Schwerpunkt

Demokratie

Die Bedeutung der Wahlen

Vorwahlumfragen sagen einen  deutlichen Rechtsruck bei den  nächsten EU-Wahlen voraus.  Parteien werden zulegen, die  offen rassistisch argumentieren  und den Klimawandel leugnen.  Inwieweit ist eigentlich die Demokratie in Gefahr?

Als Staatsbürger würde ich angesichts der jüngsten Entwicklungen sagen: Wenn Rechtsextreme bei Spendengalas über die Deportation von Millionen Menschen diskutieren und dem Generalsekretär der umfragestärksten Partei in Österreich dazu einfällt, er sehe kein Problem, es habe sich lediglich um eine Zusammenkunft von Patrioten gehandelt, dann haben wir diskursiv ein beängstigendes Feld betreten.

Warum ist demokratische Mitbestimmung gerade auch auf europäischer Ebene so wichtig?

Die Zustimmung zur Demokratie lebt davon, dass Menschen das berechtigte Gefühl haben, ihr Schicksal selbst mitbestimmen zu können. Das gilt auf allen Ebenen. So wichtig ich die Teilnahme an den Wahlen zum EU-Parlament finde, so wenig halte ich allerdings das europäische Institutionengefüge für der Weisheit letzten Schluss. Auf den Punkt gebracht: Eine übermächtige Kommission, die hinter verschlossenen Türen Entscheidungen fällt und ein Parlament, das nicht einmal Initiativrecht hat – sind in Summe ein schwerwiegendes Demokratiedefizit. Menschen, die das kritisieren, sollte man ernst nehmen und nicht als Hinterwäldler und EU-Gegner:innen abtun. Und gleichzeitig sollte man sich nicht drüber wundern, warum viele Menschen das Gefühl haben, dass die EU-Wahlen für ihr Leben belanglos sind.

Die Wurzeln der Arbeiterkammer liegen in der Idee von Arbeitnehmer:innenparlamenten, in denen die Mitglieder selbst über die Ziele ihrer Vertretung entscheiden können. Das ist bis zum heutigen Tag bei den AK-Wahlen so. Welche Bedeutung haben diese Wahlen heute?

Mit der Gründung der AK im Jahr 1920 war ein ganz elementarer Fortschritt verbunden: Seither gibt es einen Wissensapparat, der ganz eindeutig auf Seiten der Beschäftigten steht. Das hat allerdings natürlich auch mit den Mehrheitsverhältnissen in der Selbstverwaltung zu tun. Wenn Fraktionen an Einfluss gewinnen, die die AK schwächen wollen, indem sie etwa fordern die Pflichtmitgliedschaft aufzuheben, die Umlage zu senken oder bestimmte Tätigkeitsbereiche einzustellen – dann hätte das natürlich gravierende Auswirkungen auf die Tätigkeit der AK als solche.

Die jetzt anstehenden „Transformationsprozesse" hin zu einer sozial-ökologischen Gesellschaft sind mit einer auf Profite und Wachstum ausgerichteten Wirtschaftsweise kaum durchführbar. Im Rahmen von Demokratie und Rechtsstaat könnte viel mehr möglich sein, als letztlich nur Industrie­interessen zu bedienen. Wie kann das gelingen?

Als er ein alter Mann war, gelangte Friedrich Engels, in seiner Jugend Barrikadenkämpfer und glühender Revolutionär, zu einer interessanten Einsicht: Auch schrittweise Verbesserungen können letztlich revolutionäre Auswirkungen haben! Das ist, wie man in Amerika sagt, eine uphill-battle. Aber die Alternative wäre, das Feld zu räumen. Bei Lichte betrachtet ist das auch keine Option.