Schwerpunkt
Trinkwasser
Interview mit der kanadischen Bürgerrechtlerin Maude Barlow : Wasser als Menschenrecht
Was bedeutet das Menschenrecht auf Wasser?
Barlow: Es war ein Durchbruch, als die UN-Generalversammlung das Menschenrecht auf Wasser beschloss, viele der englischsprachigen Länder waren dagegen, wie auch die Weltbank, der Weltwasserrat, die großen Wasserkonzerne und privaten Wasserversorger. Ich war Beraterin von Miguel d´Escoto Brockman, Präsident der UN-Generalversammlung im Jahr zuvor und wir arbeiteten eng mit Pablo Solon, dem bolivianischen UN-Botschafter zusammen, um diese Frage auf die Tagesordnung der Generalversammlung zu setzen. Es war ein wichtiger Schritt: Künftig können die Staaten dieser Welt und ihre Bevölkerung daran glauben, dass niemandem das Recht auf Wasser abgesprochen werden kann.
Welche weltweiten Herausforderungen sehen Sie?
Barlow: Es gibt drei große Herausforderungen: Zum einen gibt es eine ökologische Wasserkrise – in vielen Regionen der Welt gehen die Wasservorräte zurück. Das macht Wassergerechtigkeit schwieriger, da der Wettbewerb für diese knappe Ressource zunimmt. In Ländern wie Syrien, wo es bereits Konflikte gibt, ist dies umso schlimmer. Zweitens: mit steigendem Wasserverbrauch und steigender Armut in der sogenannten „Ersten Welt“ beobachten wir Wassersperrungen durch Versorger in Europa als eine Folge der Austeritätsmaßnahmen. Viele Menschen in Amerika erleben dasselbe, so beispielsweise in Detroit. Schließlich werden derzeit Freihandelsabkommen wie CETA, TTIP und TiSA ausverhandelt, die Menschen- und Umweltrechtschutz zu Gunsten transnationaler Konzernprofite in Frage stellen.
Was können Industriestaaten wie Kanada oder Österreich tun?
Barlow: Kanada oder Österreich sind im Vergleich zu anderen Staaten mit viel Wasser gesegnet. Sie müssen auf diese Ressource achten, sich für die Prinzipien Wassergerechtigkeit, Vertrauen in die öffentliche Wasserversorgung und nachhaltigen Umgang mit Wasser in allen Politikfeldern einsetzen – etwa bei Wasserbereitstellung, Quellwasserschutz, Herstellung von Lebensmitteln, Energieproduktion oder grenzüberschreitendem Handel. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Hilfsgelder in den Ländern des Südens für die öffentliche Wasserversorgung und den Schutz der ArbeitnehmerInnen in diesem Sektor verwendet werden und nicht dafür, private, profitorientierte Wasserkonzerne zu unterstützen.
Stellen Freihandelsabkommen eine Gefahr für Trinkwasser dar?
Barlow: Wir in Kanada leben mit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) seit mehr als 20 Jahren. Wir können euch sagen, dass die amerikanischen Unternehmen es erfolgreich genützt haben, um Gesetze zum Schutz des Wassers und der Umwelt zu untergraben, aber auch den Anspruch von Wasserrechten in einer kanadischen Provinz durchzusetzen. CETA, TTIP und TiSA bringt NAFTA nach Europa, damit das Recht der Konzerne, Regierungen zu klagen. Diese Freihandelsabkommen sind ein Fehler.