Schwerpunkt

Klimaziele & Verkehr

Von Gewohnheit zur bewussten Mobilität

Tägliche Wege werden nicht immer neu geplant, es wird auf die persönlich bekannten und bewährten Mobilitätsangebote wie etwa das Auto vor der Haustüre zurückgegriffen. Eine Änderung der Mobilitätsroutinen ist dann möglich, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern. Das passiert etwa bei einem Wohnungs- oder Arbeitsplatzwechsel. Unternehmen können daher mit betrieblichem Mobilitätsmanagement wichtige Anreize für ein klimaverträgliches Mobilitätsverhalten ihrer Beschäftigten leisten.  

Das Unternehmen als treibende Kraft

Das Mobilitätsangebot am Arbeitsort beeinflusst nicht nur Arbeitswege, sondern indirekt auch das gesamte Mobilitätsverhalten der Beschäftigten. Wird ein Firmenwagen zur Verfügung gestellt, beeinflusst dieser auch die Verkehrsmittelwahl in der Freizeit. Eine Mobilitätserhebung für Vorarlberg hat gezeigt, dass Personen mit Firmenwagen den Öffentlichen Verkehr deutlich seltener nutzen, hingegen aber häufiger mit dem Auto fahren. Die Parkplatzverfügbarkeit hat ebenfalls Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl. Ohne Parkplatz am Arbeitsort reduziert sich die Anfahrt mit dem Pkw um 46 Prozentpunkte. Insgesamt verursachen Arbeits- und Dienstwege mehr als die Hälfte des werktäglichen Pkw-Verkehrs in Österreich. 

Die Lage des Arbeitsorts und das Mobilitätsangebot des Arbeitgebers an die Beschäftigten spielen eine wichtige Rolle für das Mobilitätsverhalten. Der Zugang zu nachhaltigen Mobilitätsangeboten wie eine gute Anbindung an den Öffentlichen Verkehr, flexible Sharing-Angebote und eine sichere Infrastruktur für Radfahren und Gehen sind maßgeblich für die Wahl des Verkehrsmittels. 

Öffentlicher Verkehr als Rückgrat der Mobilität 

Die Zusammenarbeit mit öffentlichen Verkehrsunternehmen ermöglicht eine Reduktion der Autofahrten. Besteht Bedarf an zusätzlichem Mobilitätsangebot, kann dieses wie etwa in Kärnten bei der Betriebsvergrößerung der Firmen Mahle-Filtersystem und Bosch-Mahle erweitert werden. Bereits im Jahr 2017 wurden die ehemaligen Werksbusse in den allgemeinen Linienverkehr integriert und unter Berücksichtigung der Schichtzeiten das S-Bahn Angebot ausgeweitet. 

Ist bereits ein öffentliches Angebot vorhanden, so kann die Bereitstellung von Zeitkarten einen Umstieg initiieren. Das Unternehmen Knapp in Hart bei Graz vergibt eine Öffi-Jahreskarte an alle Mitarbeitenden, die ohne Auto in die Arbeit kommen. 426 Jahres- und Halbjahreskarten wurden von Oktober 2018 bis Jänner 2020 ausgegeben. Für Beschäftigte mit ungünstiger Anbindung wurden 15 Elektroautos zur gemeinschaftlichen Nutzung bereitgestellt und zwei Shuttle-Busse organisiert. 

Mobilität nach Bedarf

An vielen Standorten ist der Bedarf an weiteren flexiblen Mobilitätsangeboten gegeben. Das ist der Fall, wenn beispielsweise das öffentliche Verkehrsangebot nicht ausreicht oder spezielle Bedürfnisse gedeckt werden müssen, die eine hohe Flexibilität verlangen. Mit der Plattform V, die im Jahr 2021 beim VCÖ-Mobilitätspreis ausgezeichnet wurde, haben sich in Vorarlberg 40 Firmen zusammengeschlossen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Sie widmen sich insbesondere neuen Mobilitätsangeboten wie Mitfahrgelegenheiten, flexiblen On-Demand Bussen, digitalen Informations- und Buchungsangeboten sowie einem Mobilitätsbudget. Eines haben diese Lösungen gemeinsam, sie benötigen eine kritische Masse an Nutzenden. Die initiierenden neun Unternehmen der Plattform kommen bereits auf 10.000 Mitarbeitende. Die Zusammenarbeit auf Regionsebene ermöglicht, neue Mobilitätsangebote erfolgreich umzusetzen und gleichzeitig wird der Austausch zwischen den Unternehmen gestärkt. 

Ein Teil der Lösung kann das Konzept eines „Mobilitätsbudgets“ sein. Dabei wird Mobilität als Ganzes betrachtet und den Mitarbeitenden ein Budget für ihre tägliche Mobilität zur Verfügung gestellt. Somit kann je nach Bedarf entschieden werden, welches Mobilitätsangebot für den jeweiligen Weg sinnvoll ist. Die Umsetzung kann auch über ein Punktesystem erfolgen. Die Beschäftigten haben jeweils eine gewisse Anzahl an Punkten im Monat zur Verfügung. Die Nutzung eines Pkw verbraucht dabei die höchste Punktezahl je Fahrt, zur Arbeit zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren, kostet keine Punkte oder bringt sogar Bonuspunkte. Systeme wie die „EcoPoints“ in Vorarlberg oder das Angebot des Start-Ups „ummadum“ wiederum belohnen Beschäftigte mit Punkten, wenn sie klimaverträglich zur Arbeit kommen. Und die Punkte können beispielsweise bei verschiedenen Handelspartnern der jeweiligen Region eingelöst werden.

