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Umweltregulierung – Eine Chance für den Standort?
Seit der Einführung aktiver Umweltpolitik in den 1970ern hält sich die öffentliche und wissenschaftliche Diskussion, ob Umweltregulierung förderlich oder hemmend auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen wirkt. Insbesondere wird die These geäußert, dass in einer zunehmend von Globalisierung geprägten Welt Unterschiede in der Stringenz umweltpolitischer Maßnahmen Standortentscheidungen beeinflussen könnten. Außerdem könnten umweltverschmutzende Produktionskapazitäten in Länder oder Regionen verlagert werden, die über laxere Umweltvorschriften verfügen. Mitte der 1990er Jahre wurde auf Basis empirischer Evidenz die Schlussfolgerung gezogen, dass eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aufgrund von Umweltregulierung kaum nachweisbar ist.
Dennoch wird dieses Argument im Zusammenhang mit Umweltregulierung immer wieder genannt. In der jüngeren Vergangenheit wird im Kontext des Klimaschutzes die Besorgnis geäußert, dass eine ambitionierte Klimapolitik zu einem Wettbewerbsnachteil für betroffene Industrien führt und es dadurch zu Carbon Leakage kommt. Dies war etwa auch der Grund, warum im EU-Emissionshandel für Produktionsbereiche, die im internationalen Wettbewerb stehen, eine Gratiszuteilung von Allokationsrechten festgeschrieben wurde.
Zwei Hypothesen stehen sich gegenüber
Die ökonomische Literatur unterscheidet im Wesentlichen zwei sich widersprechende Argumentationsstränge, wie national unterschiedliche Umweltregulierung auf betroffene Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit wirken kann: die Pollution Haven Hypothese und die Porter Hypothese. Die Pollution Haven Hypothese geht davon aus, dass Umweltregulierung die Produktionskosten für die betroffenen Unternehmen erhöht. Wenn Firmen im internationalen Wettbewerb ausschließlich aufgrund von Umweltregulierung Kostenunterschiede aufweisen, kann dies zu einer Reduktion ihrer Wettbewerbsfähigkeit führen und im schlimmsten Fall zu einer Verlagerung der Produktion in Gebiete mit weniger stringenter Umweltregulierung (den "Verschmutzungshäfen"). In Bezug auf Klimapolitik und Carbon Leakage würde das bedeuten, dass die Treibhausgasemissionen in der Region mit Klimapolitik zwar sinken, es aber zu einem globalen Anstieg kommt, da die Produktion nunmehr emissionsintensiver erfolgen würde als im Ursprungsland. Diese in den 80er Jahren formulierte These geht in einem hohen Maße vom Konflikt "Wachstum versus saubere Umwelt" aus und nimmt Umweltregulierung vor allem als Kostenfaktor wahr. Diese Perspektive resultiert zum Teil aus einer eher statischen Betrachtung und unterstellt, dass betriebliche Maßnahmen zum Umweltschutz in erster Linie auf end-of-pipe Lösungen bezogen sind, die, aus Sicht der Unternehmen, unproduktive Investitionen darstellen.
Im Gegensatz dazu hebt die Porter Hypothese einen dynamischen Aspekt hervor und betont eine synergetische Wirkung von Umweltregulierung auf die Wirtschaftsleistung. In dieser dynamischen Betrachtung wird argumentiert, dass strengere Umweltpolitik einen positiven Nettoeffekt auf die Wettbewerbsfähigkeit von regulierten Unternehmen haben kann, wenn gut durchdachte ambitionierte Regelungen einen Anreiz für Innovationen schaffen und zu geringeren negativen Umwelteffekten von Unternehmen beitragen.
Auf Basis empirischer Beobachtungen wurden sechs Argumente abgeleitet, wonach Umweltregulierung für die Wirtschaftsleistung von Vorteil sein kann:
- Durch die Umweltpolitik werden Ineffizienzen im Ressourceneinsatz aufgezeigt. Es wird angenommen, dass Firmen als Reaktion auf die Umweltregulierung ihre Produktionsprozesse auf Ineffizienzen überprüfen, die ohne Gesetzesänderungen nicht beachtet worden wären.
- Die schiere Bündelung von Informationen (z.B. Meldepflicht der Menge freigesetzter Umweltchemikalien) führt zu einer Reduzierung der Umweltbelastung, ohne dass es gesetzliche Vorschriften gibt.
