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Klimaziele & Verkehr

Biokraftstoffe – eine Enttäuschung

Autos und Lkw und mit ihnen die Verbrennungsmotoren waren die Triebfeder der Wirtschaft, die Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Sie werden mit Benzin oder Diesel betrieben, also mit Kraftstoffen, die aus Erdöl erzeugt werden. Das verursacht Emissionen von klimaschädlichen Gasen in hohem Ausmaß. Daher sind sie in Verruf geraten. Eine Zukunft können Verbrennungsmotoren nur haben, wenn Kraftstoffe zum Einsatz kommen, die keine Treibhausgase freisetzen. Ein möglicher Weg zu diesem Ziel scheint die Erzeugung von Kraftstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen zu sein. 

Dafür gibt es schon einige Technologien. Dabei werden pflanzliche Rohstoffe wie Getreide oder Speiseöl, die als Nahrung oder als Futtermittel dienen können, grundlegend verändert. Aus einem Nahrungsmittel für Lebewesen entsteht auf diese Weise Treibstoff für Maschinen. 

Je nachdem, welcher Kraftstoff ersetzt werden soll, sind unterschiedliche Verfahren in Verwendung. Benzin lässt sich heute zu einem bestimmten Anteil durch Ethanol ersetzen, dem gängigen Alkohol in reiner Form. Dieser wird im Prinzip so hergestellt wie Kornbrand: Getreide wird mit Hilfe von Mikroorganismen vergoren, dann wird der entstandene Alkohol abdestilliert. In Österreich geschieht dies in einer Industrieanlage der Firma Agrana in der Nähe von Tulln. Aus 1000 kg Getreide (es kommen vor allem Weizen oder Mais zum Einsatz) können etwa 350 Liter Ethanol hergestellt werden. Heute enthält Benzin, das an der Tankstelle angeboten wird, üblicherweise 5 Prozent Alkohol; es wird dann als E-5 Benzin bezeichnet; in Deutschland ist auch E-10 Benzin üblich. 

Ersatzstoffe für Diesel werden aus pflanzlichen Ölen hergestellt, und zwar in einer chemischen Reaktion, die als Veresterung bezeichnet wird. Dabei entstehen sogenannte Fettsäuremethylester, kurz FAME, auch Biodiesel genannt. Manche Dieselmotoren können sogar mit reinem Biodiesel betrieben werden, aber viel gängiger ist die Beimischung von etwa sieben Prozent Biodiesel zum gewöhnlichen Diesel.

Daneben gibt es einige andere Stoffe, die aus pflanzlichem Material hergestellt werden und den gewöhnlichen Treibstoffen zugesetzt werden können. Aber sie spielen mengenmäßig eine geringe Rolle.

Weniger Treibhausgase?

Die Verbrennung von fossilen Energieträgern – Erdöl, Kohle oder Erdgas – führt zu einem Anstieg der Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Kohlendioxid (CO2) ist das wichtigste Treibhausgas, das durch menschliche Aktivität in der Atmosphäre angereichert wird und trägt daher am meisten zur globalen Erwärmung bei. Auch bei der Verbrennung von Biomasse wird CO2 freigesetzt, aber in diesem Fall wurde von den Pflanzen, als sie kurz zuvor gewachsen sind, die gleiche Menge an CO2 der Luft entnommen. Daher führt die Verbrennung von Biomasse – im Gegensatz zur Verbrennung von Erdölprodukten – mittelfristig nicht zu einem Ansteigen der CO2-Menge in der Atmosphäre. Das ist der Grund dafür, dass ursprünglich viel Hoffnung in den Ersatz von gewöhnlichem Benzin oder Diesel durch Biokraftstoffe gesetzt wurde, um die Belastung des Klimas durch den Verkehr zu verringern.

Aber es gibt zwei wichtige Faktoren, die diese Hoffnung schwinden lassen: Erstens gibt es nicht genug landwirtschaftliche Rohstoffe, um aus pflanzlichen Quellen die enorme Nachfrage des heutigen Verkehrssystems nach Kraftstoffen zu decken. Zweitens werden bei der Produktion der landwirtschaftlichen Rohstoffe für die Biokraftstoffproduktion auch große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, die die Klimafreundlichkeit der Biokraftstoffe zunichte machen.

Zu wenig Anbaufläche

Wieviel Fläche wäre nötig, um die Menge an Benzin und Diesel, die jährlich auf den Straßen der EU verfahren werden, durch Bioethanol (aus Mais und Weizen) und Biodiesel (aus Rapsöl) zu ersetzen? Auch wenn die gesamte landwirtschaftliche Fläche in der EU, einschließlich des Grünlands (Wiesen), für die Herstellung von Biokraftstoffen verwendet würde, würde die Fläche nicht ausreichen. Wenn auch noch die Menge an Treibstoffen ersetzt werden soll, die Traktoren, Schiffe und Flugzeuge brauchen, wäre noch deutlich mehr Fläche nötig. Für den Anbau von Lebensmitteln für Menschen und von Futtermitteln für Tiere wäre dann kein Platz mehr. 

Darüber hinaus werden auch im Zuge der landwirtschaftlichen Produktion eine Menge Treibhausgase freigesetzt. Um ausreichend hohe Erträge zu erzielen, werden Böden mit Kunstdünger gedüngt. Dessen Herstellung braucht große Mengen an Erdgas, wodurch entsprechend viel Treibhausgase entstehen. In den gedüngten Böden wird der Kunstdünger teilweise zu einem anderen wichtigen Treibhausgas umgewandelt (chemisch N2O, genannt Distickstoffdioxid oder Lachgas), das ebenfalls stark zur globalen Erwärmung beiträgt. Schließlich wird bei den Verarbeitungsschritten der Biokraftstoffe viel Energie eingesetzt, die derzeit auch aus fossilen Energieträgern stammt und daher das Klima belastet. 

