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Klimapolitik

Klimaschutz: Schleichen um den immer heißeren Brei

Immer öfter begegnen wir heute Ausdrücken wie „Klimaerhitzung“ oder „Klimakrise“. Wer sie verwendet, will darauf hinweisen, dass die Situation dramatischer ist, als Begriffe wie „Globale Erwärmung“ oder „Klimawandel“ es ausdrücken. Es sei dahingestellt, ob eine Änderung im Vokabular auch eine Änderung im Handeln nach sich zieht. Aber die letzten Sommer haben gezeigt, dass die Folgen der Veränderung des Klimas stellenweise einschneidend sind. 

Auch wenn es weiterhin problematisch ist, einzelne Wetterereignisse auf die Veränderung des Klimas zurückzuführen, zeigen die Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) den generellen Trend: Die Temperatur steigt wegen menschlicher Tätigkeiten: Verbrennung fossiler Energieträger wie Erdöl, Erdgas und Kohle, aber auch Landwirtschaft, Rodung von Wäldern, um die wichtigsten zu nennen.

Um das immer weitere Ansteigen der globalen Durchschnittstemperatur – derzeit etwa 0,2 °C alle zehn Jahre – einzudämmen, braucht es rasche und wirksame Maßnahmen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll es gelingen, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als gleichzeitig gebunden werden (Netto Null Emissionen). Alle Staaten haben Pläne vorgelegt, welche Maßnahmen sie setzen, um diese Ziele zu erreichen – die sogenannten NDC (Nationally Determined Contributions, etwa „national festgelegte Beiträge“). 

Abkommen von Paris

Um das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten, das in Paris vereinbart wurde, sind diese geplanten Maßnahmen aber nicht genug. Im günstigsten Fall reichen sie derzeit aus, um die Temperaturerhöhung unter drei Grad zu halten. Daher sind noch weiterreichende Zielsetzungen notwendig, als die Staaten derzeit zugesagt haben. 

Gerade in dieser Situation ist es besorgniserregend, dass einige große Länder den internationalen Klimaverhandlungen den Rücken zuwenden. So haben die USA – nach China der größte Emittent an Treibhausgasen – angekündigt, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen, und auch Brasilien – bei den Emissionen an siebenter Stelle – hat unter dem neuen Präsidenten eine Kehrtwendung im Klimaschutz vollzogen. 

Denn die zunehmende Polarisierung und das Erstarken populistischer und reaktionärer Kräfte lässt auch in der EU eine Schwächung der Klimapolitik befürchten. Beim Europäischen Rat im Juni – dem ersten nach den Wahlen zum Europäischen Parlament – ging es unter anderem um diese langfristige Ausrichtung. Die Präsidentschaft hatte in den Schlussfolgerungen die Formulierung vorgeschlagen, dass „die EU bis 2050 Klimaneutralität im Einklang mit dem Abkommen von Paris“ anstrebt. 

Doch vier Mitgliedstaaten – Estland, Tschechien, Polen und Ungarn – sperrten sich dagegen, dass das Jahr 2050 genannt wird. Was blieb, ist nur eine Fußnote: „Für eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten muss die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden.“

Rückenwind, Gegenwind

Die Wahl zum Europäischen Parlament hat aber nicht nur die reaktionären Kräfte gestärkt. Auch grüne und linke Positionen haben auf Kosten der traditionellen Parteien an Gewicht gewonnen. Die designierte Kommissionspräsidentin, die deutschen CDU-Politikerin Ursula von der Leyen bemühte sich, mit weitgehenden Zusagen zur künftigen Klimapolitik die fortschrittlichen Fraktionen für sich zu gewinnen. Sie kündigte eine Verschärfung der Klimaziele für 2030 an, nämlich eine Reduktion der Emissionen um 50 Prozent gegenüber 1990 statt wie bisher 40 Prozent. Für 2050 will sie das Ziel einer klimaneutralen Union rechtlich verankern.

Eine Verschärfung der Ziele bis 2030 wird auch mehr Anstrengungen für die Mitgliedstaaten bedeuten. Während große Industrieanlagen – etwa Stahl-, Zement- und Papierfabriken – sowie kalorische Kraftwerke ihre Emissionen im gemeinsamen System des EU-Emissionshandels verringern, sind die Mitgliedstaaten für die Schritte verantwortlich, mit denen Klimaschutz in den anderen Sektoren umgesetzt wird: im Verkehr, bei Raumwärme und Kleinverbrauch, in der Landwirtschaft, in der Abfallwirtschaft und bei bestimmten technischen Gasen. 

Strengere Ziele für 2030?

In diesem Bereich ist Österreich verpflichtet, den Ausstoß an Treibhausgasen um 36 Prozent gegenüber dem Wert von 2005 zu verringern. Wenn die Schraube etwas angezogen wird, müssen die Emissionen in Österreich bis 2030 vielleicht sogar halbiert werden. 

