Betrieb

Stromgekühlter Schlaf im Lkw

Rund fünf Prozent aller Lkw auf der Straße sind temperaturgeführte Transporte. Befördert werden dabei Frischware und Gefriergut, deren Haltbarkeit von der dauernden Kühlung abhängig ist. Dies betrifft vor allem Lebensmittel, aber auch Erzeugnisse aus der Pharma-, Kosmetik- und chemischen Industrie. Die Kühlkette und gesetzliche Vorschriften sorgen für ein durchgängiges System von Temperaturzonen beim Transport zwischen Hersteller, Großhändler, Händler und Verbraucher. Tiefgekühltes Fleisch und tiefgefrorener Fisch müssen zum Beispiel dauerhaft und durchgängig auf minus 18°C gekühlt werden. Für Frischfleisch ist eine maximale Temperatur von 4°C, für Milch und Molkereiprodukte von 8°C zu gewährleisten. Sogenannte Temperaturdatenschreiber (Kühldatenlogger) überwachen und dokumentieren penibel den Temperaturverlauf während des Transports.

Die Kühlkette macht auch vor dem Tages- und Wochenablauf von BerufslenkerInnen nicht Halt. Auch bei der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen (45 Minuten nach viereinhalb Stunden Lenkzeit), der täglichen Ruhezeit (mindestens elf Stunden nach neun Stunden Fahrzeit) und 
der Ruhezeit am Wochenende (mindestens zwischen 24 und 45 Stunden), müssen die Kühlaggregate in Betrieb bleiben, während die FahrerInnen diese Zeit in der Regel in der Lkw-Kabine auf einem Rastplatz verbringen.

Diesel-Kühlaggregate

Im Güterverkehr, besonders im Güterfernverkehr, werden überwiegend nur Sattelzüge und Lastzüge eingesetzt. Das Kühlaggregat wird dabei während der Fahrt über einen unterhalb des Sattelaufliegers montierten Kraftstofftank, oder bei einem Gliederzug durch den Dieseltank des Fahrzeugs betrieben. Vor allem um während der Standzeiten im Schiffsbauch einer Fähre die Lärm- und Abgasbelastungen zu verringern, wurden viele Kühlaggregate zusätzlich mit einem Drehstromanschluss versehen, der einen verhältnismäßig leisen, elektrischen Kühlbetrieb ermöglicht. Der Verbrauch liegt dabei zwischen 4 und 12 kWh. 

Im „Diesel-Modus“ – und meistens auch Regelbetrieb – verursachen die Kühlaggregate einen hohen Lärmpegel. Laut den beiden führenden HerstellerInnen Thermoking und Carrier Transicold können diese Aggregate im Volllastbetrieb sogar die Lautstärke eines Rasenmähers von 78 dB(a) erreichen. Leider müssen FahrerInnen in der warmen Jahreszeit nicht selten mit offenem Fenster schlafen, da in den Kabinen keine Standklimaanlagen eingebaut sind. Deshalb sind Lkw mit solchen Kühlaufbauten von anderen LenkerInnen nur ungern auf Parkplätzen gesehen. 

Seit Mai 2016 gibt es am österreichischen Autobahn- und Schnellstraßennetz erstmals einen Rastplatz, der eine Lade­infrastruktur für temperaturgeführte Lkw-Transporte zur Verfügung stellt. In Vomp in Tirol betreibt die Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) auf einer A-12-Raststation der ASFINAG eine „Stromtankstelle“. Im österreichweit ersten Pilotprojekt wird bei vier Lkw-Stellflächen der Antrieb von Kühlaggregaten mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen erprobt. Die Philosophie hinter diesem Projekt ist laut TIWAG-Vorstandsvorsitzendem Erich Entstrasser die Verbindung von sauberer Energie und effizienter Umsetzung der Elektromobilitätsinitiative. Pro Jahr sollen dadurch 42 Tonnen CO2 eingespart werden. 

Strom-Ladeinfrastruktur

In der Praxis läuft dies folgendermaßen ab: Die FahrerInnen parken ihre Sattelzüge auf den hierfür mit einem Piktogramm gekennzeichneten Parkplätzen. Dann verbinden sie mit einem fünfpoligen Kabel mit CEE-Steckersystem das Kühlaggregat mit der Slavestation. Die Systemfreischaltung erfolgt entweder über die TIWAG-Mobilitätskarte oder über das Einscannen des QR-Codes am jeweiligen Stromanschlusspunkt mit einem Smartphone (Pay-per-Use). Nach erfolgreicher Autorisierung liefert das System Strom an das Kühlaggregat, die Bezahlung erfolgt über SEPA-Lastschriften bzw. bargeldlose Zahlungsfunktionen. Durch die deutliche Effizienzsteigerung ist der Betrieb mit Strom um rund 50 Prozent günstiger als mit Diesel. Während zum Beispiel eine vierstündige Lenkpause im Dieselkühlbetrieb derzeit rund acht Euro kostet, sind es dank der elektrischen Ladeinfrastruktur der TIWAG künftig rund 3,30 Euro. Ein zusätzlicher betriebswirtschaftlicher Vorteil für Transportunternehmen mit temperaturgeführten Ladungen sind längere Wartungsintervalle bei Kühlaggregaten, weil bei Strombetrieb kein Dieselruß anfällt. 

