Kommunikation

Flucht nach vorn

Anthropozän  

Der Soziologe Nikolaj Schultz beschreibt in seinem Essay „Landkrank“ einen Zustand, den man auch als „Ökorexie“ bezeichnen könnte: den inneren Stress, den die ökologische Krise in vielen von uns auslöst. Wie können wir im Einklang mit planetarischen Grenzen leben? Getrieben von einer extremen Hitzewelle in Paris, flieht der Protagonist des Buches auf eine französische Mittelmeerinsel, in der Hoffnung, den Auswirkungen der Klimakrise zu entkommen. Doch im vermeintlichen Urlaubsparadies angekommen, wird ihm schnell klar, dass auch hier die Eingriffe des Menschen in die Natur unübersehbar sind. Der steigende Meeresspiegel und die Erosion der Küsten bedrohen die einst idyllischen Strände und seit Jahren herrscht eine bedrückende Wasserknappheit. Angesichts dieser ökologischen Verwerfungen stellt der Ich-Erzähler tiefgehende, existenzielle Fragen nach dem Menschsein im Anthro­pozän. Trotz der scheinbar ausweglosen Situation gelingt es Schultz, eine hoffnungsvolle Stimmung zu erzeugen. Ein Buch, das nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern auch lange nachwirkt. MK

Landkrank, Nikolaj Schultz, Suhrkamp (2024)

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Urlaub in den Bergen mit Öffis

Freizeit  

Die österreichische Organisation Bahn zum Berg hat mit „Zuugle“ eine Suchmaschine programmiert, die nicht nur tausende im Internet veröffentlichte Bergtouren auffindbar macht, sondern auch gleich die öffentliche Anreise dazu berechnet. Ab jetzt ist es möglich, nach Regionen und mit einer detaillierten Karte ganz einfach und unkompliziert eine Wandertour und die öffentliche Anreise dazu zu recherchieren. „Zuugle“ macht also (fast) jede Tour zu einer Öffi-Tour. Diese gute Idee von Bahn zu Berg scheint vielversprechend zu sein. Am besten gleich bei der nächsten Wanderung ausprobieren! SI

Infos unter: www.zuugle.at/

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Klima.Wissen.Handeln!

Ausstellung  

Wenn Menschen den Klimawandel erfahren können, entwickeln sie ein besseres Verständnis dafür. Die Dauerausstellung „Klima.Wissen.Handeln!“ im Technischen Museum Wien thematisiert die Auswirkungen der Klimakrise auf den Menschen und macht sie auf über 600 Quadratmetern erlebbar. Multimediale Stationen zeigen, wie sich das Leben auf dem Planeten Erde durch die Klimakrise verändert hat und weiter verändern wird, es gibt Tipps zur Reduktion des eigenen CO2-Fußabdrucks und mit dem Zukunftssimulator kann ein Klimaszenario basierend auf persönlichen Vorlieben dargestellt werden. Begleitend zur Ausstellung finden regelmäßig Führungen, Workshops für Kinder und Erwachsene sowie Expert:innengespräche statt. Bis Ende des Jahres wird „Klima.Wissen.Handeln!“ durch die Ausstellung „Energiewende schaffen“ ergänzt und verbindet so die beiden Themenkomplexe. Auf in eine nachhaltige Zukunft! Das Technische Museum gibt dafür gute Impulse. LK

Die Dauerausstellung Klima.Wissen.Handeln! ist im Technischen Museum Wien zu sehen.

Infos hier.

Ein Blick hinter die Kulissen

Podcast

Deutschlands wohl bekannteste Klimaaktivistin Luisa Neubauer veröffentlich seit 2020 ihren eigenen Podcast: „1,5 Grad – der Klimapodcast mit Luisa Neubauer“. Die Themen variieren und hängen meist von den Gästen ab. Ob Herbert Grönemeyer, Greta Thunberg oder Neubauers eigene Großmutter – an spannenden Gesprächen fehlt es nie. So geht es in einigen Folgen um Wissenswertes aus der Klimawissenschaft, in anderen Folgen wird mit den Gästen debattiert und in wieder anderen Folgen gewährt die Podcastparterin Einblicke in die Arbeit des Klimaaktivismus.

