Schwerpunkt
Trinkwasser
Durst? Sauberes Trinkwasser für alle!
1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser befinden sich auf dem Planeten Erde. Diese Menge ist konstant, denn Wasser geht nicht verloren. Es kann verdunsten oder versickern, taucht dann aber in Form von Regen, Schneefall oder Quellwasser irgendwo im globalen Wasserkreislauf wieder auf. Aber nur 2,5 Prozent dieser Gesamtmenge sind Süßwasser, also für den Menschen potenziell verwendbares Trinkwasser. Davon sind große Mengen in Form von Gletscher- und Polareis gebunden. Was bleibt, sind ca. 213.000 Kubikkilometer Süßwasser, das in Form von Oberflächen- oder Grundwasser mehr oder weniger leicht zugänglich ist und genutzt werden kann. Diese Menge aber ist weltweit höchst ungleich verteilt, von Kontaminierungen bedroht und zunehmend heiß umkämpft.
Denn neben der Verwendung in den Haushalten dürsten auch noch andere Nutzer nach Wasser: allen voran die globale Landwirtschaft, die mit rund 70 Prozent den deutlich größten Süßwasserverbrauch verursacht. Grund dafür ist der massive Anstieg der intensiven Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten. Etwa 40 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel werden heute auf Flächen angebaut, die bewässert werden müssen. Während Länder in den gemäßigten Breiten – wie auch das glückliche Österreich – kaum auf Bewässerung angewiesen sind, verbraucht in heißen und trockenen Ländern die Landwirtschaft bis zu 85 Prozent des verfügbaren Süßwassers.
Globale Wirtschaft
Besonders betroffen sind davon zahlreiche Entwicklungsländer. Aus menschenrechtlicher Sicht bedenklich ist diese Entwicklung vor allem dort, wo die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen nicht der Lebensmittelversorgung der lokalen Bevölkerung dient, sondern der Produktion von Exportgütern, wie z.B. Baumwolle, Schnittblumen und Exportfrüchten. Auch der exzessive Verbrauch von Grundwasserreserven in manchen Regionen muss nachdenklich stimmen. Durch den Verbrauch von Gütern aus Entwicklungsländern importieren wir mit diesen Waren auch einen unsichtbaren Wasserrucksack. Wasser, das dort für andere Nutzungen - u.a. als Trinkwasser - fehlt. ExpertInnen sprechen in diesem Kontext von „virtuellem Wasser“ und verweisen darauf, wie enorm groß dieser virtuelle Wasserverbrauch in den reichen Industrieländern im Gegensatz zu den armen Ländern des globalen Südens ist. Der sogenannte Wasserfußabdruck ist somit eine der zentralen Ungerechtigkeitsachsen im Nord-Süd-Verhältnis. Wie in den Bereichen Energie und Flächenverbrauch konsumiert der reiche Norden auch im Bereich Wasser weit mehr als ihm zustünde.
Industrie und Energiegewinnung konsumieren weitere 20 Prozent des Süßwasserbedarfs. Für benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern stellt dies nicht selten eine Bedrohung ihres Rechts auf Wasser dar. Riesige Staudammprojekte sowie Land Grabbing führen nicht nur dazu, dass AnwohnerInnen von Land und Boden vertrieben werden, sondern auch den Zugang zu ihren traditionellen Wasserquellen verlieren. Auch Bergbauaktivitäten führen zu Wasserkonflikten: so klagen Viehhirten in der mongolischen Wüste Gobi derzeit über die Wasserverknappung, die durch den Ausbau einer riesigen Kupfermine eines internationalen Bergbaukonzerns entstanden ist. Häufig stehen in diesen Konflikten die Interessen von Konzernen und einer exportorientierten Wirtschaftspolitik den Interessen lokaler Bevölkerungen entgegen.
Weiteren „Wasserstress“ verursachen Umweltfaktoren wie Klimawandel, massive Abholzungen und Bodenverdichtung. Die beiden letztgenannten führen dazu, dass Böden und Biomasse weniger Wasser speichern können und das kostbare Süßwasser somit schneller in die Weltmeere gelangt. Der Klimawandel wiederum führt in verschiedenen Weltregionen zu ausbleibenden Regenzeiten und Dürren. Nur erwähnt seien weitere Bedrohungen durch Kontaminierung von Trinkwasser mit Pestiziden und Industrieabwässern.
Globale Wasserkrise
Kein Wunder also, wenn von einer globalen Wasserkrise gesprochen wird. Laut einer UN-Prognose wird bereits 2030 der weltweite Wasserbedarf das Angebot um 40 Prozent überschreiten. Wie kann in dieser Situation die wachsende Weltbevölkerung mit sauberem Trinkwasser versorgt werden? Und wie bekommen jene Gruppen, die bis heute verschmutztes Wasser von weit entfernten Brunnen holen müssen, Zugang zu sicheren Wasserleitungen?
