Betrieb

Langlebigkeit: Geplante Obsoleszenz

Das Phänomen kennen wir vermutlich alle: Kurz nach Ablauf der Gewährleistung gibt das fast neue Gerät seinen Geist auf, dabei hat sein Vorgänger doch bestimmt doppelt so lange gehalten, oder?

Beispiel EDV: Bei vielen wurden etwa eingebaute Chips oder mechanische Zählwerke entdeckt, die das Produkt nach einer bestimmten Anzahl gedruckter Seiten vorzeitig in den Ruhestand schicken. Oder: Immer häufiger werden Grafikkarten in Laptops defekt, was sich durch besseren Einbau und bessere Kühlung der Grafikkarte leicht vermeiden ließe. Wenn dann die Grafikkarte auch noch so eingepresst ist, dass man sie nur mitsamt der ganzen Platine tauschen kann, ist eine wirtschaftliche Reparatur kaum mehr möglich. Nur mehr zehn Prozent aller Laptops haben eine austauschbare Grafikkarte! Eine weitere Fehlentwicklung orten die Reparaturtechniker der Mechatroniker-Werkstätte des Reparatur- und Service-Zentrums R.U.S.Z in der neuesten Generation von Apple-Produkten: Nachdem der Akku nicht mehr getauscht werden kann, bestimmt ein Verschleißteil die Lebensdauer eines hochkomplexen Produkts.

Herstellertricks

Bei der Unterhaltungselektronik befinden sich vorzugsweise in den Netzteilen Elektrolyt-Kondensatoren (Elkos), die der Hitzeentwicklung in den Geräten nicht standhalten. Dabei würden Elkos, die das schaffen, nicht einmal zwei Cent mehr kosten. „Wir bekommen immer wieder Flat-TVs herein, die zwei, drei Jahre alt sind. Wenn wir dann die aufgeblähten Elkos durch neue, stärkere ersetzen, sind die KundInnen glücklich. Allerdings wären derartige Reparaturen gar nicht notwendig, wenn die Hersteller bei der Produktion gleich die richtigen Elkos einbauen würden“, so das R.U.S.Z.

Bei Billigwaschmaschinen besteht der Bottich aus Kunststoff und nicht aus Edelstahl. Oft sind die Stoßdämpfer zu schwach. Der dann auftretende Lagerschaden kann nicht repariert werden, weil der Lagersitz im Kunststoffbottich ausgeschlagen ist. Der Tausch des Bottichs kostet fast so viel wie eine neue Wegwerf-Waschmaschine. Bei der Konstruktion von Geräten die Kriterien Langlebigkeit und Reparierbarkeit nicht zu beachten, bedeutet eine bewusste Verkürzung der Produktlebensdauer.

Klimarelevanz  

Reparatur und Wieder-/Weiterverwendung, also eine erhöhte Produktnutzungsdauer, ist nicht nur eine Frage der Ressourceneffizienz, sondern auch der Klimarelevanz, stellen seriöse, durchaus wirtschaftsfreundliche, wissenschaftliche Institute fest: Allein durch die Wiederverwendung von Gebrauchsgütern wird pro Tonne das entsprechende Gewichts­äquivalent, also wiederum eine Tonne an CO2-Emissionen, eingespart, so TNO Knowledge for Business (www.tno.nl). Bei der Wieder-/Weiterverwendung eines drei Jahre alten PC für weitere drei Jahre werden nicht nur 105 kg CO2-Emissionen, sondern auch 550 Liter Wasser eingespart, so die TU Berlin, Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration. Bei Haushaltsgeräten wird das fünffache CO2-Einsparungspotenzial durch Wieder- oder Weiterverwendung angenommen.

Was machen Hersteller, um der kapitalistischen Logik nach permanentem quantitativen Wachstum zu entsprechen, wenn bei stagnierendem Bevölkerungswachstum und einer Durchdringungsrate der Haushalte von über 90 Prozent die Nachfrage nach Waschmaschinen sinkt? Die Produkte müssen früher zu Schrott werden! – Logisch? Zunehmende Ressourcenverschwendung zum Wohle der Shareholder, aber zum Nachteil künftiger Generationen. Und wenn die konservativen Ökonomen Recht haben mit dem Wachstumszwang des kapitalistischen Systems, dann muss man eben das System ändern! 

Schubumkehr

Denn spätestens hier endet die Nachfrageorientierung unseres Wirtschaftssystems. Eine angebotsorientierte Wirtschaftsweise bringt ressourcenintensive Produkte hervor, die keiner braucht. Wer braucht Wegwerf-Produkte mit immer kürzeren Nutzungszyklen? Wer braucht Produkte, deren Promotion einen immer höheren Anteil ihres Verkaufspreises verschlingt? 

