Schwerpunkt

Trinkwasser

Lebenselixier unter Druck

Mit der UN-Resolution 64/292 vom 28. Juli 2010 erkennt die UN-Generalversammlung das Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitätsversorgung als Menschenrecht an, das unverzichtbar für den vollen Genuss des Lebens und aller Menschenrechte ist. Angesichts der Tatsache, dass weltweit rund 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Wasser haben, ist diese Resolution ein wichtiges politisches Signal zum Handeln. 

In Österreich gibt es ein Gesamtdargebot von rund 84 Milliarden Kubikmeter Wasser. Genützt werden rund 2,6 Milliarden Kubikmeter: Industrie 61 Prozent, Landwirtschaft acht Prozent, Trinkwasserversorgung 31 Prozent. Das reichhaltige Wasservorkommen in Österreich ermöglicht es, den Trinkwasserbedarf zu fast 100 Prozent mit Grundwasser abzudecken. Das ist in Europa nicht selbstverständlich. So bezieht etwa Deutschland nur 62 Prozent seines Trinkwasserbedarfes aus Grundwasser, in England und Wales sind es gerade mal 28 Prozent – der Rest muss aus Oberflächenwasser gewonnen werden. 

Was Trinkwasser genau ist, hat der Gesetzgeber im Lebensmittelbuch Codexkapitel B 1 – Trinkwasser genau festgeschrieben: „Trinkwasser ist Wasser, das in nativem, das heißt naturbelassenen Zustand oder nach Aufbereitung geeignet ist, vom Menschen ein Leben lang ohne Gefährdung seiner Gesundheit verzehrt zu werden, und das geruchlich, geschmacklich und dem Aussehen nach einwandfrei ist.“ 

Wasserqualität

Die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte wird regelmäßig überprüft, sowohl von den Wasserversorgern als auch von der Lebensmittelaufsicht der Bundesländer. Die Qualität des Trinkwassers ist von den Trinkwasserversorgern jährlich mit der Wasserrechnung, über Informationsblätter der Gemeinde oder auf andere geeignete Weise zur Verfügung zu stellen. 

Als ein internationaler Indikator für die Qualität des Trinkwassersystems gelten Verluste durch Leitungslecks, da diese auch Eintrittspforten für Trinkwasserkontaminationen sein können. In Österreich liegt dieser Wert bei rund elf Prozent – EU-weit kommen mehr als 20 Prozent des sauberen Trinkwassers gar nicht erst bei den KonsumentInnen an, sondern gehen im Verteilungsnetz verloren. Laut EU-Bericht sind es in einigen Mitgliedstaaten sogar 60 Prozent. 

Das Wasserrechtsgesetz (WRG) legt in § 30 (1) fest, dass Grund- und Quellwasser in Österreich so reinzuhalten ist, dass es als Trinkwasser verwendet werden kann. Zudem ist Grundwasser so zu schützen, dass eine schrittweise Reduzierung der Verschmutzung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung sichergestellt ist. Dieser Grundsatz der Vorsorge zeigt in vielen Grundwassergebieten Österreichs auch seine Wirkung – aber insbesondere in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten gibt es noch Probleme aufgrund von zu hohen Nitrat- und Pestizidwerten. 

Grundwasserprobleme

Um das Grundwasser zu schützen, können laut WRG Landeshauptleute per Verordnung Schon- und Schutzgebiete festlegen. Ein Rechnungshofbericht zur „Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im Bereich Grundwasser im Weinviertel“ (2015) zeigt auf, dass diese Möglichkeit kaum wahrgenommen wird. So wird für das Marchfeld eine Verschlechterung des Grundwassers sowie ein signifikant anhaltender Trend bei der Nitratbelastung festgestellt – ein Umstand, der zumindest seit 20 Jahren bekannt war. Der Rechnungshof kritisiert, dass weder auf Bundesebene noch auf Ebene des Landes Niederösterreich das rechtliche Instrumentarium ausgeschöpft wurde, um restriktivere Maßnahmen bei der landwirtschaftlichen Nutzung und damit eine deutliche Reduzierung des Neueintrags von Nitrat vorzusehen. Für die zum Teil im öffentlichen Eigentum befindlichen Trinkwasserversorger entstand infolge der hohen Nitratbelastung des Grundwassers durch erforderliche Aufbereitungsmaßnahmen bzw. die Versorgung aus entfernteren Gebieten ein zusätzlicher Aufwand. Dies widerspricht sowohl dem Ziel des WRG als auch dem der WRRL zugrunde gelegten Verursacherprinzip. 

Legale Tricks?

