Kommentar: Saatgut und Biodiversität
Paradeiser-, Kartoffel- oder Paprikararitäten sind seit einiger Zeit nicht mehr nur auf lokalen Märkten, sondern auch in Österreichs Supermärkten zu erwerben. Die Vielfalt am Teller für KonsumentInnen wird ermöglicht, ohne sich gleich selbst als Gärtner oder Gärtnerin ins Zeug legen zu müssen. Ein Mehrwert für KonsumentInnen, sicher auch für die Supermärkte, die hier neue Nischen besetzen. Diese Vielfalt ist möglich, weil dieses Saatgut und das Wissen um den Anbau Dank der Arbeit eines Vereins zum Erhalt der Vielfalt der Kulturpflanzen vorhanden sind. Außerdem lässt es derzeit auch die österreichische Gesetzeslage zu, dass in kleinen Mengen Saatgut von Lokalsorten gehandelt und getauscht werden darf. Dies ist nicht selbstverständlich in Europa. Erst im Sommer dieses Jahres wurde der französische Verein Kokopelli vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Schadenszahlungen verurteilt, weil er alte Saatgutsorten angeboten hat. Der EuGH begründete leider das Handelsverbot alter Saatgutsorten mit dem als höher bewerteten Ziel „der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität“. Die Regeln für die Weitergabe von lokalem Saatgut könnten aber auch in Österreich künftig viel aufwendiger, bürokratischer oder gar verunmöglicht werden. Die EU überarbeitet derzeit das Saatgutverkehrsrecht. Insgesamt sollen zwölf Verordnungen zum Saatgut- und Pflanzrecht zu einer Richtlinie zusammengefasst werden. Die EU setzt bei der Zulassung aber weiterhin auf „Hochleistungssorten“, die mit Einsatz von Pestiziden und Nitrat gute Erträge bringen. Alte Sorten, die sich stark regional angepasst haben, sind in solch einem Regime kaum marktfähig. Dadurch ist die Vielfalt am Acker und am Teller gefährdet. Gerade in Zeiten des Klimawandels brauchen wir aber umso mehr Pflanzen, die an extreme Wetterbedingungen angepasst sind.