Indirekte Emissionen

Um zu beurteilen, ob Biokraftstoffe zum Klimaschutz beitragen, muss also gegenübergestellt werden, wieviel Treibhausgase bei der Verwendung eingespart werden und wieviel zusätzliche Emissionen bei der Produktion entstehen. 
Das Ergebnis hängt von verschiedenen Faktoren ab; es gibt Studien, die zum Schluss kommen, dass die Erzeugung von Ethanol aus Getreide insgesamt zu keiner Einsparung von Treibhausgasen führt. Bei Biodiesel ist die Situation etwas günstiger. Besonders gut ist die Bilanz bei der Verwendung von Altspeiseöl als Ausgangsmaterial für Biodiesel, doch kann mit der verfügbaren Menge nur ein verschwindender Bruchteil des Dieselbedarfs ersetzt werden.

Wenn die benötigten Biokraftstoffen nicht in der EU erzeugt werden können, liegt der Schluss nahe, dass sie stattdessen importiert werden. Bei fossilen Treibstoffen ist es nicht anders: Wir importieren in der EU ja auch den größten Teil des Erdöls, das derzeit für die Herstellung von Benzin und Diesel verwendet wird. So kann etwa Bioethanol auch aus Zuckerrohr hergestellt werden, das etwa in Brasilien angepflanzt wird; Biodiesel kann aus Palmöl oder Sojaöl stammen, das in Malaysia oder Indonesien hergestellt wurde. 

Aber auch in diesen Ländern wird die landwirtschaftliche Fläche vor allem für die Produktion von Nahrungsmitteln benötigt. Wenn also Rohstoffe für Biokraftstoffe angebaut werden, besteht die Gefahr, dass Urwälder gerodet werden, damit weiterhin genug Lebensmittel produziert werden können. Weil die Erhaltung der Urwälder für den Schutz des Klimas wichtig ist, sollen solche Rodungen – etwas beschönigend als „Landnutzungsänderungen“ bezeichnet – vermieden werden. Doch während Palmöl in Lebensmitteln wegen dieser Bedrohung der Urwälder mittlerweile in Verruf geraten ist und viele Lebensmittelhersteller ihre Produkte als „frei von Palmöl“ ausloben, kommt Palmöl in Form von Biodiesel weiterhin in großen Mengen auf den europäischen Markt.

Nach der anfänglichen Euphorie zeigt sich nun, dass Biokraftstoffe, die aus landwirtschaftlichen Rohstoffen hergestellt werden, das Problem der Treibhausgasemissionen des Verkehrs nicht lösen können, sondern es höchstens verlagern. Deshalb sieht die AK – so wie auch viele Umweltorganisationen – Biokraftstoffe aus Getreide und Pflanzenöl als umweltschädlichen Irrweg.

Zwei Lösungsmöglichkeiten werden derzeit intensiv untersucht: einerseits die Herstellung von Kraftstoffen aus pflanzlichem Material, das nicht als Nahrungs- oder Futtermittel verwendet wird; andererseits die Herstellung von Kraftstoffen aus erneuerbarer Elektrizität. 

Andere Rohstoffe

Im ersten Fall kommen pflanzliche Reststoffe, beispielsweise Stroh, aber auch Holzabfälle, in Frage, aber auch die Produktion von Biokraftstoffen aus Algen. Bei der Herstellung von Kraftstoffen aus elektrischem Strom ist der erste Schritt stets die Erzeugung von Wasserstoff, einem leichten, hoch brennbaren Gas. Dieser kann entweder direkt in dafür geeigneten Fahrzeugen eingesetzt werden oder zu anderen, einfacher handhabbaren Produkten umgewandelt werden. Die so erzeugten Kraftstoffe werden „Elektrizitäts-Kraftstoffe“ oder auf Englisch kurz „E-Fuels“ genannt.

Beide Wege – „fortschrittliche“ Biokraftstoffe und „E-Fuels“ – sollen nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission in Zukunft vermehrt beschritten werden, während die herkömmlichen Biokraftstoffe an Bedeutung verlieren sollen.

Doch es gibt eine grundlegende Kritik an Kraftstoffen – aus welchen Quellen auch immer sie stammen: Sie dienen dem Betrieb von Verbrennungsmotoren, einer Technologie, die im Vergleich zu Elektromotoren äußerst ineffizient ist. Nur etwa ein Viertel der Energie des Kraftstoffs wird wirklich für den Antrieb wirksam, die restlichen drei Viertel verpuffen als Wärme. Es gibt Einsatzgebiete, in denen Elektrizität wegen des hohen Gewichts der Batterien keine Alternative ist – etwa die Luftfahrt und den Schiffsverkehr. Doch in anderen Bereichen werden technologische und organisatorische Änderungen des Verkehrssystems viel mehr zur Verminderung der Treibhausgasemissionen beitragen als der Ersatz von Kraftstoffen aus Erdöl durch Kraftstoffe aus Biomasse oder erneuerbarem Strom. Das ist nur in wenigen Fällen das elektrische Auto; viel größere Effekte sind von einem Verkehrssystem zu erwarten, das auf öffentlichen Verkehr setzt und dass das Zufußgehen und das Radfahren fördert. Und von einem Wirtschaftssystem, das Produktion und Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen wieder verstärkt regional organisiert.