Politik
Neue Energiepolitik zwischen Chance und Gefahr
Etwa ein halbes Jahrhundert ist es her, seit Umweltpolitik als Politikfeld eine eigene Bedeutung erlangt hat, die über den reinen Nachbarschutz hinausgeht. In den Sechziger und Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts rückten Themen wie die Umweltbelastung durch Chemikalien oder die weiträumige Luftverschmutzung in den Fokus der Öffentlichkeit.
Die Klima- und Energiepolitik der EU sieht vor, dass die Treibhausgasemissionen der Mitgliedstaaten bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Im Lichte des Klimaübereinkommens von Paris 2015 hat sich die EU das politische Ziel gesetzt, bis 2050 den Ausstoß an Treibhausgasen um 80 bis 95 Prozent zu verringern. In Österreich haben fossile Energieträger immer noch einen Anteil von rund 70% des Energieverbrauchs. Dementsprechend grundlegende Auswirkungen wird der Ausstieg auf zentrale Sektoren wie Energieversorgung, Raumwärme, Mobilität und Industrie haben. Davon werden auch die Interessen der Beschäftigten und KonsumentInnen umfassend betroffen sein.
Zeit für eine umfassende Energie- und Klimastrategie
Angesichts der ambitionierten Ziele ist eine mutige und entschlossene Politik notwendig: Eine umfassende, vorausschauende Energie- und Klimastrategie hat die zentrale Aufgabe – quasi auf der Meta-Ebene – alle Maßnahmen, Strategien und Instrumente aufeinander abzustimmen und im Hinblick auf ihre gesamtwirtschaftlichen Wirkungen zu betrachten. Verbindliche Ziele sind dabei unabdingbar, um einen langfristigen und verlässlichen Rechtsrahmen zu schaffen, der Planungssicherheit für Investitionen und Technologieentwicklung gibt. Die Strategien und Maßnahmen müssen messbare Ziele haben, deren Erreichungsgrad regelmäßig überprüft werden soll.
Die erforderliche breite Akzeptanz kann nur erreicht werden, wenn die Maßnahmen und Strategien auch einen Beitrag zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Verteilungslage leisten. Für eine erfolgreiche Klima- und Energiestrategie sind insbesondere folgende 3 Punkte unabdingbar:
(1) Steigerung der Energieeffizienz
Im Rahmen der Energie- und Klimapolitik kommt der Steigerung der Energieeffizienz und damit der Reduktion des Energieverbrauchs eine zentrale Rolle zu. Dies bedeutet nicht nur einen geringeren CO2-Ausstoß, sondern auch eine Verringerung der Importabhängigkeit von fossiler Energie und damit eine Erhöhung der Versorgungssicherheit. Ein effizienter Energieeinsatz senkt die Energiekosten für private Haushalte und Unternehmen nachhaltig und ist damit für die energieintensive Industrie ebenso wie für einkommensschwache Haushalte von besonderer Bedeutung.
Obwohl der Steigerung der Energieeffizienz in allen politischen Reden höchste Priorität eingeräumt wird, spiegelt sich das in den politischen Entscheidungen nicht wider. Auf EU-Ebene wird derzeit über ein verbindliches EU-weites Energieeffizienzziel verhandelt. Während das EU-Parlament und die EU-Kommission für ein verbindliches Ziel eintritt, gibt es im EU-Rat – in dem die EU-Mitgliedstaaten vertreten sind – keine Einigung darüber.
Dabei spricht alles dafür, die Energieeffizienz als Chance zu nutzen und mit Hilfe eines verbesserten verbindlichen Regelwerkes proaktiv voranzutreiben.
(2) Ausbau Erneuerbarer Energie
Eine Reduktion des Energieverbrauchs ist die Grundvoraussetzung um die klimapolitischen Ziele zu erreichen. Gleichzeitig muss die Energie aber auch nachhaltig hergestellt werden. Da Elektrizität klimafreundlich erzeugt werden kann und vielfältig verwendbar ist, kommt ihr eine besondere Bedeutung zu. Daher wird die Nachfrage nach Strom steigen, selbst wenn insgesamt der Energieverbrauch sinkt. Um diese steigende Nachfrage zu decken, muss Österreich – nach aktuellen Prognosen – allein bis 2030 um mindestens 40% (also rund 25 TWh pro Jahr) mehr Elektrizität produzieren. Das entspricht mehr als einer Verdreifachung der geförderten Ökostromproduktion.