Hoffnungen wecken in diesem Zusammenhang mehrere internationale Beschlüsse. 2010 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine historische Resolution verabschiedet: Das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser wurde als essentiell für die Verwirklichung des vollen Rechts auf Leben anerkannt. Gleichzeitig wurden Staaten und internationale Organisationen dazu aufgerufen, Entwicklungsländer durch finanzielle Hilfe, capacity building und Technologietransfer dabei zu unterstützen, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser für ihre Bevölkerung zu gewährleisten. Der Resolution, die auf eine Initiative Boliviens zurückging, wurde mit 122 Stimmen angenommen. Österreich war eines jener 41 Länder, die sich der Stimme enthielten. Offensichtlich aus Sorge um mögliche Verpflichtungen, die dem wasserreichen Alpenland daraus erwachsen könnten. Diese Enthaltung war kein Ruhmesblatt für unser Land.
Der UN-Menschenrechtsrat ging kurz darauf noch weiter: das Recht auf sauberes Trinkwasser bedeute eine rechtswirksame und bindende Verpflichtung für die Staaten, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, die die Trinkwasserversorgung – auch für marginalisierte Gruppen – sichern können.
Laut Maude Barlow, der Vorsitzenden der NGO „Food & Water Watch“, waren diese beiden Resolutionen Meilensteine. Zahlreiche Staaten – darunter auch viele Entwicklungsländer – haben im Anschluss nationale Gesetze beschlossen und die Umsetzung vorangetrieben. Durchaus profitiert davon haben mancherorts nationale Minderheiten: so konnten die Kalahari-Buschleute 2011 vor nationalen Gerichten erfolgreich gegen die botswanische Regierung klagen, die die Wasserversorgung der Buschleute zerstört hatte, um die Nomaden von ihrem Land zu vertreiben. In der indischen Metropole Mumbai konnte die Stadtverwaltung verpflichtet werden, Wasserversorgungssysteme auch für illegale Slumsiedlungen auszubauen. Aber auch in Europa und den USA konnten Menschenrechtsorganisationen die neue rechtliche Basis nutzen, um etwa gegen private Wasserversorgungsunternehmen vorzugehen, die überhöhte Wasserpreise in Gemeinden durchgesetzt und dann zahlungsunfähigen Haushalten das Wasser abdreht hatten. Letzteres verweist auf einen der Trends, den viele als Hindernis für globale Wasserrechte sehen: die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung, die – empfohlen und gefördert durch die Weltbank – jahrelang auf dem Vormarsch war. Doch viele Gemeinden, so etwa auch Paris, rudern nun aufgrund schlechter Erfahrungen mit Konzernen zurück und legen die Wasserversorgung wieder in öffentliche Hände.
Der Ausbau des Zugangs zu sauberem Trinkwasser fand seit dem Jahr 2000 auch Eingang in die globale Entwicklungsagenda. Sowohl die UN-Millennium Development Goals (bis 2015) als auch die anschließenden Sustainable Development Goals nennen einen Ausbau von sicheren und zugänglichen Trinkwasserversorgungssystemen als zentrale Entwicklungsziele. Auch Österreich investiert in diesen Bereich: so wurden 2015 rund 13,5 Prozent des Budgets der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit für Projekte rund um Trinkwasser- und Abwassermanagement verwendet.
Recht auf Trinkwasser
Ein gemeinsames Monitoringprogramm von UNICEF und WHO berichtet über Fortschritte in einer großen Zahl an Ländern. Erfolge gibt es aber vor allem in urbanen Gebieten. Rund 700 Millionen Menschen weltweit sind aber immer noch auf weit entfernte oder unsichere Trinkwassersysteme angewiesen. Am stärksten betroffen: arme Bevölkerungsgruppen am Land. Hier liegt global gesehen die Wahrscheinlichkeit, über Leitungswasser bzw. einen Hausbrunnen zu verfügen, nur bei 15 Prozent. Höherer Wohlstand und das Leben in der Stadt erhöhen die Wahrscheinlichkeit enorm. Der Ausbau von Wasserversorgungssystemen stimmt zuversichtlich. Gleichzeitig muss jenen Gefährdungen entgegengetreten werden, die die Wasserkrise schüren: dem enormen Wasserverbrauch unseres Lebensstils, dem Klimawandel und den Tendenzen, Konzerninteressen über menschliche Grundbedürfnisse zu stellen.