Nina Schlosser kürzlich in dem Magazin Arbeit und Wirtschaft berichtet. Der Raubbau an Rohstoffen für E-Autos widerspricht den Rechten der Menschen auf Überleben und für ein gutes Leben in den Abbaugebieten Chiles und Boliviens. Die Sole-Extraktion führt zum Absinken des Grundwasserspiegels und zur Versalzung der wenigen Reserven. Der Anbau von Getreide und Gemüse, die Haltung von Lamas, Alpakas und Schafen wird damit unmöglich. In ihren Naturbeherrschungsphantasien interessiert das jedoch weder Elon Musk noch die Damen und Herren des Porsche-Piëch-Clans.

Das Ergebnis der Betriebsratswahl ist nun Ausgangspunkt für den Kampf um geregelte Schichtzeiten, für längere Arbeitstakte und angemessene Pausen am Band, gegen Lohnabzug bei Krankheit und für besseren Gesundheitsschutz, für Meinungsfreiheit statt Druck und schließlich für Mitbestimmung und einen Tarifvertrag mit höherem Entgelt, kürzerer Arbeitszeit und mehr Urlaub – wie er in anderen Autofabriken längst erkämpft wurde. Die Kolleg:innen bei Tesla lassen sich nicht unterkriegen. Die vielfältigen Vorleistungen des Staates an den US-Konzern müssen mit Mindeststandards bei Mitbestimmung und Tarifverträgen verbunden und in Anteile an der Fabrik umgewandelt werden – dann gäbe es auch bessere Voraussetzungen für eine Zukunftssicherung durch Produktkonversion hin zu weniger Ressourcenverbrauch und nachhaltigen öffentlichen Verkehrsmitteln.