Schwerpunkt
Klimapolitik
Verkehrsemissionen drastisch senken – aber wie?
Der Verkehr ist das Sorgenkind der Klimapolitik, denn noch ist von einer Mobilitätswende nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil: Der Sektor Verkehr ist für fast 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich und verursachte im Jahr 2017 Emissionen im Ausmaß von 23,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent. Das bedeutet eine erneute Steigerung von fast drei Prozent im Vergleich zum Jahr davor und eine Verfehlung der im nationalen Klimaschutzgesetz vorgegeben Mengen. Die ersten Daten für 2018 zeigen, dass die Emissionen des Verkehrs – im Gegensatz zu allen anderen Sektoren – erneut weiter gestiegen sind. Das Ziel 15,7 Mio. Tonnen im Jahr 2030, zu dem Österreich sich im Rahmen der EU verpflichtet hat, ist grundsätzlich erreichbar – allerdings nur mit raschen, tiefgreifenden und wirksamen Maßnahmen.
Die Ursachen für die negative Bilanz liegen im ungebremsten Wachstum des Verkehrs. 89 Prozent der benötigen Energie des Verkehrssektors stammen aus fossilen Erdölprodukten (Flugverkehr nicht eingerechnet). Die Fahrleistung des Pkw-Verkehrs und noch stärker des Schwerverkehrs mit Lkw ist auch 2017 weiter gestiegen. Ebenso steigt der Motorisierungsgrad immer noch an: Pro 1000 Einwohner gab es in Österreich 562 Pkw (2017: 555 Pkw/EW), am meisten im Burgenland mit 662 und am wenigsten in Wien mit 374. Immer noch dominiert der Dieselantrieb mit 55,8 Prozent der Fahrzeugflotte vor den Benzinern mit 43 Prozent. Die 21.000 Elektro-Pkw machen nur etwa 0,4 Prozent der Flotte aus, Benzin/Elektro-Hybridfahrzeuge 0,7 Prozent. Zugelassene Wasserstoff-Pkw (Brennstoffzelle) gab es 2018 gerade einmal 24 Stück. Da ist also von Dekarbonisierung noch keine Rede. Das gilt noch stärker für den Lkw-Verkehr, dessen CO2-Emissionen fast 40 Prozent der gesamten Verkehrsemissionen ausmachen.
Dennoch ist die Politik untätig: Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr? Bisher Fehlanzeige oder kontraproduktiver Populismus wie Tempo 140 km/h auf der Autobahn. Aber nicht nur der Pkw-Verkehr gilt als heilige Kuh der Verkehrspolitik, auch der Straßengüterverkehr darf nicht beschränkt oder belastet werden. Dass dabei nicht nur die Umwelt, sondern auch die Einkommen und Arbeitsbedingungen der BerufslenkerInnen auf der Strecke bleiben – vor allem im internationalen Güter- und Busverkehr – wird ausgeblendet. Der ungebremste Verkehr verursacht aber auch andere negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, etwa durch Luftschadstoffe und Lärm, aber auch durch Bodenversiegelung oder durch das Zerschneiden der Landschaft.
Klimaschonende Mobilitätsgarantie
In der österreichischen Klima- und Energiestrategie werden die Probleme grundsätzlich erkannt. Die bisher ins Treffen geführten oder bereits begonnenen Maßnahmen greifen jedoch zu kurz oder sind einseitig auf die Förderung der Elektromobilität im Pkw-Bereich bzw. im Güterverkehr auf vage Absichtserklärungen konzentriert.
Aber es geht auch anders. Statt sich auf einen Wechsel der Antriebstechnologie zu konzentrieren, sollten die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen. Wenn man diese als Ansatzpunkt für sozial und ökologisch verträgliche Maßnahmen wählt, ist eine Welt mit deutlich weniger CO2-Emissionen durchaus attraktiv. Ziel muss eine klimaschonende bzw. emissionsfreie Mobilitätsgarantie für alle sein. Mobilität ist aber kein Selbstzweck, sondern dient als Mittel der Erfüllung dahinterliegender Grundbedürfnisse. Wer nicht mobil ist, kann am sozialen und öffentlichen Leben kaum teilnehmen. Neben der Frage der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes geht es auch um soziale Kontakte, Nahversorgung, Bildung, Erholung und um Lebensqualität. Daraus ergibt sich, dass die Sicherstellung der Mobilität für alle Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Am besten dazu geeignet – aus ökologischer und sozialer Sicht – ist der öffentliche Verkehr. Er ist ein zentraler Schlüssel für eine Mobilitätswende. Daneben sind aber auch ordnungspolitische Maßnahmen nötig, die den Straßenverkehr mit fossilem Antrieb – sowohl für Personen als auch Güter – beschränken oder bremsen. Bei Steuerlichen Maßnahmen ist unbedingt darauf zu achten, dass sie verteilungspolitisch gerecht sind, so wie dies bei den Vorschlägen der AK zur Ökologisierung des Pendlerpauschale sichergestellt ist.
