Betrieb

Projekt BauKarussell – vorbildliches „Re-Use“ am Bau

BauKarussell will den Rückbau von Gebäuden günstiger und umweltfreundlicher machen und dabei Jobs für am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen schaffen. In Zusammenarbeit mit Bauträgern und Projektentwicklern werden Bauteile und Komponenten, die beim Neubau wiederverwertet werden können, ausgebaut, bevor ein Gebäude abgerissen wird. Parallel dazu werden recyclingfähige Baustoffe manuell getrennt und der stofflichen Verwertung zugeführt. Dabei werden Arbeitskräfte aus sozial­ökonomischen Unternehmen eingesetzt, die damit Qualifizierung, Jobtraining und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten – eine Win-Win Situation für Mensch und Umwelt. Aus der Sicht der Jury für den Umweltpreis der Stadt Wien überzeugte das Projekt sowohl mit seiner ökologischen als auch mit seiner sozialen Komponente. Mitte April wurde BauKarussell dann auch vom ÖWAV mit dem Phönix-Sonderpreis „Abfallvermeidung“ ausgezeichnet, da es auch zur Bau-Kreislaufwirtschaft beiträgt:

Glaspalast und Coca-Cola

Als Pilotprojekte wurden 2017 der Wiener Glaspalast, das ehemalige Rechenzentrum der MA14 in der Rathausstraße und das Coca-Cola-Werk am Wienerberg in Favoriten rückgebaut. Die operativen Tätigkeiten wurden von den sozialökonomischen Betrieben der Caritas Wien und vom DRZ (Demontage- und Recycling-Zentrum) durchgeführt, gefördert vom AMS Wien. Insgesamt haben die beiden Betriebe rund 7.600 operative Arbeitsstunden für BauKarussell geleistet, was etwa fünf Personenjahren entspricht. Dabei haben sie über 450 Tonnen Abfälle vermieden, weitere 74 Tonnen sortenrein getrennt dem Recycling zugeführt und rund 171 Tonnen Störstoffe entfernt. 

Der Glaspalast-Rückbau wurde im August 2017 abgeschlossen. Um die Stoffe ordentlich zu trennen und vor der Entsorgung zu retten, arbeiteten die Transitarbeitskräfte der sozioökonomischen Betriebe in 3.450 Arbeitsstunden manuell. Insgesamt konnte durch den Erlös der Wertstoffe ein Umsatz von 50.000 Euro lukriert werden. Es wurde auch eine Trennwand ausgebaut und mit Hilfe des Kooperationspartners HarvestMAP für eine Großküche zur Verfügung gestellt. 

Schon in der ersten Jahreshälfte 2017 konnte BauKarussell den Rückbau des Coco-Cola-Werkes durchführen. Dort soll in den nächsten Jahren die „Biotope City“ entstehen, ein Vorzeigewohnprojekt für die Stadt Wien. Durch umweltgerechte manuelle Demontage und die optimale Synergie von Re-Use und Recycling konnten 100.000 Euro Umsatz generiert werden. So wurden beispielsweise 5.000 Dachplatten des Coca-Cola-Werkes als Wärmedämmung im Neubau des „Biotope City“ Quartiers für den Wiedereinsatz vor Ort bereitgestellt. Auch die 3.000 Quadratmeter Dachbegrünung, also die oberste Bodenschicht samt der Pflanzendecke, wurden gesichert und kommt in der „Biotope City“ wieder zum Einsatz.

Die Pioniere

BauKarussell wurde im Herbst 2016 von einem Wiener Konsortium aus sechs Organisationen (Caritas Wien, DRZ, VHS Wien, WUK, Romm/Mischek ZT, RepaNet, pulswerk GmbH) ins Leben gerufen. Anlass war die im Juni 2015 erlassene Recycling-Baustoffverordnung, die erstmals eine tragfähige Grundlage für Vorhaben dieser Art bietet, indem sie beim Rückbau der Wiederverwendung (Re-Use) bzw. Vorbereitung zur Wiederverwendung viel stärker den Vorrang vor dem Recycling einräumt. Bauherren größerer rückzubauender Bauwerke müssen im Rahmen der durchzuführenden Schad- und Störstofferkundung auch jene Bauteile dokumentieren, welche einer Vorbereitung zur Wiederverwendung zugeführt werden können (§4 Abs.3). Weiters ist sicherzustellen, dass Bauteile, die wiederverwendbar sind und von Dritten nachgefragt werden, so ausgebaut und übergeben werden, dass die nachfolgende Wiederverwendung nicht erschwert oder unmöglich wird. Der Ausbau von wiederverwendbaren Bauteilen hat vor einem allfälligen maschinellen Rückbau zu erfolgen (§5 Abs. 1).

