Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Kann Atomkraft eine Rolle bei der klimafreundlichen Energiewende spielen?

Pro: Wir schaffen Net Zero nur gemeinsam. 

2023 wurde die Kernenergie von der COP 28 zu einem Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel erklärt. Ihre Emissionen sind mit denen der Windenergie vergleichbar und daher ist es eine logische Konsequenz, dass sie, gemeinsam mit allen emissionsarmen Energieträgern, am Kampf gegen den Klimawandel beteiligt ist. Ich persönlich durfte erstmals bei der COP 21, der UN-Klimakonferenz in Paris 2015, und später bei weiteren Klimakonferenzen, über die Kernenergie als Vorreiterin im Kampf gegen den Klimawandel informieren.  

Kernenergie liefert zuverlässig Strom und deckt den Grundlastbedarf. Durch die sehr hohe Energiedichte ist der Landverbrauch äußerst gering und die produzierte Energie maximal. Sicherheit muss immer an erster Stelle stehen, daher sind neu geplanten Systeme (Small Modular Reaktoren) pro Anlage kleiner, ohne an Leistung einzubüßen. 

Dass es mittlerweile Lösungen für die Endlagerung des Abfalls gibt, hat sich leider noch nicht herumgesprochen. Um diese Thematik nicht an die nächste Generation weiterzugeben, forsche ich aktiv mit über 50 Partnern in einem europäischen Forschungsprogramm an der Umsetzung einer sicheren Endlagerung. Technisch ist das längst gelöst (z.B. für hochradioaktiven Abfall durch geologische Tiefenlagerung), allerdings müssen wir die Politik und die Herzen der Menschen davon überzeugen, sich nicht ständig gut erforschten Lösungen in den Weg zu stellen. So kann ich auch meinen Kindern mit ruhigem Gewissen entgegentreten und sagen, ich habe aktiv am Kampf gegen den Klimawandel teilgenommen. 

Con: AKWs decken ein Zehntel der globalen Stromproduktion ab. Wegen der langen Bauzeiten ist diese Technologie zur zeitnahen CO2-Einsparung untauglich. 

Als ich in den 1990er-Jahren Anti-Atom-Kampaigner bei Greenpeace war, hatten wir drei gute Gründe, die Atomkraft zu bekämpfen: die ungelöste Lagerung des Atommülls, das Risiko einer Reaktorkatastrophe und die damit geschaffene Möglichkeit des Atomwaffenbaus.  Daran hat sich bis heute leider nichts geändert. Niemand kann die Verantwortung dafür übernehmen, dass radioaktiver Abfall über Jahrtausende sicher verwahrt werden kann, also ist die Lagerung per se verantwortungslos. Das kann ich als promovierter Geologe sagen. 

Der Super-GAU von Fukushima hat gezeigt, dass auch ein Hochtechnologie-Land wie Japan nicht vor einer Kernschmelze gefeit ist. Und dass Atomwaffen und Atomkraft siamesische Zwillinge sind, zeigen jene Länder, die über beides verfügen.

AKWs decken derzeit nur ein Zehntel der globalen Stromproduktion bzw. zwei Prozent des weltweiten Energiebedarfs ab. Ein nennenswerter Ausbau scheitert an den langen Errichtungszeiten und den Finanzen. Beim modernen finnischen Reaktor Olkiluoto-3 betrug die Bauzeit 17 Jahre, die Kosten vervierfachten sich in diesem Zeitraum. Als wirksames und zeitnahes Mittel zur Einsparung von Treibhausgas-Emissionen ist diese Technologie deshalb untauglich. Mit dem Geld für den Bau (und Abbau!) eines Reaktors kann mehr Energie einspart werden, als dieser in absehbarer Zeit produzieren würde.