Interview: Neue Fiskalregeln für öffentliche Investitionen

Energie- und Mobilitätswende sind ohne öffentliche Investitionen nicht zu schaffen. Ist dafür das Geld da?

 Natürlich ist das Geld da. Die hohen Milliardenbeträge mögen einschüchternd klingen, aber gemessen an der Wirtschaftsleistung geht es um zusätzliche jährliche Ausgaben von vielleicht 1 bis 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn man das schrittweise aufbaut, ist das ökonomisch kein Problem. Es braucht den politischen Willen. Auch dafür, ökonomisch kontraproduktive Fiskalregeln zu ändern, damit es wieder Spielräume für öffentliche Investitionen gibt. Denn diese Investitionen kommen zukünftigen Generationen zugute. Das wäre die Goldene Investitionsregel.

Wieviel wurde im letzten Jahrzehnt in Österreich und Deutschland in die öffentliche Infrastruktur investiert, gibt es da wesentliche Unterschiede? 


Die öffentlichen Nettoinvestitionen – Investitionen minus Abschreibungen – waren in Österreich mit etwa 0,4 Prozent des BIP deutlich höher als in Deutschland. Hier waren sie nach der Finanzkrise 2012 bis 2015 sogar negativ, d.h. der öffentliche Kapitalstock schrumpfte. Das kann man auch im Alltag sehen. Meine österreichischen Kolleg*innen in Duisburg waren einmal ganz begeistert, dass wir mit einer „Museumsstraßenbahn“ fuhren – bis sie merkten, dass viele einfach uralt sind. Ein Grund für die geringen öffentlichen Investitionen ist auch die deutsche Schuldenbremse. Ihretwegen waren Bund und Länder viele Jahre sehr knausrig und hielten auch die Kommunen kurz. 

Während der Krise hat sogar die EU die Fiskalregeln gelockert. Jetzt besteht die Gefahr, dass diese wieder verschärft werden. Was müsste geschehen, um öffentliche Investitionen zu erleichtern? 

Die EU hat in der Coronakrise wirklich ganz viel richtig gemacht und die katastrophalen Fehler aus der Eurokrise nicht wiederholt. Für die Fiskalregeln wurde die generelle Ausnahmeklausel bis einschließlich 2022 gezogen. Besonders betroffenen Mitgliedstaaten wurden über den Aufbau- und Resilienzfonds gezielt Mittel zur Verfügung gestellt. Jetzt sind zwei Dinge ganz wichtig: Erstens darf man die Staaten nicht zu früh wieder zur Konsolidierung zwingen, das würde den Aufschwung gefährden. Zweitens brauchen sie jetzt Spielräume für öffentliche Zukunftsinvestitionen, gerade in klassische und ökologische Infrastruktur. Am besten wäre dafür die Einführung der Goldenen Investitionsregel, wonach öffentliche Nettoinvestitionen, mit Krediten finanziert werden dürfen.

Gemeinden und Städte spielen eine zentrale Rolle in der Daseinsvorsorge und bei öffentlichen Infrastrukturen. Könnte auch da die Goldene Investitionsregel helfen? 

Ja, natürlich. Die Goldene Regel würde potenzielle Konflikte mit den EU-Fiskalregeln ausräumen und mehr Spielraum für öffentliche Investitionen schaffen. Das kann den Kommunen direkt helfen. Bund und Länder hätten aber auch die Möglichkeit die Kommunen besser mit Investitionsmitteln auszustatten.