Interview: Abgasskandal: Pkw-Abgasskandal in Europa
War der VW-Abgasskandal nicht schon früher absehbar?
Goyens: Verbraucherorganisationen, Umweltverbände und Auto-Experten haben schon seit Jahren auf die Missstände der EU-Testverfahren für die Zulassung von Pkw hingewiesen. Sogar ein kommissionsinternes Wissenschaftszentrum hat auf die enormen Diskrepanzen zwischen den offiziellen Testwerten und den tatsächlichen Emissionen hingewiesen. Es war schon lange klar, dass die Angaben der Hersteller zu Schadstoff- und CO2-Emission keine Aussagekraft haben. Was gefehlt hat, waren Beweise, dass Hersteller auch illegale Methoden nutzen, um ihre Emissionsangaben zu beschönigen.
Was wollen Sie für geschädigte Käufer eines VW-Pkw erreichen?
Goyens: Verbraucher sind durch das Verhalten von VW zu Schaden gekommen. Die Besitzer der betroffenen Pkw haben aufgrund irreführender Versprechen einen hohen Kaufpreis für ein „umweltfreundliches“ Fahrzeug bezahlt und fahren nun ein Auto, das nicht den Angaben beim Kauf entspricht. Neben einem niedrigeren Wiederverkaufswert sehen sich Konsumenten möglicherweise auch mit einem höheren Spritverbrauch konfrontiert. Es gibt auch einen moralischen Schaden und eine Beeinträchtigung der Gesundheit von Fahrer und Umwelt. Aus diesen Gründen müssen die Besitzer entschädigt werden, und zwar unabhängig von den angekündigten Maßnahmen von VW. Volkswagen behauptet zwar, dass durch die geplanten Reparaturen alle Probleme behoben werden und deswegen kein Schaden entsteht. Aber seit der Aufdeckung des Skandals ist mehr als ein halbes Jahr vergangen und es wurde erst ein Bruchteil der illegalen Abschalteinrichtungen entfernt. Außerdem müssen Käufer sich auf die Versprechen von VW und der deutschen Pkw-Behörde verlassen können, dass die Reparaturen nicht zu einem höheren Spritverbrauch und einer niedrigeren Motorleistung führen. Unabhängige Kontrollen gibt es nicht.
Gibt es schon erste Erfolge?
Goyens: Seit Bekanntwerden des Skandals haben wir das Gespräch mit VW gesucht. Aber beim Thema Entschädigung mauert das Unternehmen – obwohl es danach aussieht, dass amerikanische Verbraucher bis zu 5.000 Dollar bezahlt bekommen und VW sich zusätzlich bereit erklärt hat, betroffene Autos zu reparieren oder zurückzukaufen. Weil VW in Europa weiter darauf hofft, das Problem aussitzen zu können, haben mehrere unserer Mitgliederverbände Sammelklagen gegen VW angekündigt oder bereits eingereicht. Dadurch erhöhen wir und unsere Mitglieder den Druck auf VW, das Thema Entschädigung endlich auch für alle europäische Verbraucher anzugehen. Auf politischer Ebene arbeiten wir mit der EU-Kommission zusammen. Die Industriekommissarin hat schon vor Monaten erklärt, dass eine Entschädigung angemessen ist.
Was muss getan werden, damit sich so etwas nicht wiederholt?
Goyens: An erster Stelle müssen endlich strengere Zulassungsverfahren eingeführt werden. Hierzu liegt den EU-Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament seit Jänner ein Vorschlag vor. Unter anderem sollen Stichproben genommen werden, um die Aussagekraft der Tests zu überprüfen. Außerdem – und das wäre eine Neuerung in der EU – sollen die Abgastests unter realen Fahrbedingungen auf der Straße durchgeführt werden. Nur so ließe sich kontrollieren, ob der CO2- oder Schadstoff-Ausstoß auch tatsächlich die gesetzlichen Höchstgrenzen nicht überschreitet.