Schwerpunkt
Luftreinhaltung
Interview: Dieselabgase sind krebserregend
Was genau an Dieselabgasen ist so gefährlich?
Straif: Es ist richtig, dass Dieselabgase seit Juni 2012 – ebenso wie Arsen oder Senfgas – von der IARC nun in die Gruppe 1, „krebsgefährdend für den Menschen“, eingestuft sind. Dennoch ist dieser Vergleich insofern etwas unglücklich, weil Arsen oder Senfgas hauptsächlich wegen ihrer akuten Gefährlichkeit bekannt sind. Ein besserer Vergleich wäre z.B. Passivrauchen – auch weil hier ebenso wie bei Dieselabgasen primär ein Zusammenhang mit Lungenkrebs aufgezeigt wurde. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt, jedoch spielen die eingeatmeten Partikel und Bestandteile der Gasphase der Dieselabgase eine Rolle bei der Krebsentstehung.
Welche Gruppen von ArbeitnehmerInnen sind stark betroffen?
Straif: Wichtige einstufungsrelevante Untersuchungen zeigten erhöhte Lungenkrebsrisiken u.a. bei Bergarbeitern unter Tage, bei LKW-Fahrern sowie Personal auf dieselbetriebenen Zügen, andere Studien fanden aber auch erhöhte Risiken aus anderen Expositionsquellen für Dieselabgase. Neben dem Straßenverkehr werden Dieselmaschinen auch im Zug- oder Schiffsverkehr, bei großen Baugeräten oder Stromgeneratoren eingesetzt, dabei unterliegen Straßenfahrzeuge noch den striktesten Emissionsvorschriften – zumindest in einigen Industrieländern.
Wieso hat es so lange gedauert bis Dieselabgase als krebserregend eingestuft wurden?
Straif: Dieselabgase wurden von der IARC bereits 1988 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, und die Erkenntnis zur Krebsgefährdung insbesondere aus epidemiologischen Studien hat sich seither kontinuierlich weiter verdichtet. Die Monographie-Sitzung wurde einberufen, nachdem klar war, dass wichtige große Studien rechtzeitig zum Arbeitsgruppentreffen in Lyon verfügbar sein würden, um so den Einfluss möglicher Störfaktoren (Rauchverhalten, andere berufliche Risikofaktoren für Lungenkrebs) besser abzugrenzen und das Ausmaß des Expositions-Wirkungszusammenhangs genauer zu beschreiben.
Warum fahren Autos nach wie vor ohne Partikelfilter?
Straif: Die von der IARC einberufene Arbeitsgruppe der zu diesem Thema weltweit führenden ExpertInnen bewertete die wissenschaftliche Datenlage zur Krebsgefährdung. Mit der neuen Einstufung ist es jetzt Aufgabe nationaler und internationaler Gremien, diese Erkenntnis in Schutzvorschriften umzusetzen und zu überprüfen, ob die aktuell gültigen Vorschriften ausreichenden Schutz bieten; hierbei sollten Altfahrzeuge, die oft wesentlich zur Gesamtexposition beitragen, sowie andere Quellen von Dieselabgasen, z.B. Baumaschinen, in die Überlegungen einbezogen werden.