So oder so bedeutet das eine gewaltige Anstrengung. Viel ambitioniertere Projekte sind nötig, denn bisher ist in der Klimapolitik nur weniges umgesetzt worden, was nicht ohnehin geschehen wäre. Die Verbesserung der Wärmedämmung bei Gebäuden, die seit den 1980er-Jahren zu beobachten ist, geht zum Teil auf den Gedanken des Energiesparens zurück, der älter ist als der Klimaschutz. Es gibt einige Verbesserungen bei umweltfreundlichen Verkehrsträgern, etwa große Ausbauprogramme bei der Bahn oder Ausdehnung der Radwege; aber alle Einsparungen dort wurden durch eine Zunahme im Autoverkehr und im Straßengüterverkehr mehr als aufgehoben. So ist der Verkehr der Bereich, dessen Emissionen seit 1990 am stärksten zugelegt haben – um 72 Prozent. 

Je länger nur geredet wird, desto drastischer werden die Einschnitte später sein müssen. Oder Österreich riskiert Strafzahlungen in Milliardenhöhe bzw. den ebenso teuren Nachkauf von Emissionsrechten. Das zuständige Ministerium schätzt die Kosten dafür auf 6,6 Milliarden Euro. Doch dieses Geld wäre doppelt verloren: erstens schafft es keine Wertschöpfung in Österreich, zweitens muss trotzdem viel Geld in die Hand genommen werden, um die längerfristigen Emissionsminderungen zu erreichen.

Ein Klimainvestitionspaket

Deshalb ist ein Klimainvestitionspaket das Gebot der Stunde: Statt Strafzahlungen zu riskieren, soll frühzeitig investiert werden, damit Österreich rasch auf einen Pfad einschwenkt, auf dem nicht nur die Klimaziele 2030 erreicht werden können, sondern der zur notwendigen Klimaneutralität bis 2050 führt. Die AK schlägt dazu ein Klimainvestitionspaket vor, mit dem jährlich zusätzlich eine Milliarde Euro in langfristig wirkende Maßnahmen investiert wird (siehe Grafik unten).

Daneben braucht es aber auch andere Instrumente. So kann eine sozial gerechte Energiewende nur gelingen, wenn Energiearmut entschlossen bekämpft wird. Hier kann und muss das neue Energieeffizienzgesetz dringend Verbesserungen schaffen. Und es muss Schluss sein mit der Schieflage, dass die Haushalte nur ein Fünftel des Stroms verbrauchen, aber mehr als die Hälfte der Netzkosten und der Ökostromkosten zahlen.

Die Klimawende wird aber nicht gelingen, wenn es nicht auch Ge- und Verbote gibt. Gerade im Verkehr ergänzen diese den Ausbau der Öffis: So sind Tempolimits einzuführen und zu kontrollieren; in der Citylogistik braucht es absehbar Fahrverbote für Lieferfahrzeuge mit Verbrennungsmotor; Betriebe sollen zu Mobilitätsmanagement verpflichtet werden. Kurz: Wo der öffentliche Verkehr gut ausgebaut ist, muss der Individualverkehr zurückgedrängt werden. 

Dazu sind auch mutige Schritte in der Raumplanung nötig – und eine verbesserte Koordination über Gemeinde- und Ländergrenzen hinweg. Die Widmung eines Einkaufszentrums auf der grünen Wiese muss der Vergangenheit angehören. Weiters sollen bestimmte thermische Sanierungsmaßnahmen, z.B. die Dämmung der obersten Geschoßdecke, verpflichtend werden – vergleichbar mit Deutschland, wo es derartige Verpflichtungen schon gibt.

CO2-Steuer – eine Lösung für alles?

Manche wollen alle Klimaprobleme mit CO2-Steuern lösen. Doch dabei tun sich schwierige Verteilungsprobleme auf. Steuervorschläge müssen immer gemeinsam mit den flankierenden Maßnahmen diskutiert werden. In vielen Fällen sind Steueränderungen nur sinnvoll, wenn sie auf EU-Ebene umgesetzt werden. 

Unter Verteilungsgesichtspunkten unproblematisch ist die Forderung, dass Flugtreibstoff (Kerosin) endlich auch besteuert werden soll. Eine Europäische Bürgerinitiative (ECI) hat sich dieser Forderung verschrieben. Die immer noch bestehende Steuerausnahme für Kerosin bedeutet jährlich in der EU einen Steuerausfall von etwa 27 Milliarden Euro. Damit wird eine der klimaschädlichsten Arten des Transports subventioniert. 

Doch in anderen Bereichen besteht die Befürchtung, dass CO2-Steuern vor allem von Menschen gezahlt werden, die wenig verdienen. Insbesondere bei der Heizenergie haben sie gar nicht die Möglichkeit, auf klimaschonende Alternativen umzusteigen. Deshalb ist die Befürchtung berechtigt, dass eine CO2-Steuer zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft führen kann. Die weiter schwelenden Proteste der Gelbwesten in Frankreich sind dafür ein Ausdruck.

Nur wenn verstanden wird, dass mit einer ehrgeizigen Klimapolitik auch schwierige soziale Fragen verbunden sind, nur wenn die damit verbundenen Probleme und Ängste aktiv angegangen werden, wird die Umsetzung der Klimaziele von einer Mehrheit der Menschen mit getragen werden. Und das ist die Voraussetzung für das Gelingen des Klimaschutzes.