Laut Rechnungshofbericht war zur Umsetzung der WRRL eine Unterteilung der vorhandenen Grundwasserkörper erforderlich. Bei der Zusammenfassung dieser Grundwasserkörper wurde darauf geachtet, die Belastungen so weit als möglich zu nivellieren. So war beispielsweise das Grundwassergebiet „Zayatal“ in Niederösterreich bis zum Jahr 2006 als voraussichtliches Maßnahmengebiet zum Schutz des Grundwassers ausgewiesen. Mit einem Nitratwert zwischen 80 und 120 Milligramm pro Liter (mg/l) bei einem Schwellenwert von 45 mg/l war dieser Wert sehr hoch. Durch die Einbindung des Grundwassergebiets „Zayatal“ in die Gruppe der Grundwasserkörper „Weinviertel (MAR)“ bei der bei Umsetzung der WRRL durchgeführten Neueinteilung der Grundwässer – war dieser Problembereich nicht mehr als solcher erkennbar und verschwand damit von der Bildfläche. Selbst wenn kein Nitrat mehr in den Boden eingebracht wird, dauert es seine Zeit bis der Nitratgehalt im Grundwasser abnimmt. 

Grundwasserverträglichkeit

Auswertungen von Modellberechnungen ergeben, dass die aufgebrachte Düngemenge den entscheidende Faktor bei erhöhter Nitratkonzentration im Grundwasser darstellt. Dabei sind alle Formen des Stickstoffeintrages zu berücksichtigen, also mineralische Düngung, Wirtschaftsdünger, Eintrag aus der Atmosphäre wie auch der Anbau von Leguminosen etc. Wesentlich ist auch die Kenntnis der Qualität des Düngers. Auch das Wissen über die Erntemenge und den damit verursachten Stickstoffentzug ist notwendig, um den Bilanzüberschuss des Stickstoffs je Hektar berechnen zu können. Genaue Einschränkungen beim Aufbringen von Nitrat sowie Feldaufzeichnungen dieser Daten sind hilfreich, um bei Nitratverunreinigungen die Ursachen herausfinden zu können. Beides könnte bei der Überarbeitung des Nitrat-Aktionsprogramms verpflichtend eingeführt werden.

Seit Anfang der 1990er Jahre werden auch Arzneimittelrückstände im Grundwasser nachgewiesen. In Österreich wie auch in Deutschland wurden daher 2015 Studien zu dieser Thematik durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass bei manchen Stellen Antibiotika sowie Arzneimittelrückstände aufgetreten sind, allerdings in so geringen Konzentrationen, dass keine humantoxikologischen Auswirkungen zu befürchten sind. Dennoch sind bei Vorhandensein die Ursachen abzuklären – meist kommen die Substanzen über die Kanalisation ins Fließgewässer und so ins Grundwasser. Zielführend wäre es, Grenzwerte für diese Substanzen in der EU-Trinkwasserverordnung einzuführen. 

Die Trinkwasserversorgung ist in Österreich fast ausschließlich in öffentlicher Hand – weltweit sind es rund 80 Prozent. In England hingegen wurde die Wasserversorgung unter Margaret Thatcher in den 1980er Jahre privatisiert, in Frankreich hat die Verwaltung durch die Privatwirtschaft langjährige Tradition. Aus diesen Ländern haben sich auch weltweit aktive Wasserkonzerne etabliert. Weltweite Nummer eins ist Veolia Water: 70.000 Beschäftigte in 65 Ländern, Umsatz 11,3 Milliarden Euro; 100 Millionen Menschen werden mit Trinkwasser ver-, für 63 Millionen das Abwasser entsorgt. Die Wasserkonzerne sind weltweit aktiv, um die Wasserversorgung finanzschwacher Kommunen zu übernehmen. Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA könnten ihnen den Zugang zu Märkten erleichtern. Die „Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft“ in Deutschland kritisiert, dass neue Formen der Dienstleistungen im Wasserbereich künftig automatisch unter die Liberalisierungsverpflichtung des CETA fallen, wonach für Dienstleitungen erstmalig der Negativlisten-Ansatz angewendet wird. Dies erhöht den Druck auf öffentliche Dienstleistungen, da nach dem Prinzip „list it or lose it“ bereits dann Liberalisierungsverpflichtungen vorliegen, wenn keine entsprechende Ausnahme verankert wurde. Auch bereits vorgenommenen Liberalisierungen können nicht mehr zurückgenommen werden, was den Handlungsspielraum für künftige Rekommunalisierungen einschränkt. In der EU wurden in den letzten 15 Jahren über 120 Rekommunalisierungen im Wassersektor vorgenommen, darunter Paris, Berlin und Budapest. Zwar wird in CETA von beiden Parteien anerkannt, dass Wasser im Naturzustand keine Ware bzw. kein Produkt darstellt, also nicht den Bestimmungen dieses Abkommens unterliegt. Allerdings gibt es bereits in der EU-WRRL einen viel weiteren Schutz. Im Erwägungsgrund 1 der WRRL heißt es: „Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss“. Ein ausdrücklicher Ausschluss der Wasserver- und Abwasserentsorgung aus Freihandelsabkommen wäre daher dringend geboten.