Die Herausforderung dabei: Selbst, wenn ausreichend erneuerbare Erzeugungsanlagen errichtet werden, heißt das noch lange nicht, dass jederzeit ausreichend Elektrizität zur Verfügung steht. Die Erzeugung erneuerbarer Energie ist stark witterungsabhängig und große Strommengen können nur sehr schwer länger als ein paar Tage gespeichert werden. Derzeit ist noch keine Lösung in Sicht. Immer noch werden konventionelle (Gas-)Kraftwerke benötigt.
Es existieren aber zukunftsfähige Ideen, wie z.B. die sogenannte Sektorenkoppelung, also das intelligente Zusammenspiel einzelner Energiesektoren. So könnten die Batterien in den Elektroautos als Speicher genutzt werden, um etwa Überschussstrom zu speichern. Aber auch die Umwandlung von Elektrizität in sogenanntes „grünes“ Gas bietet Vorteile: Gas lässt sich viel leichter speichern und das bestehende Gasnetz kann genutzt werden. Das Gas muss dann nicht mehr in Strom zurückgewandelt werden, sondern kann direkt für die Wärmeversorgung – mittels Gasthermen aber auch in den Fernwärmekraftwerken – eingesetzt werden. Die Herstellung von „grünem Gas“ ist allerdings noch zu teuer.
(3) Keine Transformation ohne Infrastruktur
Häufig vergessen wird in der Diskussion um die „Energiewende“ die notwendige Netzinfrastruktur. Neue Netznutzer, wie Wind- oder Photovoltaikanlagen, müssen ans öffentliche Netz angeschlossen und der erneuerbare Strom in die Verbrauchszentren transportiert werden. Die dezentrale und zugleich stark schwankende Einspeisung von Strom ins Stromnetz verlangt einen Ausbau der regionalen Verteilungsnetze, aber auch auf der Hochspannungsebene. Netzinfrastrukturprojekte mussten in den vergangenen Jahren aber immer wieder verschoben werden. Der Grund dafür sind häufig aufwändige und oft langwierige Genehmigungsverfahren. Die weit gefächerten Kompetenzverteilungen zwischen Bund und Ländern, die zu späte Einbindung von Umwelt-NGOs oder anderen Stakeholdern sowie zu weitreichende Interpretationsspielräume in den spezifischen Gesetzen ziehen die Verfahren unnötig in die Länge.
Aber es geht auch um netzdienliches Verhalten: Insbesondere führt die Vermeidung von Leistungsspitzen – sowohl bei der Einspeisung als auch beim Verbrauch – zur Entlastung der Stromnetze. Stromproduzenten müssen ein ökonomisches Interesse daran haben, ihre Stromproduktion zu glätten oder stärker dem Verbrauch anzupassen. Aber auch beim Verbrauch gilt es Anreize zu schaffen, wie z.B. dafür, Elektrofahrzeuge langsam zu laden.
All diese Maßnahmen, vom Ökostromausbau über die Herstellung von grünem Gas bis hin zum notwendigen Netzausbau sind technisch, aber vor allem ökonomisch sehr aufwändig. Die Herausforderung für die Zukunft lautet daher, die Fördersysteme transparent und effizient zu gestalten. Das bedeutet nicht nur, dass die Fördertarife nicht zu hoch sein dürfen, sondern auch, dass die richtigen Anreize für ein systemdienliches Verhalten gesetzt werden.
Zusammenfassung und Ausblick
Österreich sollte seine gute Ausgangsposition nun aktiv nutzen. Die EU-Ratspräsidentschaft bietet bei der Umsetzung des EU-Energiepaketes für unser Land eine große Chance. Neue Impulse zur Verbesserung in allen Bereichen sollten gesetzt werden.