Alternativen für den Arbeitsweg fehlen
Ein Blick auf das Mobilitätsverhalten in Österreich macht deutlich, dass sowohl beim Angebot als auch der Nutzung des öffentlichen Verkehrs noch viel Luft nach oben besteht. Dort, wo der ÖV (öffentliche Verkehr) gut ausgebaut ist und den Bedürfnissen entspricht, wird er auch verwendet. So liegt der Anteil des ÖV im Jahresdurchschnitt an Werktagen in Wien bei fast 40 Prozent, während er in den peripheren Regionen nur bei etwas über acht Prozent liegt. Das schlägt sich auch im CO2-Fußabdruck des persönlichen Verkehrsverhaltens nieder. Dieser liegt in Wien bei etwa 3,8 kg pro Person und Tag, in den peripheren Bezirken ist er doppelt so groß. In Summe kommt mehr als die Hälfte aller CO2-Emissionen des Personenverkehrs aus den peripheren Regionen, rund 13 Prozent kommen aus Wien und acht Prozent aus den übrigen Großstädten. Die Verkehrswende muss also vor allem für den ländlichen Raum klimafreundliche Alternativen schaffen.
Für ArbeitnehmerInnen ist der tägliche Weg zur Arbeit der wichtigste Mobilitätsgrund. Während im österreichischen Schnitt zwei Drittel der Erwerbstätigen ihren Arbeitsweg mit einem Pkw (61 Prozent als LenkerIn) und nur ein Drittel klimafreundlich mit dem ÖV (14 Prozent), zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigen, sind in ländlichen Regionen deutlich mehr ArbeitnehmerInnen mit dem Pkw zur Arbeit unterwegs. Im Burgenland beträgt der Anteil der Pkw-LenkerInnen auf dem Arbeitsweg 73 Prozent, aber sogar in Wien fahren – trotz des ausgezeichneten ÖV-Angebots – 34 Prozent täglich mit dem Auto in die Arbeit. Ein attraktives Angebot ist also der zentrale Ansatz, aber offensichtlich gibt es auch andere Gründe für die Verkehrsmittelwahl.
Öffentlicher Verkehr als Rückgrat der Mobilitätswende
Eine Offensive für den ÖV muss viele Elemente beinhalten: Ausbau der Infrastruktur, um Engpässe und weiße Flächen zu beseitigen, den Bedürfnissen entsprechende Mindestbedienstandards mit einem integrierten Taktfahrplan und leistbaren Tarifen, bessere Erreichbarkeit regionaler Zentren und Arbeitsplätze auch an schulfreien Tagen und an Tagesrandzeiten, flexible Mobilitätsangebote in weniger dicht besiedelten Orten (Mikro-ÖV integriert in die Verkehrsverbünde und mit fair bezahlten Beschäftigten, Fahrgemeinschaften) sowie ausreichende und sichere Umsteigemöglichkeiten vom Fahrrad oder dem (elektrisch betriebenen) Pkw auf Bahn und Bus.
Die von Verkehrsverbünden, Ländern und dem Bund 2016 beschlossenen – aber in der Realität bei weitem noch nicht umgesetzten – Mindestbedienstandards für die Versorgung von Siedlungskernen mit öffentlichem Verkehr (ÖV-Mindestbedienstandards) sind zwar ein positiver Schritt in Richtung flächendeckendes Angebot, allerdings noch weit davon entfernt, das private Auto für die Bevölkerung und insbesondere die ArbeitnehmerInnen am Land entbehrlich zu machen. Das Hauptangebot des ÖV am Land richtet sich nach den SchülerInnen. Daher gibt es in Österreich für rund 1,7 Mio. Menschen oder fast 21 Prozent an Werktagen ohne Schulbetrieb keine Mindestversorgung (vier Buspaare pro Tag) mit öffentlichem Verkehr. Aber auch an Schultagen gilt dies immerhin noch für 1,3 Mio. Dazu kommen noch jeweils rund 14 Prozent der Bevölkerung, für die es gerade einmal diese Basiserschließung gibt. Für rund ein Drittel der Bevölkerung gibt es also bis heute keine Alternative, um auf dem täglichen Arbeitsweg auf den ÖV setzen zu können.
Derzeit werden in vielen Bundesländern gemeinsam mit dem Bund neue Verkehrsdiensteverträge, also langfristige (10-15 Jahre) Bestellungen, im Eisenbahnnahverkehr verhandelt. Diese Verträge müssen bis Jahresende 2019 abgeschlossen sein, um ab 2020 das ÖV-Angebot auf der Schiene sicherzustellen. Zwar ist durchaus eine Ausweitung des Schienenangebots vorgesehen, für eine echte Mobilitätswende reicht es aber lange nicht. Zusätzliche Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind daher ein Gebot der Stunde. Die AK fordert im Rahmen einer Klimaschutzmilliarde, die jährlich bis 2030 für Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele zur Verfügung gestellt werden sollen, den größten Teil, nämlich 550 Mio. jährlich für einen umfassenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs und weitere 40 Mio. jährlich für die Radinfrastruktur.