Interview mit Karin Zauner-Lohmeyer: Europaweiter Kampf für bezahlbares Wohnen
Was sind die Anliegen der Europäischen Bürgerinitiative Housing for all? Warum ist die europäische Ebene so wichtig?
Europa steckt in einer dramatischen Wohnungskrise. Immer weniger Menschen können sich das Wohnen in den Städten leisten und es mangelt an leistbarem Wohnraum. Wohnen ist ein Menschenrecht und keine Handelsware! Ein europaweites Problem, braucht eine europaweite Antwort. Die Spekulation mit Grund und Boden treibt die Boden- und Immobilienpreise ins Unendliche. In vielen Städten müssen die Menschen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Wir wollen durch unsere Initiative auf all diese Fehlentwicklungen lautstark aufmerksam machen.
Wie ist die die Situation in den europäischen Staaten und welche Maßnahmen müssten gesetzt werden?
Zwei erschreckende Beispiele: In Spanien leben 2 Mio. Menschen auf der Straße, in Deutschland 860.000. Hinzu kommt, dass in Deutschland 1,9 Mio. bezahlbare Wohnungen fehlen. Wohnen ist zwar in der Kompetenz der Staaten, doch die EU Gesetzgebung beschränkt Länder, Gemeinden und Städte, wenn sie in leistbares Wohnen investieren wollen. Wir fordern daher Reformen beim Beihilferecht, bei den Maastrichtkriterien, bei der Regelung von Kurzzeitvermietungen über Online-Plattformen (Airbnb und Co.) und eine kleinräumige Erhebung des Wohnbedarfs in Europa. Die Wurzel allen Übels liegt in der neoliberalen Überzeugung in der EU, dass der ungezügelte Markt alles zum Guten wendet. Der freie Markt wird aber niemals breite Teile der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum versorgen. Es braucht hier das staatliche Eingreifen – Wohnen muss Teil der Daseinsvorsorge sein!
Welche Rolle spielen Immobilienspekulationen bei der Wohnraumentwicklung?
Spekulation spielt beim Thema Wohnen eine entscheidende Rolle. Immobilien werden in Erwartung gekauft, dass die Preise steigen. Bei entsprechender Rendite werden sie verkauft, wie eine Aktie. Gerade in einer Niedrigzinsphase fließt enorm viel Geld in Immobilien. Im „Betongold“ wird der Reichtum gebunkert. Viele Wohnungen stehen deshalb auch leer. Es geht also nicht um die soziale Funktion des Wohnens oder um die Menschen, sondern um den maximalen Profit.
Warum sollen möglichst viele Menschen gerade in Österreich die Bürgerinitiative unterstützen?
Die Situation in Österreich ist durch die lange Tradition des kommunalen und geförderten Wohnbaus noch vergleichsweise gut, weil in beiden Wohnformen die Mietpreise gedeckelt und den Kräften des freien Markts entzogen sind. Am privaten Markt sind die Mieten zwischen 2008 und 2018 um rund 39 Prozent gestiegen. Das einzige Gegenmittel ist der geförderte, gemeinwohlorientierte und kommunale Wohnbau. Die EU darf die Städte und Gemeinden nicht weiter beschneiden, wenn sie in sozialen Wohnbau investieren wollen. Jede Unterschrift ist eine Unterschrift für die Zukunft der kommenden Generationen! Man kann online auf unserer Homepage unterzeichnen.