Interview: Wo ein starker Betriebsrat ist, sehen die Beschäftigten positiver in die Zukunft

Das Opel-Werk in Wien Aspern schließt nach über vierzig Jahren Betrieb seine Tore. Wo sehen Sie Chancen auf sinnvolle Beschäftigung, wenn die Krise der Automobilindustrie weiter anhält? 

Mit einer klugen Industriestrategie wäre auch diese Krise gut bewältigbar und man könnte den Arbeiterinnen und Arbeitern, die ja hohes technisches Know-how haben, eine Perspektive geben. Aber auch hier ist die Regierung säumig, obwohl in Österreich rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Industrie abhängig sind. Das ist grob fahrlässig, schon jetzt sind uns Staaten wie China oder die USA weit voraus, wenn es um Investitionen in Zukunftstechnologien geht. Aber wenn ich nach Steyr schaue, dann sehe ich, dass es auch in der Automobilindustrie durchaus Chancen gibt. Im dortigen BMW-Werk startet ab nächstem Jahr die Serienproduktion von Elektromotoren.

Der soziale und ökologische Umbau kann nur gemeinsam gelingen. Wie kann der Eindruck bekämpft werden „die da oben“ entscheiden, schließen Werke, stellen die Produktion um und die Arbeiter:innen müssen folgen?

Die Transformation kann nur gelingen, wenn man die Arbeiterinnen und Arbeiter mitnimmt. Nehmen wir das Beispiel KI: Wenn ich hier nicht genau erkläre und Ängste nehme, werde ich eine verunsicherte Belegschaft haben, was nicht unbedingt förderlich für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Wir wissen, dort, wo ein starker Betriebsrat ist, der auch in Veränderungsprozesse eingebunden ist, sehen die Beschäftigten viel positiver in die Zukunft. Und natürlich braucht es auch einen starken, solidarischen Sozialstaat. Gerade in Zeiten von Veränderungen müssen sich die Arbeitnehmer:innen darauf verlassen können, dass das soziale Netz reißfest ist.

Eine besondere Bedeutung wird sicherlich im Bahnausbau und einer Stärkung der Eisenbahnindustrie liegen (siehe hierzu auch Interview Andreas Matthä LINK). Welche Maßnahmen sollten getroffen werden, damit die Mobilitätswende nicht nur dem Klimaschutz dient, sondern auch für die Beschäftigten in den Verkehrsindustrien von Vorteil ist?  

Hier ist wieder die Politik gefragt! Der Zug, der in Europa fährt, sollte auch in Europa produziert werden. Das gleiche gilt für jede verlegte Schiene. Gerade bei öffentlichen Investitionen kann man sehr gut steuernd eingreifen und dafür sorgen, dass die Wertschöpfung in der EU bleibt. Wesentlich ist auch die Ausbildungsfrage. Wir müssen ungelernten Arbeiterinnen und Arbeitern die Chance geben, sich zu qualifizieren. Die guten Facharbeiter:innen sind ein wichtiger Standortfaktor, den dürfen wir nicht vernachlässigen.

Nur gute Arbeitsplätze sind auch produktive Arbeitsplätze. Der ökologische Umbau sollte nicht zu Arbeitsverdichtung führen und die Beschäftigten auslaugen. Könnte ein Instrument besserer Klimapolitik in der Arbeitszeitverkürzung liegen?

Arbeitszeitverkürzung kann zum Klimaschutz beitragen. Wird beispielsweise ein Tag pro Woche weniger gearbeitet, reduziert das den Pendlerverkehr ungemein. Aber davon abgesehen: Eine Arbeitszeitverkürzung ist längst überfällig, die letzte gesetzliche war vor mehr als 50 Jahren. Ich finde es heuchlerisch, permanent Verschlechterungen beim vorzeitigen Pensionsantritt zu beschließen, aber nichts dafür zu tun, dass die Menschen bis zum gesetzlichen Pensionsalter durchhalten. Damit meine ich zum Beispiel die Abschaffung der abschlagsfreien Pension nach 45 Arbeitsjahren oder das Aus der geblockten Variante der Altersteilzeit. Wir haben unzureichende Kinderbetreuung, vor allem in ländlichen Regionen, und wir haben eine Pflegekrise. Viele Arbeitnehmer:innen haben neben der beruflichen Belastung auch noch familiäre Belastungen zu stemmen. Eine Arbeitszeitverkürzung würde wesentlich dazu beitragen, dass Menschen aus gesundheitlichen Gründen nicht schon vorzeitig das Berufsleben verlassen. 

Die PRO-GE vertritt auch Beschäftigte in der Landwirtschaft, etwa Erntearbeiter:innen  – wie zeigen sich für diese heute bereits die Folgen der Klimakrise? 

Diese Menschen leisten eine unfassbar harte körperliche Arbeit, leider noch immer mit zu geringen Löhnen und oftmals schlechten Arbeitsbedingungen. Die zunehmende Hitze verschärft das Ganze, denn jedes Grad mehr belastet den Körper. Wir fordern von Minister Kocher schon seit Jahren, dass das Arbeitsrecht den Klimawandel stärker berücksichtigt, denn bei über 30 Grad Celsius knieend oder gebückt am Feld arbeiten ist Schwerstarbeit. Im Falle von Erntearbeiter:innen braucht es daher unter anderem das Recht auf mehr Pausen, die an gekühlten Orten verbracht werden können. Das muss dann aber auch kontrolliert werden, denn hier sehen wir Aufholbedarf. Die schwarzen Schafe unter den Landwirten gibt es, mit der von uns ins Leben gerufenen Sezonieri-Kampagne ist es uns gelungen, schon einige Skandale aufzudecken.

Besteht die Gefahr, dass die jetzt notwendigen Transformationsprozesse genutzt werden, um Kollektivverträge aushöhlen? Welche Rolle kommt hier den nächsten Nationalratswahlen und der Regierungsbildung zu?  

Dass gerade von Wirtschaftsseite die Sozialpartnerschaft nicht mehr sehr hochgehalten wird, haben wir in der letzten Herbstlohnrunde gesehen, wo man aufgrund der hohen Inflation plötzlich die Spielregeln ändern und sich von der Benya-Formel verabschieden wollte. Diese Angriffe sind wir gewöhnt und wissen uns auch zur Wehr zu setzen. Dass jeder Veränderungsprozess dazu verleitet, die bestehenden Regeln zu untergraben, ist uns bewusst. Aber als starke Gewerkschaft mit starken Betriebsrät:innen werden wir sehr wachsam sein. Eine Regierung, die die Arbeitnehmer:innen wieder stärker in den Mittelpunkt stellt, würde uns dabei helfen. Ich kann nur allen Beschäftigten vor der Wahl raten: Informiert euch sehr genau, wer eure Interessen vertritt und lasst euch nicht von Populisten verführen.

Abschließend: Dürfen wir trotz der enormen Herausforderungen optimistisch sein?

Angst ist ein schlechter Lehrmeister. Die Veränderungsprozesse lassen sich nicht aufhalten. Was wir aber können, ist, sie zu gestalten. Ich bin mir sicher, dass uns das gelingen wird, wenn die konstruktiven Kräfte Oberhand behalten. Eine saubere Umwelt, die Unabhängigkeit von fossiler Energie und somit von autokratischen Staaten und neue Technologien, die – richtig eingesetzt – unser Leben verbessern können, sind doch Dinge, für die sich der Einsatz lohnt.

FJ