Kalorien statt Erdöl verbrennen

Sechs von zehn Autofahrten, die in Österreich an Werktagen zurückgelegt werden, sind kürzer als zehn Kilometer, vier von zehn Autofahrten sind kürzer als fünf Kilometer. Mehr als die Hälfte aller Arbeitswege in Österreich sind kürzer als 10 Kilometer. Das Potenzial für aktive Mobilität wie Gehen und Radfahren ist hoch. Mit den immer beliebter werdenden E-Fahrrädern erweitert sich der Radius. Aktive Mobilität bietet eine große Chance, Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Trotzdem werden derzeit nur rund sieben Prozent aller Wege in Österreich mit dem Rad gefahren. Vorarlberg liegt mit 16 Prozent Radfahranteil an der Spitze. Ein großes Potenzial, um zum Umstieg vom Auto auf das Fahrrad zu motivieren, bieten Radschnellwege. Das sind breite, baulich von der Straße getrennte Radwege, die möglichst direkte Verbindungen zwischen zwei oder mehreren Gemeinden bieten. Die Arbeits- und Alltagswege können damit schnell und komfortabel zurückgelegt werden. Die Stadt Graz plant in ihrem Masterplan Radfahren Radschnellverbindungen mit 4 Meter Nettobreite für den Radverkehr und 2 Meter für das Gehen auf der höchsten Netzebene. Ein Radwegnetzstudie auf Grundlage von GPS-Daten ergab einen klaren Bedarf.

In Kopenhagen konnten durch den Bau von neun Radschnellwegen im Zeitraum 2009 bis 2021 insgesamt 30 umliegende Gemeinden erschlossen werden. Im Jahr 2020 gab es dort durchschnittlich 40 Prozent mehr Radfahrende als die Jahre davor. Mit einer klaren Positionierung und dem Aufzeigen des Bedarfs für Radverkehr können Unternehmen den Bau von sicheren und schnellen Rad- und Fußverbindungen unterstützen. Sie können außerdem durch einfache Maßnahmen vor Ort Radfahren attraktiver gestalten. Dazu gehören ausreichend wettergeschützte Fahrradabstellplätze sowie versperrbare Spinde zum Verstauen von Equipment und dem Laden von Akkus. Wenn möglich, sollten Duschen und Garderoben bereitgestellt werden. Auch Aktionswochen, Teilnahme an Wettbewerben wie „Österreich radelt“ sowie das gute Vorbild von Vorgesetzten leisten einen wichtigen Beitrag. 

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Das Mobilitätsangebot am Arbeitsort und die bereitgestellten Services beeinflussen, wie Beschäftigte sowohl am Arbeitsweg als auch in ihrer Freizeit mobil sind. Unternehmen tragen eine soziale Verantwortung, die Mobilität ihrer Beschäftigten umweltfreundlich mitzugestalten. Insbesondere größere Unternehmen ab etwa 50 Beschäftigten sind aufgerufen ein Mobilitätsmanagement einzuführen. Gleichzeitig entstehen viele Vorteile, denn Unternehmen können durch Maßnahmen für nachhaltige Mobilität Kosten einsparen, ihr Image verbessern und haben zufriedenere und gesündere Mitarbeitende. In Deutschland und Dänemark zeigte sich, dass Beschäftigte, die regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, im Durchschnitt um ein bis zwei Tage pro Jahr seltener im Krankenstand sind.

Maßnahmen zeigen Wirkung 

Das Unternehmen Boehringer-Ingelheim konnte durch ein effizientes Mobilitätsmanagement und die Einführung von Maßnahmen im Bereich öffentlichen Verkehr, Shuttle Busse und Fahrrad-Infrastruktur eine Verlagerung bewirken. Vor der Umsetzung kamen über die Hälfte der Beschäftigten mit dem Auto zur Arbeit. Zwei Jahre später konnte der Anteil auf 30 Prozent gesenkt werden. Der Anteil des Öffentlichen Verkehrs stieg von 36 Prozent auf 55 Prozent und die Zahl der aktiv Mobilen konnte um drei Prozent gesteigert werden.

Um das volle Potenzial auszuschöpfen braucht es neben der Umsetzung eine Begleitung durch bewusstseinsbildende Maßnahmen und eine starke Einbindung der Beschäftigten selbst. Gleichzeitig ist es nicht mit der Umsetzung getan, durch den Einsatz einer oder eines Mobilitätsbeauftragten kann das Mobilitätsmanagement langfristig erfolgreich etabliert werden. Nur so kann garantiert werden, dass Veränderungen angenommen werden und ein Umstieg auf klimafreundliche Mobilität gelingt.