- Umweltregulierung fördert Investitionen, die auf die Reduzierung von Umweltproblemen ausgerichtet sind, durch eine Erhöhung der Investitionssicherheit.
- Durch den Druck der Regulierung werden Innovationen angereizt. Dieses Argument fußt auf der Hypothese, dass Innovationen in Organisationen häufig erst auf Druck von außen geschehen, der Beharrungstendenzen in Organisationen entgegenwirkt und die Suche nach kreativen Lösungen anregt.
- Durch die Umweltregulierung sind alle Unternehmen eines Sektors betroffen, sodass ausgeschlossen wird, dass ein Unternehmen Marktvorteile durch unterlassene Umweltinvestitionen erzielen kann. Dieses Argument trifft auf die heimischen Konkurrenten zu, lässt aber die Konkurrenzbeziehungen zu ausländischen Unternehmen, die insbesondere für kleine offene Volkswirtschaften nicht zu vernachlässigen sind, weitgehend außer Acht.
- Regulierungen sind für eine Verbesserung der Umweltqualität notwendig, wenn die Kosten durch die Regulierung nicht vollständig durch Innovationsgewinne wettgemacht werden können.
Diese Argumentationslinie geht also davon aus, dass Innovation durch Umweltregulierung induziert und stimuliert wird. In diesem Verständnis wird die Funktion der Politik als Voraussetzung bzw. Unterstützung für das Entstehen von Wettbewerbsvorteilen in den Vordergrund gerückt. Die Vorstellung dahinter ist, dass ein Land durch Umweltregulierung für die heimischen Unternehmen einen „First-Mover-Advantage“ anstoßen kann. Diesen Wirkungskanal kann man aus zwei Blickwinkeln sehen. Zum einen kann Umweltregulierung inländischen Unternehmen zu einer internationalen Führungsrolle verhelfen, wenn diese Produkte, Technologien oder Dienstleistungen zur Lösung von Umweltproblemen frühzeitig auf den Markt bringen. Somit können sie einen Wettbewerbsvorteil am in- und ausländischen Markt erzielen (First-Mover-Advantage durch Produktinnovationen). Zum anderen kann eine frühzeitige Umstellung auf neue Produktionstechnologien für Firmen unter Umständen Kosteneinsparungen bedeuten, die sich in der Folge in einer Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposition niederschlagen (First-Mover-Advantage durch Prozessinnovationen). Das Argument des First-Mover-Advantage wird auch von der EU als wesentlicher Vorteil der mittelfristigen energie- und klimapoltischen Zielsetzungen genannt.
Positive Effekte sind zu erwarten
In zahlreichen Studien wird die empirische Evidenz zu den Wettbewerbseffekten von Umweltpolitik analysiert, wobei der Fokus hauptsächlich auf den USA liegt. Die Ergebnisse zeigen, dass Umweltvorschriften kurzfristig zu geringen nachteiligen Auswirkungen auf Handel, Beschäftigung, Standort und Produktivität führen können, aber diese Auswirkungen im Vergleich zu allgemeinen Trends in der Globalisierung vernachlässigbar sind. In Bezug auf die Innovationseffekte entsprechend der Porter-Hypothese weist die Literatur im Allgemeinen auf einen positiven Effekt von Umweltvorschriften auf Umweltinnovationen hin, die jedoch die Regulierungskosten nicht wettmachen. In einer vergleichenden Studie zu Deutschland, Schweiz und Österreich zu den Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf Unternehmen zeigt sich, dass der Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit vernachlässigbar ist, während die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen für die Umweltqualität bestätigt wurde. In Hinblick auf den Einfluss von Umweltregulierungen auf Standortentscheidungen dürften andere Faktoren, wie etwa die Kosten für Arbeit, das Vorhandensein gut ausgebildeter Arbeitskräfte oder natürlicher Ressourcen oder gut ausgebaute Infrastruktur einen deutlich stärkeren Einfluss haben. In dieser Diskussion darf auch nicht vergessen werden, dass der eigentliche Zweck von Umweltregulierung immer die Verbesserung der Umweltqualität und die Reduktion negativer Auswirkungen auf die Gesellschaft ist. Nicht intendierte Nebeneffekte auf die Wettbewerbsfähigkeit sollten durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen abgefedert werden.