Schwerpunkt
Wasser-Liberalisierung
Wasser muss leistbare Lebensgrundlage bleiben!
In Österreich erfolgt die Versorgung mit Trinkwasser und die Entsorgung des Abwassers größtenteils durch die öffentliche Hand. Dies garantiert qualitativ hochwertige Trinkwasserqualität, Versorgungssicherheit und die nötigen Investitionen in die Leitungsinfrastruktur. Das ist allerdings nicht überall so. Bereits seit den 1980er Jahren haben viele Länder den Trend zu „weniger Staat – mehr Privat“ vollzogen und neben anderen öffentlichen Dienstleistungen auch ihre Wasserversorgung und Abwasserentsorgung privatisiert oder auf Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) gesetzt.
Was in den Ankündigungen vielversprechend klang, konnte vielfach in der Praxis kaum standhalten. Viele BürgermeisterInnen wurden mit der Frage konfrontiert, warum sich denn die Qualität der Dienstleistung verminderte, gleichzeitig aber die Preise stiegen und Haushalte von der Versorgung ausgeschlossen wurden. Warum tausende Arbeitsplätze in der Wasserwirtschaft verloren gingen und Investitionen in die Leitungsinfrastruktur abnahmen. Auch die Erkenntnis, dass ÖPP sich meist wesentlich teurer als öffentliche Direktinvestitionen erwiesen und das Haftungsrisiko bei der Kommune verblieb, hat viele KommunalpolitikerInnen zum Umdenken bewogen.
ÖPP bewährten sich bei der Wasserversorgung nicht
Nicht zuletzt aufgrund dieser Erkenntnisse setzte sich seit dem Jahr 2000 ein weltweiter Trend von mehr als 270 Rekommunalisierungen im Wassersektor in Gang. Berlin, Paris, Grenoble, Buenos Aires, Atlanta oder Kuala Lumpur, … nur einige Beispiele, wo eine erfolgreiche Rückführung der Wasserdienstleistungen in die öffentliche Hand erfolgte.
Eine Studie des Transnational Institute (TNI) hat sich dieses Themas angenommen und mit vielen Daten diese Trendwende weg von der Privatisierung hin zur kommunalen Wasserversorgung dokumentiert. „Reclaiming public services“ zeigt auf, dass in mehr als 1.600 Städten weltweit Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wieder in die eigene Hand genommen wurden und bestätigen die These, wonach private Profitinteressen mit Gemeinwohlverpfichtungen nur schwer in Einklang zu bringen sind.
Krisenmaßnahmen sollen Rekommunalisierung stoppen
Mit der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sahen allerdings europäische Konzerne, die weltweit im Wassersektor tätig sind, ihre Chance wieder ins Geschäft zu kommen. Trotz weltweit negativer Privatisierungserfahrungen bei der Wasserversorgung setzt die EU-Kommission weiterhin auf Liberalisierung.
Die europaweit verordnete Austeritätspolitik, Anforderungen der Troika an EU-Krisenländer die eine Privatisierung der Wasserversorgung (z.B. Griechenland, Portugal) als Gegenleistung für Hilfsgelder vorsehen und Binnenmarktregeln wie etwa verschärfte Ausschreibekriterien durch die Konzessions-Richtlinie, sollen öffentliche Anbieter aus dem Markt drängen.
Allerdings regt sich wachsender Widerstand (siehe Artikel rechts).
EU-Trinkwasser-Richtlinie
Die Kommission versucht mit dem neuen Vorschlag die Zugänglichkeit zu Trinkwasser für alle BürgerInnen zu fördern. Allerdings sollte das Recht auf sauberes und leistbares Trinkwasser vielmehr als Recht für alle EU-BürgerInnen zukünftig auch wirksam gesichert und nicht nur gefördert werden. Hier sind jedenfalls weitere Anpassungen erforderlich.
Die einwandfreie Qualität und Versorgung mit Trinkwasser wird in Österreich schon derzeit durch den bestehenden gesetzlichen Rahmen sichergestellt. Vor diesem Hintergrund bedeutet der zukünftig verpflichtend vorgesehene, risikobasierte Ansatz mit einer umfangreichen Gefahrenbewertung für die Wasserversorger einen erheblichen Mehraufwand, dem kein entsprechender Mehrwert gegenüber steht. In Österreich ist die Wasserversorgung im ländlichen Raum sehr kleinteilig organisiert. Insgesamt versorgen rund 5.500 Wasserversorger die rund 8 Mio. Menschen mit Wasser von einwandfreier Qualität. Bei den kleineren Wasserversorgern würde der zusätzliche Aufwand – bezogen auf die umgesetzte Wassermenge – erheblich sein und die zu erwartenden Mehrkosten würden wohl auf die KonsumentInnen abgewälzt.
Gleichzeitig fehlen im Entwurf andere Aspekte, wie beispielsweise Vorsorgemaßnahmen zur Qualitätssicherung von Trinkwasser. Zudem sind einige Vorschläge, wie Harmonisierungsbestimmungen im Produktbereich, Untersuchungsumfang und Häufigkeiten oder die Risikobewertung für Hausinstallationen, überschießend. So positiv die Verankerung des Rechts auf Trinkwasser im Zuge der Neufassung zu sehen ist, so aufwändig und unverhältnismäßig sind andere Vorgaben Daher ist eine praxistaugliche Überarbeitung des Entwurfes dringend erforderlich.
Besonders kritisch zu hinterfragen ist die in der Begründung der Richtlinie angeführte Feststellung, dass diese Vorlage „die Wettbewerbsfähigkeit der EU im Wassersektor erhält und Innovationen mobilisiert.“ Hier muss einmal mehr klargestellt sein, dass die Wasserversorgung eine Leistung der Daseinsvorsorge ist und Wettbewerbsgedanken dem Faktum des natürlichen Monopols entgegenstehen. Wasser ist daher grundsätzlich aus allen Liberalisierungsbestrebungen auszunehmen und hat in Handelsabkommen und den EU-Binnenmarktregeln nichts zu suchen.
Herausnahme aus Handelsabkommen
Der nächste Versuch der Wasserliberalisierung erfolgt nunmehr über Freihandelsabkommen á la CETA oder TiSA. Das Zusammenwirken von Liberalisierungsbestimmungen und Investitionsschutzklauseln dieser Abkommen geht in vielen Fällen über die aktuellen Verpflichtungen hinaus. So bedeutet dies, nicht nur für den Wasserbereich, dass Liberalisierungsschritte kaum zurückgenommen und Rekommunalisierungen verunmöglicht werden.
Öffentliche Dienstleistungen wie etwa die Wasserver- und Abwasserentsorgung sind Aufgaben, die aufgrund ihrer essentiellen Rolle für Gesellschaft und Umwelt nach anderen als marktwirtschaftlichen Regeln zu erbringen sind. Politiker auf allen Entscheidungsebenen müssen sich die hohen volkswirtschaftlichen Kosten und Risiken der Verwirtschaftlichung dieser sensiblen Bereiche bewusst machen. Sie sollten erkennen, dass eine unter demokratischer Kontrolle stehende, verantwortungsvolle und effiziente öffentliche Grundversorgung wie z.B. die Wasserwirtschaft absolut notwendig für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft ist. Gerade in Zeiten eines weltweit aufkommenden Populismus und des Erstarkens von autokratischen Regierungssystemen sind qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und demokratische Teilhabe wichtige Säulen zur Sicherung unseres Gesellschaftsmodells.