ASFINAG-Geschäftsführer Dipl.-Ing. Klaus Fink sieht durch das Projekt eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: mehr Ruhe für Lkw-FahrerInnen während der Pausen, umweltschonende Energieversorgung mit Ökostrom statt Dieselaggregaten und weniger Lärm für AnrainerInnen von Rastplätzen. Auch aus Gründen der Verkehrssicherheit ist die Situierung entsprechender Stellplätze in ausreichender Anzahl und mit der notwendigen Infrastruktur für die Gewährleistung eines gesunden Schlafs für BerufskraftfahrerInnen wesentlich.

Ruhezeitenfreundlich

Dies entspricht auch einer langjährigen Forderung der AK, dem Fachausschuss Berufskraftfahrer und aller darin vertretenen Gewerkschaften, weil die Einhaltung von gesetzlich vorgesehenen Ruhezeiten schlicht ausreichende Lkw-Stellplatzkapazitäten mit einer zufriedenstellenden Ausstattung voraussetzt. Was einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt ist: Viele Lkw-LenkerInnen verbringen am Rastplatz nicht nur ihre Ruhezeiten, sondern auch ihre Freizeit. Aus ArbeitnehmerInnenschutzsicht gilt es auch noch, auf die Minimierungspflicht bei dem krebserzeugenden Schadstoff Dieselruß am Arbeitsplatz hinzuweisen. BerufskraftfahrerInnen haben erwiesenermaßen berufsbedingt ein höheres Krebsrisiko. 

Gemeinsam mit weiteren „Stromtankstellen“ auf den ASFINAG-Rastplätzen Kesselhof (A1) und Schwechat (A4), mit der EVN bzw. Wien Energie als Energieversorger, werden Erfahrungen für einen möglichen Roll-out auf das gesamte Netz gesammelt. Europaweit gehört Österreich mit diesen Pilotprojekten zu den Pionieren. Nur mit Förderungen der EU hat gerade das Pilotunternehmen NomadPower die ersten Ladestationen in einzelnen Mitgliedstaaten für die Kühllogisitik aufgebaut. 

Kostengünstig

Für die Transportwirtschaft würden sich dadurch betriebswirtschaftliche Vorteile ergeben: Laut einer Studie im Auftrag der EU-Kommission (siehe Fußzeile Seite 25) können pro Lkw-Kühlaggregat bei einem z.B. 225-stündigen Antrieb mit Strom jährlich 180 Euro eingespart werden.

Ökologisch sinnvoll

Noch gänzlich unerforscht dagegen sind die Auswirkungen bei Standzeiten in Häfen und großen Warenumschlagszentren, die gerade im urbanen Agglomerationsbereich für die Luftreinhaltung noch interessanter wären.

Strombetriebene Kühlaggregate wären nicht nur bei Standzeiten eine feine Sache, sondern erst recht auf langen Transportwegen. In der Schifffahrt werden standardisierte Kühlcontainer erfreulicherweise durchwegs mit Strom betrieben, der von einem Hilfsmotor an Bord erzeugt wird. Bei ihrer Verladung im Hafen auf den Lkw kommt wieder der „Diesel-Modus“ zur Anwendung. Auch wenn der Schienengüterverkehr auf den großen europäischen Korridoren elektrifiziert ist, können Bahnunternehmen zum Leidwesen der Kühllogistiker bis heute nicht eine Klimatisierung über Strom zur Verfügung stellen. Somit müssen auch hier die Container dieselbetrieben gekühlt werden. Bei der Feinverteilung „auf der letzten Meile“ am Weg vom Warenlager in die Supermärkte sind meistens Lkw im Einsatz, deren Generatoren indirekt über den Lkw-Motor betrieben werden.

Bei geschätzten 235.000 Kühlauflegern, die im Güterfernverkehr täglich auf europäischen Straßen unterwegs sind, gibt es aber für die Umweltpolitik nicht nur bei Rastplätzen ein enormes Potenzial für die Elektromobilität zu heben.