Wir haben zurzeit möglicherweise den Höhepunkt des Materialismus in der Geschichte der Menschheit erreicht. Dementsprechend definieren wir Erfolg und Wachstum überwiegend in materiellen Größen. Auf volkswirtschaftlicher Ebene zeigt sich das in der Fixierung auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Auf individueller Ebene zeigt sich das im Konsumrausch und darin, dass es wichtig ist, immer das Neueste zu besitzen und etwas Tolleres als die anderen.

Es ist uns nicht gelungen, das Wirtschaftswachstum vom Rohstoff- und Energieressourcenverbrauch zu entkoppeln. Mit dem Wirtschaftswachstum steigt der Verbrauch stetig weiter an, auch wenn wir diesen Anstieg durch mehr Effizienz etwas verlangsamen konnten. Es bleibt dennoch ein kontinuierlicher Anstieg. Nachhaltige Entwicklung versucht, die drei Dimensionen Wirtschaft, Natur und Soziales „unter einen Hut zu bringen“. Der Naturverbrauch muss dafür sinken, und im sozialen Bereich soll die Lebensqualität der Menschen bei sinkendem Ressourcenverbrauch steigen.

Eine häufige Ursache dafür, dass Produkte rasch weggeworfen werden, ist auch die rasante Beschleunigung von Produktionszyklen. Kommentare aus dem Umfeld, die man erhält, wenn man mit seinem unmodernen Handy telefoniert, machen funktionierende Produkte zu Müll. „Um dazuzugehören“ braucht es das neueste Modell. Nur gefestigte Charakter stehen über diesem sozialen Druck aus dem Umfeld, der auch „psychologische Obsoleszenz“ genannt wird: Fernseher, die uns vor drei Jahren noch als Geräte mit unschlagbarer Bildqualität verkauft wurden, gelten schon kurz darauf in der Werbung als „Dreck“, den man „weghauen“ müsste. Auf viele Geräte folgt nach wenigen Monaten bereits das Nachfolgemodell, oft stellt der versprochene technische Fortschritt bei genauem Hinschauen allerdings keinen tatsächlichen Mehrnutzen im Vergleich zu älteren Modellen dar.

Bei emotional aufgeladenen Produkten tun sich viele KonsumentInnen am schwersten, aber bei bestimmten Haushaltsgeräten scheint eine Umstellung auf andere Konsummuster möglich. Müssen wir eine Waschmaschine wirklich in Besitz nehmen, um über saubere Wäsche zu verfügen? Wir kaufen doch auch kein Passagierflugzeug, um in den Urlaub zu fliegen.

Wie wäre es mit einer gemieteten Waschmaschine, deren Mietgebühr vom Energieversorger über Smart Metering (intelligente Stromzähler) gleich transparent mit abgerechnet wird? Solche Modelle gibt es: Schon vor rund zehn Jahren hat Electrolux auf der schwedischen Insel Gotland ein derartiges Projekt unter dem Titel „Pay per Wash“ durchgeführt. Wenn Produkte im Besitz ihrer Hersteller verbleiben und sie ihre Profite über Miet­einnahmen hereinspielen, würden die Produkte automatisch langlebig und leicht reparierbar konstruiert. Der Elektrohandel hätte mit der Bereitstellung solcher „ewig lebender“ Produkte und der zugehörigen Administrierung solcher Produkt-Dienstleistungssysteme Zukunft.

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Gehen wir’s an! 

Zusätzlich ist eine Steuerreform, die den Einsatz begrenzter Rohstoffe verteuert und menschliche Arbeit entlastet, notwendig. Die Politik muss die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft anpassen. Aber nachdem es naiv ist anzunehmen, dass vorwiegend nationale Politik der globalisierten Wirtschaft ordnungspolitische Grenzen vorgeben kann, wäre ein einheitlicher EU-Wirtschaftsraum, der auch starke sozialwirtschaftliche Akteure beinhaltet, Voraussetzung. Der EU-Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa ist ambitioniert. Es fehlen zwar konkrete Zielvorgaben, aber die könnten doch auch von unten kommen?

Darum: Zivilgesellschaftliches Engagement ist unverzichtbar. Der Kunde ist doch angeblich König? Holen wir uns doch die Gestaltungsmacht, die wir laut Interessensvertretern des Handels haben: „Was gekauft wird, bieten wir an.“ Geplante Obsoleszenz kann künftig nur so wirklich verhindert werden.