Eine besonders spannende Ausgabe ist die Spezialfolge mit dem US-Senator Bernie Sanders. Darin sprechen die beiden über Wut, Privilegien und sein Buch „Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein“ – im Gegensatz zu den anderen Folgen ist diese auf Englisch. Ein Podcast, den man sich gut an regnerischen Tagen, auf dem Weg zur Arbeit oder beim Aufräumen anhören kann. SB

Der Podcast ist nachzuhören bei Spotify. Infos hier

Der Preis des Technologiekonsums

Ausbeutung  

Die Ungerechtigkeit könnte nicht größer sein: Für die Li­thiumbatterien und die Profite milliardenschwerer High-Tech-Konzernen graben im Kongo zehntausende Menschen – darunter zahllose Kinder – mit Low-Tech-Methoden nach Kobalt. Ihr Tageslohn liegt dabei zwischen einem und zwei Dollar. Siddharth Kara zeigt die Logik hinter diesen Abbaumethoden: Handarbeit ist oft effizienter als Maschineneinsatz. Die zahlreichen Stufen an Zwischenhändlern dienen einerseits dazu, dass sich möglichst viele an der Arbeit der Bergleute bereichern können, andererseits helfen sie, die Herkunft des Erzes zu verschleiern. Letztendlich landet das kongolesische Kobalt bei einigen wenigen chinesischen Bergbaufirmen oder beim Schweizer Glencore-Konzern. Der Autor hat den Kongo mehrfach bereist, vor Ort recherchiert und zum Teil herzzerreißende Interviews geführt. Einziges Manko dieses wichtigen Buches: Fotos und eine Landkarte wären hilfreich. HH

Blutrotes Kobalt – Der Kongo und die brutale Realität hinter unserem Konsum, Siddharth Kara, HarperCollins (2024)

Natur und Arbeit

Industrialisierung

Simon Schaupp gelingt es, den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Natur und der Entwicklung unserer Wirtschafts- und Arbeitsweise bildhaft darzustellen. Auf 419 Seiten zeichnet er die Entwicklungsgeschichte der kapitalistischen Gesellschaft durch die Brille von Natur und Umwelt nach. Es war der natürliche Verwesungsprozess von Tierkadavern, der die Industrialisierung der Fleischproduktion mit ihrer tayloristischen Arbeitsteilung in Chicago vorantrieb. Es war aber auch das Wissen um den natürlichen Verwesungsprozess von Tierkadavern, das die Arbeiter:innen bei Arbeitskämpfen einsetzten. Die Fließbänder wurden in den frühen Schlachtfabriken eingeführt, um der verwesenden Tierkadaver Herr zu werden, die sich dort auch aufgrund von Streiks angesammelt hatten. Von der Fleischindustrie über die Plantagenarbeit, den Aufstieg des Erdöls und der Automobilindustrie bis hin zum Care-Sektor und der Baubranche wird der sich durch menschliche Arbeitskraft vollziehende Stoffwechsel zwischen Gesellschaft und Natur erfrischend und unterhaltsam erzählt. Ein nicht-akademisches Publikum kann das erste Kapitel mit der theoretischen Herleitung der Begriffe überspringen und die empirischen Teile einzeln lesen. Schaupps Buch ist ein lesenswerter Beitrag zur Verschränkung von sozialer Frage und Klimapolitik. Neva Löw

Stoffwechselpolitik – Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten, Simon Schaupp, Suhrkamp (2024)

Der gute Tipp zum Schluss: „Vinted“ 

Fast Fashion wird immer erfolgreicher, Kollektionen werden mittlerweile im Wochentakt herausgebracht. 
Etwa jedes achte Kleidungsstück wird laut dem „FactSheet Kleiderkonsum“ von Greenpeace nie, fast nie oder nur selten getragen. Darunter leiden die Umwelt und das Klima. Auf der anderen Seite wird Second Hand-Kleidung zu einem immer größeren Thema. Die App „Vinted“ (früher „Kleiderkreisel“) bietet Konsument:innen die Möglichkeit, bereits getragene Kleidung kostengünstig zu kaufen. Außerdem kann man auch den eigenen Kleiderschrank ausmisten und anderen mit der Vintage-Mode eine Freude machen. SB