Wissenschaft: Die Transformation kann nur sozial gelingen
Dass etwas gegen die unmittelbare Bedrohung durch den Klimawandel getan werden muss, steht politisch – außer bei Parteien im ganz rechten Spektrum – nicht mehr zur Diskussion. Die hitzig geführten gesellschaftlichen Debatten belegen jedoch, wie sehr Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele die Gemüter spalten. Wie sehen Beschäftigte, die von der Transformation in ihrer Arbeit unmittelbar betroffen sind, den Klimawandel und die sozial-ökologische Transformation? Was sind ihre Erwartungen und Hoffnungen, aber auch Ängste hinsichtlich des Wandels hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft? Und welche Rolle spielt Gewerkschaftsmitgliedschaft für die Wahrnehmung?
Unsere im Oktober 2023 von der Hans-Böckler-Stiftung publizierte Studie „Erwartungen von Beschäftigten an die sozial-ökologische Transformation“ widmet sich diesen Aspekten. Antworten auf diese Fragen sind wichtig. Nur wenn wir die Erwartungen und Ängste derjenigen, die direkt betroffen sind, ernst nehmen und miteinbeziehen, wird es die nötige Akzeptanz geben. Falls diese demokratischen und sozialen Dimensionen jedoch nicht genügend Berücksichtigung finden, besteht die Gefahr, dass die sozial-ökologische Transformation scheitert.
Klimabewusstsein unter Beschäftigten in Deutschland
Ein Bewusstsein für den Klimawandel ist unter einer Mehrheit der befragten Beschäftigten ausgeprägt. Mehr als die Hälfte (57%) meint, dass größere Auswirkungen des Klimawandels bereits jetzt in Deutschland zu spüren sind und ein weiteres Fünftel, dass dies bis 2030 der Fall sein wird. Diese Empfindung spiegelt sich auch in der Wahrnehmung der Dringlichkeit von Klimamaßnahmen. Mehr als zwei Drittel der Befragten gibt an, dass wir mit einem großen Maß an Dringlichkeit oder mit äußerster Dringlichkeit handeln müssen. Somit steht die breite Masse der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland hinter den Klimazielen der Bundesregierung.
Neben diesen kognitiven Einschätzungen zum Klimawandel spielen auch emotionale Aspekte eine wichtige Rolle. Knapp drei Viertel zeigen sich ziemlich oder sehr besorgt mit Blick auf den Klimawandel. Gleichzeitig spürt weniger als die Hälfte (43 %) Hoffnung. Sich zu sorgen, ist nicht per se schlecht und kann zu Engagement führen. Dennoch, wenn weniger als die Hälfte der Befragten Hoffnung verspürt, sollte die Politik überdenken, was in der Klimapolitik und deren Wahrnehmung falsch läuft.
Die Befragten sehen den Kampf gegen den Klimawandel eindeutig als Aufgabe der Politik. Vier von Zehn (39%) geben an, dass die Bundesregierung die größte Verantwortung trägt, gefolgt von Unternehmen mit 25 %, während nur 16 % Einzelpersonen die führende Verantwortung zuschreiben. Somit wird der Kampf gegen den Klimawandel eher als ein strukturelles und weniger als ein individuelles Problem gesehen, das es durch öffentliche Investitionen, Besteuerung und Regulierung seitens der Politik und durch Investitionen in nachhaltige Produktionsprozesse, Produkte und Dienstleistungen seitens der Unternehmen zu lösen gilt.
Transformation wird als ökologisch, aber unsozial wahrgenommen
Jeweils eine Zweidrittelmehrheit assoziiert mit einem Wandel zu einer „grünen“ Wirtschaft verbesserte Luft-, Boden- und Wasserqualität und sechs von zehn assoziieren mit dem Wandel mehr Wohlbefinden. Jedoch erwarten ebenfalls zwei Drittel, dass diese Transformation zu höheren Lebenshaltungskosten führen wird und jeweils die Hälfte, dass der Lebensstandard sinken und Armut und Ungleichheit zunehmen werden. Somit ist die Sorge vor dem Klimawandel wahrscheinlich auch mit diesen erwarteten negativen sozialen Auswirkungen verbunden.
Beschäftigte erhoffen sich also verbesserte gesundheitliche und ökologische Entwicklungen, aber befürchten negative soziale und ökonomische Folgen. Dieser Befund untermauert, dass wir Klimapolitik sozial denken müssen. Das politische Silodenken, das Klima-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik isoliert betrachtet, geht nicht auf. Jede klimapolitische Maßnahme hat wirtschaftliche und soziale Folgen.
Wie schwierig dieses Zusammenspiel politisch ist, lässt sich unverkennbar in der deutschen Bundesregierung feststellen. Vom im Koalitionsvertrag verankerten „Klimageld“, das Bürger:innen über die Einnahmen aus der CO2-Steuer entlasten sollte, fehlt weiterhin jede Spur. Subventionen für den Kauf von Elektroautos sind nach dem Sprecher des Finanzministeriums „aufgebraucht“. Die Bereitstellung von € 1,5 Milliarden für die Fortsetzung des Deutschlandtickets, um Menschen bei der Umstellung vom privaten PKW zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu überzeugen, hing lange in der Luft. Wie aber soll in Zeiten wachsender Ungleichheit und stagnierender oder sinkender Reallöhne der Zuspruch der Bevölkerung für klimapolitische Maßnahmen wachsen, wenn sich die Menschen in ihren Sorgen nicht verstanden und unterstützt fühlen?
Gewerkschaften als Mediatoren zwischen guter Arbeit und ökologischer Verantwortung
Deutsche Gewerkschaften rufen dazu auf, die „soziale“ Dimension der sozial-ökologischen Transformation in der Klimapolitik nicht aus den Augen zu verlieren. In unserer Studie zeigt sich, dass sich Gewerkschaftsmitglieder im Durchschnitt besser über den Klimawandel informiert fühlen, besorgter sind und sich auch öfter zuhause und in der Arbeit über den Klimawandel unterhalten, als andere Arbeitnehmer:innen. Gewerkschaftsmitglieder nehmen öfter an Weiterbildungskursen zum Klimawandel teil und sind deutlich häufiger an innerbetrieblichen Maßnahmen und Nachhaltigkeitsstrategien beteiligt.
Mitbestimmung, eines der Kernthemen der Gewerkschaften, ist daher auch eine wichtige Säule für eine demokratisch gestaltete Transformation, die zu einem großen Teil auf betrieblicher Ebene stattfinden wird. Eine Stärkung von Tarifbindung und Mitbestimmung kann daher einen wichtigen Beitrag leisten, die Transformation zur Klimaneutralität demokratisch und sozial zu gestalten. Das wiederum kann für mehr Akzeptanz sorgen und den rechten Strömungen den Wind aus den Segeln nehmen.