„Dienstleistungspaket für Bauherrn“

Genau hier setzt das „Dienstleistungspaket für Bauherrn“ an, das BauKarussell anbietet: Bauherren sollen im verwertungsorientierten Rückbau bestmöglich bei ihren Verpflichtungen aus der Recycling-Baustoffverordnung unterstützt werden. In der Planungsphase geht es um kompetente Beratung, in der Ausführungsphase um den fachgerechten und schonenden Ausbau von Bauteilen und Bauelementen für die Wiederverwendung und ein möglichst sortenreines Trennen von Baustoffen, die gut der stofflichen Verwertung zugeführt werden können. Außerdem lassen sich mit einer guten sortenreinen Trennung mit bestimmten Materialien auch Verwertungserlöse erzielen.

Damit der ganze Ablauf von der Schad- und Störstofferkundung über den Ausbau von Bauteilen und Bauelementen bis hin zur Übergabe an den maschinellen Rückbau für den Bauherren reibungslos läuft, effizient und zuverlässig ist, arbeitet BauKarussell mit Kooperationspartnern aus der Schad- und Störstofferkundung und potentiellen Vertreibern von Bau-Re-Use-Produkten zusammen. So will sich BauKarussell als erster österreichischer Anbieter mit dem besonderen Schwerpunkt auf Wiederverwendung (= Re-Use) bei großvolumigen Rückbau-Objekten im Baubereich positionieren.

Initiative am Bau

Die Anfänge reichen weit zurück, wie ein 2003 von der „Abfallvermeidung in Wien“ gefördertes Projekt „Abfallvermeidung im Bausektor“ zeigt. „Schon damals war klar, dass sowas nur mit sozialökonomischen Unternehmen geht“, erzählt Thomas Romm, Architekt und einer der Ideenbringer des Projekts. Seine eigene Diplomarbeit behandelte das Thema „Recyclinggerechtes Bauen“. Nun lehrt er an der Akademie der bildenden Künste „Architektur und Ökologie“. Die Wiederverwendung von Bauteilen sieht er als das „I-Tüpfelchen in der Ressourcenschonung am Bau“, die ihn seit langem bewegt. 

Ganz wichtig bei allen Großprojekten ist die Optimierung der Liefer- und Entsorgungslogistik, wie sie im Projekt RUMBA perfektioniert worden ist: Betonfertigteile sind damals per Bahn angeliefert worden. Das ist wichtig, denn gewichtsmäßig haben zwei Drittel aller Lkw-Fahrten in einer Stadt wie Wien mit Baustellenverkehr zu tun. Lkw-Fahrten, auch Deponievolumen und Geld werden gespart, wenn man der Prämisse „aushubarmes Bauen“ folgt: In der Seestadt Aspern wurde Aushubmaterial sowohl zum Niveauausgleich als auch zur Betonherstellung vor Ort verwendet. All dies stößt freilich in der Praxis nur auf verhaltene Begeisterung in der Bauwirtschaft. Diese will lieber ihre eigenen Anlagen und Fahrzeuge auslasten und Umsätze sicherstellen. Das zeigt, dass gängige Ausschreibungswettbewerbe hier zu kurz greifen. Hier braucht es nicht einmal Bieterabsprachen. Damit echte Ökoinnovation möglich wird, ist es nötig, dass die öffentliche Hand – Stadtplanung, Baubehörde, auch Auftraggeber wie Wohnbaugenossenschaften  – mit klugen Vorgaben in Pflichtenheften, Flächenwidmungen und städtebaulichen Verträgen „sanft aber bestimmt“ nachhelfen.

Das besondere an Re-Use sieht Romm darin, dass so der Wert der Gegenstände am besten erhalten werden kann. Er macht es an einem Hochregallager deutlich, das neu 4,8 Mio € gekostet hatte und im Zuge des Rückbaus für eine Wohnhausanlage weichen musste. Dafür konnte aber leider kein Abnehmer gefunden werden. So blieb nur die stoffliche Verwertung, die „nur“ 12.000€ einbrachte. Das Angebot und die Nachfrage nach Bauteilen zusammenzubringen, ist die Herausforderung anlässlich von solchen Rückbauvorhaben. „Denn zeitlich matchen sie sich selten“, so Romm.

Darüber hinaus gibt Romm zu bedenken, wieviel derzeit gebaut wird: „In den letzten 20 Jahren hat sich der Baustoffbedarf global verdreifacht. Massenmäßig könnte nur ein Zehntel des Rohstoffbedarfs bei uns aus Rückbaumassen befriedigt werden. Was derzeit aus dem Rückbau gewonnen wird, geht alles in den Tiefbau. Das Potenzial von Baustoffen, die auf der Baustelle gewonnen werden können, läge im Hochbau bei 30%.“ Ernüchternde Zahlen, die zeigen, dass es um weit mehr geht, als das Schlagwort „Kreislaufwirtschaft“ verrät. Bei einer 1%igen Re-Use-Masse ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Derzeit gibt es in Wien rund 400 Abbruchprojekte – Fortsetzung und Ausbau erwünscht!